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Zwischen Freude und Unmut

Die einen finden ihn putzig, wenn sie ihn sehen, den anderen stellen sich die Nackenhaare auf: Es geht um den Biber, der in Deutschland vor wenigen Jahrzehnten noch so gut wie ausgestorben war und der sich heute langsam Lebensräume zurückerobert. Auch in der Uckermark, im Norden Brandenburgs, findet der Biber ideale Bedingungen.

Von Heike Holdinghausen | 24.06.2008
    Kornblumen lassen rechts ein Weizenfeld blau schimmern, links liegt ein Wiesengrund, dahinter ein Buchenwald. Typisch nördliches Brandenburg, typisch uckermärkische Idylle. Bauer Klaus Gürtler erfreut der Anblick allerdings gar nicht:

    "Hier haben wir ein Wiesental, wo durch den Biber soviel Wasser zurückgestaut wird, dass der Graben nicht ablaufen kann. So, und nun steigt das Wasser immer höher, immer höher, und setzt die gesamte Wiese unter Wasser, so dass sie nicht befahrbar ist. "

    Ein Trecker kann auf dieser Wiese nicht mehr fahren, sie ist zu nass. Der Biber ist zurück in der Uckermark und baut seine Staudämme, wo es ihm gefällt. Auch auf der Wiese von Biobauer Gürtler, der dort eigentlich Heu für seine 120 Milchkühe mähen wollte. Einst war "Meister Bockert" hier beinahe ausgestorben, vor 30 Jahren wurde er wieder angesiedelt. Inzwischen leben etwa 240 Exemplare von Europas größtem Nagetier im Naturpark Uckermärkische Seen. Roland Resch leitet den Naturpark. Sein Job ist es vor allem, den naturnahen Tourismus in der strukturschwachen Region anzukurbeln. Der streng geschützte Biber ist da eine willkommene Attraktion:

    "Wenn Sie mal so eine Fläche sehen, da pilgern schon eine ganze Menge Leute hin. Das wollen sie einfach mal sehen, wie so ein kleines Tier einen Damm baut, der beachtlich für jeden Wasserbauer ist. Es ist interessant, ihn als Baumeister zu erleben und da ist er der gute Biber."

    Nicht nur Touristen profitieren von dem wasserbegeisterten Pelztier, das Mönche im Mittelalter als "Fisch" deklarierten, um es in Fastenzeiten verspeisen zu können. Der Biber legt flache Gewässer an, in denen seltene Vögel wie Rohrsänger oder Eisvogel und Amphibien wie Rotbauchunken oder Kammermolche ein Zuhause finden. Und außerdem: In der staubtrockenen Uckermark hält der Biber das Wasser, lobt Naturparkchef Resch:

    "Er ist derjenige, der die Landschaft, was den Landschaftswasserhaushalt angeht, am intensivsten umgestaltet zum Wohle vieler. Und nicht nur der Wasservögel, die zuerst davon profitieren; er schafft auch mehr Versickerung von Wasser in das Grundwasser hinein und er sorgt mit großen Wasserflächen auch für eine mikroklimatische Verbesserung, weil dort eine andere Verdunstung herrscht als über einem Wasser oder einer Wiese. "

    Bauer Gürtler widerspricht. Er sieht in seinem Mitbewohner keinen Klimaschützer, sondern schlicht einen Schädling:

    "Hier brauchen wir für den Acker wirklich Wasser von oben, und das fast täglich, wenn wir hier was ernten wollen, weil wir hier eine solche Sandbüchse haben. Aus landwirtschaftlicher Sicht macht er uns keinen Nutzen."

    Wird der Ärger zwischen Mensch und Tier zu groß, versucht der Naturpark zu vermitteln: Er kauft mit Spendengeldern Grundstücke, die eine Biberfamilie besiedelt hat; er bietet dem betroffenen Landwirt Ausgleichsflächen an oder er legt Drainagen in die Biberburg, damit der Wasserstand nicht allzu hoch steigt. Doch bei Bauer Gürtler etwa war all dies nicht möglich - da heißt es dann nur: Pech gehabt. Eine massenhafte Verbreitung des Nagetieres ist aber nicht zu befürchten:

    "Die Biber regulieren ihren Bestand relativ eigenständig. Wie der Nachwuchs kommt, hängt sehr entscheidend vom Nahrungsangebot ab. Ob nun ein oder drei Junge zur Welt kommen, hängt von ihren Lebensumständen ab. Und so ist auch ihr Bestand mal etwas stärker angewachsen und mal etwas weniger stark angewachsen. Aber wir können sagen, es ist schon fast alles besiedelt vom Biber, was von ihm besiedelt werden kann. "

    Wo der Biber siedelt, ist weithin sichtbar: Abgestorbene Bäume säumen die Ufer der Biberseen. Sie fielen entweder dem hohen Wasserspiegel zum Opfer, oder der Biber hat ihre Rinde soweit abgenagt, dass sie eingingen. Wer das dämmerungsaktive Tier auch leibhaftig beobachten will, braucht Glück - wie Dietrich Schuppelius. Der 81jährige war fast 30 Jahre Förster in der Uckermark, und ihm ist der Biber oft zu Ohren gekommen:

    "Die sind so vertraut, wenn man sich da an den Gewässern aufhält oder in der Nähe von Burgen, man hört sie ganz laut."

    Platsch! - Als wenn man ein Brett ins Wasser schlägt - so klingt der Biber, bevor er abtaucht. In der Uckermark kann man das wieder hören.