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Menschenrechtsrat
UNO wirft syrischen Konfliktparteien systematische Tötung von Häftlingen vor

Laut Vereinten Nationen werden in syrischen Gefängnissen nicht nur Männer und Frauen, sondern auch Kinder hingerichtet, zu Tode gefoltert oder unter solch "unmenschlichen Lebensbedingungen" festgehalten, dass sie daran zugrunde gingen. Die Regierungsbehörden wüssten von den Vorgängen in den Haftanstalten. Ziel der staatlichen Politik sei es, "die Zivilbevölkerung anzugreifen".

08.02.2016
    Ein Syrer mit Folterspuren auf dem Rücken.
    Ein Syrer mit Folterspuren auf dem Rücken. (AFP / James Lawler Duggan )
    Experten einer vom UNO-Menschenrechtsrat berufenen Ermittlerkommission machen die syrische Regierung und mehrere Rebellengruppen für die Tötung und Folterung zahlreicher Gefangener verantwortlich. Seit Beginn des Syrien-Konflikts vor fast fünf Jahren habe es vor allem in den staatlichen Gefängnissen "Todesfälle in einem massiven Ausmaß" gegeben, erklärte die Kommission. Damit begehe das Regime "Verbrechen gegen die Menschlichkeit".
    621 ehemalige Insassen befragt
    Zehntausende Menschen seien im März 2011 von Sicherheitskräften des Regimes von Präsident Baschar al-Assad verhaftet worden, vor allem Männer und Jugendliche ab 15 Jahren. Für eine Verhaftung reiche der Regierung bereits ein Verdacht, dass jemand mit der Opposition sympathisiere. Tausende seien seitdem bis heute verschwunden. In dem Bericht wird unter anderem der Fall eines 13-jährigen Jungen dokumentiert. Er sei im April 2011 in der Stadt Sayda festgenommen worden - einen Monat später habe man seiner Familie seinen verstümmelten Leichnam zurückgeschickt.
    Für den Bericht befragten die Ermittler 621 ehemalige Insassen. 200 von ihnen waren selbst Zeugen des Todes von Mitgefangenen. Fast alle Überlebenden seien während ihrer Haft Opfer "unvorstellbarer Misshandlungen" geworden, sagte der Kommissionschef Paulo Pinheiro bei der Vorstellung des Berichts in Genf. So seien Zellengenossen totgeprügelt worden oder an Folterwunden und nicht behandelter Erkrankrungen gestorben. "Die Verantwortlichen für diese Verbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden," sagte er. Das müsse Teil einer politischen Lösung für den Syrien-Konflikt sein. "Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit", sagte die frühere Chefanklägerin des Internationalen Jugoslawien-Strafgerichtshofes Carla Del Ponte, die Mitglied der UNO-Kommission ist.
    Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs wurden 260.000 Menschen getötet
    Neben der Tötung von Häftlingen machte die Kommission die syrische Regierung für weitere Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich, darunter Mord, Vergewaltigung, Folter und Verschleppungen.
    Auch den Terrormilizen Islamischer Staat (IS) und Al-Nusra-Front wirft die Kommission Menschenrechtsverstöße vor, so etwa Massenhinrichtungen von Soldaten sowie Exekutionen von Gefangenen nach Todesurteilen durch illegale Gerichte.
    Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs im März 2011 wurden rund 260.000 Menschen getötet. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist auf der Flucht.
    (cvo/tgs)