Freitag, 19. April 2024

Archiv


Melodien erstrahlen in vielen Farben

Edgar Winter nahm 1970 sein Debüt-Album "Entrance" auf - und das wurde direkt zu einem Geniestreich. Richtig bekannt wurde er zwei Jahre später mit den Hitsingles "Frankenstein" und "Free Ride", die musikalisch aber Lichtjahre vom Debüt-Album entfernt waren.

Von Michael Frank | 06.07.2013
    Die Musik von Edgar Winter's erster LP strahlt in vielen Farben. Die Platte heißt "Entrance" und erschien im November 1970. Edgar Winter war damals 23 Jahre alt. Alle Musikstile, die er seit seiner Kindheit aufgesogen hatte, sind in diesen 47 Minuten nahtlos miteinander verschmolzen. Es ist mir bis heute ein Rätsel geblieben, wie selbstverständlich und virtuos man in so jungen Jahren aus all dem ein einheitliches Ganzes machen kann: Elegische Saxophon-Melodien gibt es genauso wie Gospel- und Blues-Ekstase oder Rock-Riffs, Jazz, psychedelische Klangeffekte und Klavierläufe, die an Chopin, erinnern.

    Eine der ersten musikalischen Erinnerungen von Edgar Winter ist, dass er als Kleinkind manchmal auf den Knien seiner Mutter saß, ganz nah an den Tasten, während sie Klavier spielte. Edgar erhielt bald Klavierunterricht. Seit er sieben, acht Jahre alt war, sang er auch im Kirchenchor. Ray Charles war einer seiner ersten musikalischen Helden. Und mit etwa 16 begann sich Edgar für Jazz-Saxophonisten wie Cannonball Adderly, John Coltrane und Charlie Parker zu interessieren. Er fing an, selber Saxophon zu spielen.

    Nicht nur der Gitarrist hatte sein Instrument bei dieser Nummer an ein Wah-Wah-Pedal angeschlossen, auch Edgar Winter benutzte hier das Effektgerät. Damit lag er ziemlich weit vorne, was die Elektrifizierung von Jazz betrifft: Saxophon mit Wah-Wah-Pedal war 1970 alles andere als üblich. Edgar Winter nahm sein Debütalbum in New York auf: Er sang, spielte Alt-Saxophon und Tasteninstrumente, produzierte die Platte und er komponierte fast alle Nummern des Albums - laut Kleingedrucktem zusammen mit seinem Blues-Rock-Bruder Johnny Winter. Unerwartete Wendungen und Einschübe gibt es hier in fast jedem Song.

    Die komplexen Songs auf Entrance wurden von einer kleinen Band eingespielt, von einem Quartett: Edgar Winter konnte drei Überprofis für die Aufnahmen gewinnen: Jimmy Gillen war der Drummer, Gene Kurtz der Bassist und Randal Dolanon der Gitarrist. Neben dem Basis-Quartett waren noch drei Bläser und ein kleines Streicherensemble an den Aufnahmen beteiligt. Deren Parts waren vermutlich von Edgar Winter selber arrangiert worden. Leider ist über die Entstehung des Albums und die exzellenten Begleitmusiker bis heute kaum etwas bekannt geworden.

    Edgar Winters Debüt "Entrance" hat bis heute seine Wirkung - auch bei Musikern, die mit ganz anderer Musik erfolgreich wurden. In einem Onlineforum zwitscherte Sebastian Bach, der ehemalige Sänger der Hardrocker "Skid Row", Anfang 2011, dass er gerade einen Song von "Entrance" höre, und wie begeistert er von der Platte sei.

    Im Revival-Trend der letzten Jahre haben etliche Bands berühmte Alben in Gänze live präsentiert. Edgar Winter sollte sein Debüt "Entrance" ebenfalls einmal live präsentieren. Mindestens einmal. Stolz auf die Platte ist er nämlich bis heute.