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Radiolexikon Impotenz

Impotenz ist ein Tabuthema, doch die Zahl der betroffenen Männer ist erstaunlich hoch: In einer Studie der Universität zu Köln bezeichnete sich immerhin jeder fünfte Mann zwischen 30 und 80 Jahren als impotent. In Deutschland sind dies rund acht Millionen Männer.

Von Mirko Smiljanic | 12.05.2009
    Köln, ein früher Nachmittag im März. Im Behandlungsraum einer Praxis für Urologie und Andrologie wartet ein Patient auf seine Ärztin. Mitte 60 ist er, rüstig, gesund aussehend. Das war nicht immer so.

    "2005 bekam ich hier von meiner Ärztin die Mitteilung, dass ich Krebs hätte und dass ich operiert werden müsste, das würde so wie eine Totaloperation sein."

    Prostatakrebs hieß damals die Diagnose - ein Schock, der tief saß und sein Leben grundlegender verändert hat, als er sich im ersten Moment vorstellen konnte.

    "Da haben wir über den Sex noch gar nicht gesprochen, weil ich erst einmal den tiefen Fall hatte, ja, und dann wurde ich operiert, dann kam ich in die Reha, und in der Reha wurde uns das dann mitgeteilt, ... "

    ... dass sein Sexualleben sich ändern würde, weil er mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Erektion mehr bekommt. Von Impotenz hat zwar niemand gesprochen, genau die aber stand im Raum.

    "Bei der Prostata-Krebsoperation werden die Nerven, die um die Prostata herum sind, operationsbedingt mitentfernt, sodass nach der Operation die Übertragung der Nerventransmitter gestört ist. Die Energie kommt zwar an, kann aber nicht weitergeleitet werden, sodass fast alle Patienten, die eine Operation im kleinen Becken haben, sprich an der Blase oder an der Prostata im Sinne einer Krebsoperation oder aber nach Darmoperationen, wenn man einen Enddarmkrebs operiert, häufig Nervenstörungen operationsbedingt haben und damit Erektionsstörungen."

    Ob gar nichts mehr geht oder doch noch bisschen - sagt die Urologin und Andrologin Dr. Christina Grund - das hängt unter anderem von der Operationsmethode ab. Ist der Tumor klein und wenig aggressiv, versuchen Urologen die Prostata nerv- und gefäßerhaltend zu operieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem Patienten zumindest eine Restpotenz bleibt, ist vergleichsweise hoch. Bei einer Totaloperation, wenn der Krebs aggressiv wächst und sich in einem fortgeschrittenerem Stadium befindet, können die Ärzte auf die Nerv- und Gefäßerhaltung keine Rücksicht nehmen und der Erektionsverlust in aller Regel unvermeidbar. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, sind viele Männer nach der Operation impotent und bekommen ohne Hilfsmittel keine Erektion mehr.

    Fachleute schätzen, dass etwa zehn Prozent der bis 40-Jährigen und zwischen 30 und 50 Prozent der über 40-Jährigen an einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Erektilen Dysfunktion leiden - wobei die Prostata-Operation nur eine von mehreren möglichen Ursachen ist. Behandeln - auch diese Zahl ist interessant - lassen sich nur zehn Prozent aller Betroffenen. Impotenz ist ein Tabuthema, obwohl sie das Leben vieler Männer entscheidend verändert.

    "Ja, das stimmt, es ist richtig! Es fehlt was! Es kommt vielleicht auch auf den Partner drauf an, dass der Partner sagt, wenn wir das nicht mehr haben, dann ist es auch nicht mehr so, wie es mal war. Und am Anfang habe ich geglaubt, es geht gar nichts mehr, weil ich auch kein Gefühl mehr hatte."

    Unter Impotenz versteht man die Unfähigkeit eines Mannes, den Beischlaf nicht mehr befriedigend auszuführen. Das klingt einleuchtend, birgt aber auch eine Reihe von Fragen, was denn Impotenz genau ist.

    "Das ist sehr unterschiedlich in der Definition, das ist auch kulturabhängig und wird auch in unterschiedlichen Phasen des Lebens anders interpretiert, aber man geht davon aus, dass es die normale, spontane Erektion ist, die man auf Wunsch haben kann und die eine ausreichende Gliedsteifigkeit hat, um einen Geschlechtsverkehr zu vollziehen."

    Vier Faktoren beeinflussen die Potenz: ein gesundes Nervensystem, das die Erregung auf die Penisnerven überträgt; ein ausreichend hoher Hormonspiegel; eine gesunde Durchblutung; und last but not least spielt die Psyche eine wichtige Rolle. Entsprechend vielfältig können die Ursachen einer Erektilen Dysfunktion sein. Neben den Folgen von Operationen und Bestrahlungen im Kleinen Becken, sind dies manchmal auch Hormonstörungen, etwa wenn Männer zu wenig Testosteron produzieren.

    "Wir haben als weiteren Risikofaktor Patienten mit Gefäßverengungen, das sind Patienten mit Arteriosklerose, sprich Raucher, Herzinfarkt-Patienten, Diabetiker, das ist eine sehr große Gruppe, denen wir auch mit Erektionsstörungen helfen müssen."

    Übergewicht, Bewegungsmangel, Alkohol, Rauchen, Stress, hoher Blutdruck und ein hoher Cholesterinspiegel - viele Faktoren beeinflussen die Potenz. Untersuchung belegen, dass impotente Männer ein höheres Risiko haben, in den kommenden zehn Jahren ein Herzleiden zu entwickeln. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch: Wer sich viel bewegt, nicht raucht, wenig Alkohol trinkt und gesund ernährt, hat ein deutlich geringeres Risiko im Alter eine Erektionsstörung zu bekommen. Unabhängig von der Therapie einer Erektilen Dysfunktion sollte deshalb jeder Mann seine Lebensführung entsprechend ändern. Die Behandlung selbst - hier sind Urologen und Andrologen wichtige Ansprechpartner - hängt ab von der Ursache des Leidens. Vergleichsweise einfach lassen sich Hormonstörungen therapieren, sagt die Kölner Andrologin Dr. Christina Grund.

    "Die Hormonstörung ist eigentlich das komfortabelste, weil man da die Ursache gleich behandelt, indem man das Hormon, das fehlt, ersetzt, oder ein Medikament gibt, das ein Zuviel an Hormonen auch wieder wegnimmt."

    Eine Erektile Dysfunktion als Folge von Operationen und Bestrahlungen der Prostata, des Dickdarms und der Blase dagegen wird häufig mit Medikamenten behandelt.

    "Wenn wir das Nervgefäßbündel durchtrennt haben, können wir durch Medikamente eine Erektion hervorrufen, wenn noch eine gewisse Restaktivität des Nerv-Gefäßbündels vorhanden ist, das heißt, wir geben die Medikamente Viagra, Cialis oder Livitra, die dann zu einer Erektion führen, wenn man diese Tablette einnimmt."

    Beim einen helfen Medikamente, beim anderen nicht - zumindest in der Anfangsphase der Therapie muss der Patient das eine oder andere ausprobieren. Großes Misstrauen sollten die allgegenwärtigen Angebote aus dem Internet hervorrufen. Wo Viagra draufsteht, ist noch lange nicht Viagra drin! Wenn Tabletten nicht helfen, bleibt als weitere Alternative die Spritze.

    "Man macht das so wie bei einem Diabetiker in der Regel, das kann man gut vergleichen, dass man ein Medikament, das zu einer Durchblutungsförderung am Penis führt in den Schwellkörper gespritzt und durch die Verteilung im Schwellkörper kommt es dann zu einer Erektion, sodass der Patient diese Erektion dann auch benutzen kann. Diese Spritze kann manchmal wehtun, das heißt der Patient merkt, wie sich das Medikament im Schwellkörper verteilt, das kann zu Verhärtungen führen und im schlimmsten Fall zu Verkrümmungen des Penis."

    Das klingt unangenehm und gewöhnungsbedürftig, wer diese Variante verträgt, ist mit ihr aber bestens beraten. Als wenig komfortabel bewerten betroffene Männer dagegen die mechanischen Hilfsmittel "Vakuumpumpe" und "Penisprothese". Die Penisprothese führt zu einer kompletten Zerstörung des Schwellkörpers und ist nur als letzte Alternative zu sehen. Grundsätzlich gilt: Jeder Schritt sollte mit dem Arzt besprochen werden. Und natürlich mit der Partnerin beziehungsweise dem Partner, schon dies - sagt Christina Grund - baut Stress und Spannungen ab. Außerdem sei es wichtig, das Thema "Impotenz" aus der Tabuzone zu führen. Erstens ist sie mittlerweile ein gut behandelbares Leiden und zweitens nimmt die Zahl der Betroffenen drastisch zu.

    "Wir machen mehr Krebsoperationen, weil der Prostatakrebs der häufigste Krebs beim Mann ist, da gibt e sicherlich operationsbedingt einen Anstieg. Dann muss man sagen, dass die Herz-Kreislauf-Erkrankung immer noch der Risikofaktor Nummer eins ist für eine nicht operativ bedingte Erektionsstörung, der Diabetes mellitus ist sehr häufig, die Zuckerkrankheit, die Männer werden immer älter und damit haben sie auch die Chance, ihre Erektionsstörung zu erleben."