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Mendelssohn-Haus Leipzig
Fannys Welt zwischen Musik, Briefen und Suppenlöffeln

Felix Mendelssohn Bartholdy und seine Schwester standen sich sehr nahe. Ihr blieb allerdings als Frau eine Komponisten-Karriere verwehrt. Das Mendelssohn-Haus in Leipzig widmet sich mit einer neuen Dauerausstellung ihrem Leben und Schaffen. Darüberhinaus erinnert das Haus nun auch an seinen Initiator: Kurt Masur.

Von Claus Fischer | 06.11.2017
    Mendelssohns Schwester Fanny Hensel in einer Porträtzeichnung
    Das enge Verhältnis zum Bruder Felix wird auch in der Ausstellung über Fanny Hensel thematisiert. (imago/ United Archives International)
    Fanny Hensels Werkzyklus mit dem Titel "Das Jahr" umfasst die zwölf Monate in Form von stimmungsvollen Piecen für Klavier. Sie bilden den roten Faden für die Besucher beim Rundgang durch die sechs neuen Ausstellungsräume im Leipziger Mendelssohnhaus, die sich eine Etage über der ehemaligen Wohnung des Bruders Felix befinden.
    "Es gibt, glaube ich, in der musikalischen Welt oder auch sonst kaum ein Geschwisterpaar, das in einer so symbiotischen Beziehung gestanden hat", sagt der Leiter des Hauses und Geschäftsführer der Internationalen Mendelssohn-Stiftung Jürgen Ernst.
    Blick in einen Ausstellungsraum mit einem Wandgemälde.
    Die Wohnräume, die Fanny mit ihrem Mann in Berlin bewohnte, sind nicht erhalten - aber sie wurden auf Gemälden dokumentiert. (Deutschlandradio/ Claus Fischer)
    Im Gegensatz zu den Wohnräumen von Felix in Leipzig sind die von Fanny in Berlin, die sie mit ihrem Ehemann, dem Maler Wilhelm Hensel bewohnte, allerdings heute nicht mehr erhalten. Zum Glück wurden sie jedoch auf Gemälden des 19. Jahrhunderts dokumentiert. Und so konnte man sie für die neue Dauerausstellung zum Leben erwecken – als Wandbilder. Besonders eindrücklich: Fannys Gartenhaus mit den großen hohen Fenstern und den zierlichen, weiß gestrichenen Biedermeiermöbeln.
    "Das war ihr musikalischer Hauptwirkungsort", sagt Jürgen Ernst.
    "Kammermusik – und das ist ja ihr Repertoire, das sie komponiert hat - wurde damals in Salons oder im Gartenhaus aufgeführt."
    Fannys Welt: Briefwolken und Suppenlöffel
    Beim Schreiten von Raum zu Raum tauchen die Besucher immer mehr ein in Fannys Welt, können sich zum Beispiel an einem Kaffeetisch mit einer eingebauten Wählscheibe über ihren Bekanntenkreis informieren oder über ihre Garderobe. Das enge Verhältnis zum Bruder Felix wird an einer Wand besonders dokumentiert. Aus einem Himmel voller weißer Wattewolken ragen mehr als 100 ihrer Briefe in Form von Reproduktionen heraus. Museumsleiterin Cornelia Thierbach zeigt einen als Beispiel.
    "Aus dem Oktober 1821. 'Du fehlst einem spät und früh, lieber Sohn', schreibt Fanny an Felix, 'und die Musik will gar nicht rutschen ohne Dich!'"
    Briefe von Fanny Hensel.
    Briefe von Fanny Hensel. (Deutschlandradio/ Claus Fischer)
    Der erwachsene Felix erlaubte seiner Schwester lange nicht, ihre Kompositionen zu veröffentlichen. Da war er wohl dem damaligen patriarchalischen Zeitgeist verhaftet. Auch das erfährt der Besucher beim Studium der Briefwolken. Aber er findet in der neuen Ausstellung auch Exponate aus Fannys Besitz, nämlich sechs silberne Suppenlöffel mit ihrem Monogramm, eine Dauerleihgabe der Staatsbibliothek Berlin. Für die neue Ausstellung ankaufen konnte das Leipziger Mendelssohnhaus zwei originale Bleistiftzeichnungen, die Fannys Ehemann Wilhelm Hensel angefertigt hat. Die eine zeigt ihre beiden Enkelinnen, die andere sie selbst, mit freundlichem Gesicht und dem typischen gewellten Haar. Es ist das letzte Porträt vor ihrem frühen Tod durch einen Schlaganfall, betont Museumsleiterin Cornelia Thierbach.
    "Er konnte ja nicht ahnen, dass seine Frau sterben wird - und das hat er dann nochmal vervielfältigt, um einen Stich anfertigen zu lassen."
    Internationales Kurt-Masur-Institut
    Völlig andere Eindrücke als in der neuen Ausstellung zu Fanny Hensel bekommen die Besucher des Mendelssohn-Hauses auf der gleichen Museumsetage - im neu geschaffenen Kurt-Masur-Institut. Hier wird an den Mann erinnert, ohne den das Haus nach der deutschen Wiedervereinigung womöglich abgerissen worden wäre. Die umfangreiche neue Schau zu Leben und Werk des Dirigenten hatte, so Hausherr Jürgen Ernst, mehrere Vorläufer.
    "Wir haben also Ausstellungen im Gewandhaus gemacht, wir haben eine Ausstellung zu seinem Tod in der Stadt gemacht, es hat auch in Japan Ausstellungen gegeben. Und dann war die Idee vom Oberbürgermeister der Stadt Leipzig Burkhard Jung, dass man dieses segensreiche Wirken dokumentieren muss. Sein größtes Verdienst besteht darin, dass er den Bau des neuen Gewandhauses in Leipzig initiiert und durchgesetzt hat. Und so ist 1981 das international wegen seiner Akustik gelobte Haus entstanden."
    Darüber können sich die Besucher des Kurt-Masur-Instituts an zahlreichen Wandtafeln informieren und zum Beispiel den Briefwechsel Masurs über den Neubau mit den offiziellen politischen Stellen studieren. So wird das Leben des Dirigenten mit seinen Stationen lebendig.
    "New York nimmt natürlich einen großen Raum ein, dann seine Bildungsarbeit. Er hat ja sehr viele Meisterkurse, Workshops gegeben. In Bonn zum Beispiel gibt’s da auch eine große Dirigierklasse. Das kann man hier alles in Bildern sehen."
    Selbstverständlich kann man neben Musik auch die Stimme von Kurt Masur hören, zum Beispiel seinen legendären Aufruf zur Gewaltlosigkeit, der am 9. Oktober 1989, dem Tag der größten Montagsdemonstration in Leipzig, über den Rundfunk verbreitet wurde:
    "Unsere gemeinsame Sorge und Verantwortung haben uns heute zusammengeführt. Wir sind von der Entwicklung in unserer Stadt betroffen und suchen nach einer Lösung. Wir bitten sie dringend um Besonnenheit, damit der friedliche Dialog möglich wird."
    Masurs Nachlass als Anregung für Nachwuchsdirigenten
    Neben den beiden Räumen mit Bildtafeln gibt es einen dritten, in dem man verweilen und sich an einen größeren Tisch setzen kann. Blickfang ist eine Vitrinenwand, in der Gegenstände aus dem Nachlass von Kurt Masur gezeigt werden. Zuständig für die Exponate ist die aus Japan stammende Witwe des Dirigenten Tomoko Masur.
    "Nach und nach müssen wir sorgfältig, was dann hier hereinkommt, auswählen."
    Im Moment kann man unter anderem Schallplatten und CDs aus Masurs Besitz betrachten und auch anhören. In Zukunft sollen sich hier aber auch Nachwuchsmusiker weiterbilden können. Als Grundstock dient die Partitur des "War Requiems" von Benjamin Britten, aus der Kurt Masur jahrzehntelang dirigiert und in die er zahlreiche Angaben und Anmerkungen eingetragen hat. Auf Initiative des Leipziger Lions Clubs wurde von ihr ein Faksimiledruck erstellt, den der Vorsitzende Robert Clemen zur Eröffnung präsentierte. Gedacht ist der Band einerseits, um angehenden Dirigenten ein ein Kompendium zu bieten:
    "Aber eben auch interessierten Laien zu zeigen, wie so ein großer Dirigent wie Kurt Masur sich letztendlich mit der Musik auseinandergesetzt hat und welche Empfehlungen er auch für sich selbst auch damit auf den Weg gegeben hat."
    Das Internationale Kurt-Masur-Institut wird von einer Stiftung getragen, die wiederum an die von Masur gegründete Mendelssohn-Stiftung angeschlossen ist. Das Ideal der Einrichtung bringt die Witwe des Dirigenten Tomoko Masur so auf den Punkt:
    "Alle Menschen sollen vereint sein unter Frieden und Liebe."