Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Mensch, Natur, Technik

Vor zehn Jahren, am 1. Juni 2000, öffnete die Expo in Hannover ihre Tore. Sie stand unter dem Motto "Mensch, Natur und Technik - Eine neue Welt entsteht" und war die erste anerkannte Weltausstellung in Deutschland. Doch die Ausstellung stand von Anfang an unter keinem guten Stern.

Von Mirko Smiljanic | 01.06.2010
    "Herzlich willkommen bei der Expo 2000, ich bin Carola Fischer, was darf ich für Sie tun?"

    Italiener und Franzosen, Russen und Deutsche machten schon beim ersten Anruf Bekanntschaft mit dem Grundton von Deutschlands erster Weltausstellung.


    "Ich kann Sie leider nicht verstehen, wir haben niemanden, der französisch, äh, italienisch spricht,… können Sie vielleicht später noch einmal anrufen?"

    Dabei begann alles ausgesprochen ambitioniert. In den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts bewarb sich Hannover als Austragungsort für die symbolträchtige Expo 2000 und bekam 1990 vom "Bureau International des Expositions" den Zuschlag mit nur einer Stimme Mehrheit vor Toronto. Diese eine Stimme kam von der damals gerade noch existierenden DDR. Die Planer hatten sich viel vorgenommen: Die Expo 2000 sollte eine Weltausstellung neuen Typs sein, keine schlichte Leistungsschau, die wie so häufig auf eine verkappte Tourismusbörse hinauslief. Die "deutsche" Expo sollte vielmehr Visionen für die Zukunft präsentieren und Modelle für das Gleichgewicht von Mensch, Natur und Technik vorstellen. Eine Megashow für Millionen.
    155 Nationen und 27 internationale Organisationen nahmen an der Expo 2000 teil – die USA ließen sich wegen fehlender Sponsorengelder entschuldigen. Trotz der Vielfalt kam die Weltausstellung aber nur schwer auf Touren. Die Stadt sei schuld, sagten die einen:

    "Das Beamtentum ist tonangebend, und die gottgewollte Ordnung hat gewiss in Hannover ihren sichersten Platz.."

    wusste schon 1931 der Schriftsteller Karl-Jakob Hirsch. Es gab Streit zwischen Bund, Land und Stadt um die Aufteilung der Kosten – immerhin hinterließ die Generalkommissarin der Weltausstellung, Birgit Breuel, am Ende ihrer Amtszeit einen Schuldenberg von 1,2 Milliarden Euro, den der Steuerzahler begleichen musste. Außerdem entwickelte die Expo nicht die erhoffte Anziehungskraft: Statt 40 Millionen Besuchern kamen gerade mal 18 Millionen. Und die wurden richtig zur Kasse gebeten: 41 Euro Eintritt zahlte ein Erwachsener, eine Bratwurst schlug mit knapp fünf Euro zu Buche, von den exorbitanten Hotelkosten ganz zu schweigen – erst im Laufe des Sommers wurden die Preise nach und nach gesenkt.
    Immerhin konnte sich das Programm sehen lassen. Ein Themenpark behandelte Fragen zur Zukunft von Arbeit, Energie, Ernährung, Gesundheit und Mobilität. Projekte in aller Welt vernetzten die Expo zu einer im wahrsten Sinne des Wortes "Welt-Ausstellung". Und es gab die individuell gestalteten Pavillons der einzelnen Länder. Deutschland hatte sich gleich einen anderthalb Fußballfelder großen reserviert, um sich als ebenso innovatives, wie kulturelles und umweltbewusstes Land zu empfehlen.
    Klaus Groth, damaliger Geschäftsführer der Trägergesellschaft Deutscher Pavillon.

    "Eines der Kernthemen ist einfach, dass drei Eigentümergruppen diesen Deutschen Pavillon tragen: die Bundesregierung mit vier Ministerien, alle 16 Bundesländer, über 50 Firmen der Wirtschaft, und das ist ein Sack Flöhe hüten, wenn man ein gemeinsames Projekt harmonisch realisieren will…"

    was immerhin in letzter Minute gelang. Nordrhein-Westfalen präsentierte sich mit einem ebenso kleinen wie kostspieligen Beitrag.

    "Wir haben uns schon vor einiger Zeit entschieden, dass Nordrhein-Westfalen im Deutschen Pavillon mit einem Kunstwerk vertreten sein soll, und zwar haben wir uns für die Capri-Batterie von Beuys entschieden, …"

    für die Ilse Brusis, damals NRW-Kultusministerin, 350.000 Euro locker machen musste.
    Was ist eigentlich aus den teilweise spektakulären Pavillons geworden? Der belgische ist heute ein Tonstudio, der portugiesische ein Konzertsaal in Coimbra, der deutsche wird von IT-Unternehmen genutzt. Eine besonders schöne Nachnutzung aber hat die Schweiz hinbekommen: 60 Prozent ihres Pavillons verkaufte sie als Bauholz.