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Menschenunwürdige Zustände in Griechenland

Der Fluss Evros bildet die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei. Von dort aus gelangen momentan die meisten Flüchtlinge in die EU. Im Aufnahmezentrum Fylakio müssen sie unter unwürdigen Bedingungen hausen, kritisieren Menschenrechtsorganisationen schon lange.

Von Anna Koktsidou | 16.12.2011
    Das metallene Tor wird zur Seite geschoben: Etwa 30 bis 40 vor allem junge Männer und Frauen treten heraus. Sie verlassen das Aufnahmezentrum für illegale Einwanderer Fylakio: Das Gebäude, umzäunt und bewacht, steht mitten im Nirgendwo im Norden der griechischen Region Evros, circa 30 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt, etwa zehn Kilometer von der bulgarischen. Hier haben manche dieser Menschen eine Nacht verbracht, manche Wochen, manche Monate. Guilene aus dem Kongo ist froh, draußen zu sein:

    "Was soll ich sagen? Es ist überhaupt nicht sauber, es ist überhaupt nicht hygienisch. Es gibt soviel Gestank und man kann nicht richtig atmen. Wir mussten aufpassen, dass wir von den Frauen getrennt bleiben. "

    Die Zustände in den griechischen Flüchtlingslagern werden von allen Seiten kritisiert. Menschenunwürdig sei das, so Thanassis Spyratos. Er war für Ärzte ohne Grenzen vor Ort:

    "In Fylakio, aber nicht nur dort, in den anderen Aufnahmezentren ist es ähnlich, sind die Hygieneeinrichtungen mangelhaft. Die Toiletten sind oft verstopft. Die Räume werden nicht häufig gereinigt. Die Polizei gibt den Flüchtlingen ungern Putzmittel, weil sie Angst vor Selbstmordversuchen hat, oder davor, dass sie die Putzmittel für Gewalttaten benutzen. Die Zellen sind überfüllt, eineinhalb- bis zweimal soviel Menschen sind darin untergebracht. In manchen Betten schlafen sie zu zweit. Es gibt keine Decken, sie benutzen die Schlafsäcke, die wir verteilen. Andere haben keine Kleidung zum Wechseln, weil sie beim Überqueren des Flusses alles verlieren und völlig verschmutzt ankommen, ohne Wäsche ohne Schuhe. "

    Der Fluss - das ist der Evros, der der Region auch den Namen gibt. Er bildet die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei. Von dort aus gelangen momentan die meisten Flüchtlinge in die EU. Über 50.000 waren es bereits in diesem Jahr. Sie wurden immer mehr, je besser andere Routen überwacht wurden - wie die über Spanien oder den griechischen Inseln vor der Türkei.

    Den griechischen Behörden ist die Situation bewusst. Doch geschehen ist bislang wenig. Angesichts der großen Zahl an Flüchtlingen sei man nicht in der Lage, anders zu handeln: Jorgos Salamangas, einer der zuständigen Polizeichefs von Evros:

    "Wenn das Problem so groß ist, wenn es so eine große Zahl an Menschen ist, dann geht es zu Lasten der Unterbringung. "

    Es fehlt an Geld, es fehlt aber auch am nötigen Bewusstsein. Mittel, die die EU bereit gestellt hat wurden nicht abgerufen. Das Chaos betrifft aber nicht nur Grenzregionen wie den Evros, so Thanssis Spyratos. Denn die Flüchtlinge wanderten weiter:

    "Es geht nicht nur um die Situation in Evros. Was passiert danach, wenn sie die Region verlassen? Durch das Dublin-II-Abkommen müssen alle in Griechenland bleiben. Aber sie finden hier keine Jobs. Das Problem staut sich in Athen auf. Doch was soll mit diesen Menschen geschehen? Europa muss sich der Verantwortung stellen - und beispielsweise auch einen Teil von ihnen aufnehmen."

    Doch Europa schaut bislang lieber weg. Stattdessen baut sie FRONTEX aus, die europäische Grenzschutzagentur, die auch in Griechenland aktiv ist. Das führt aber nur dazu, dass die Flüchtlinge sich neue Wege suchen. Offenbar ist das, was sie hinter sich lassen, so schlimm, dass sie keine Angst vor dem Neuen haben. Im Gegenteil - sie sind voller Hoffnung - auf Arbeit, Frieden, Menschenwürde - so wie Guilene:

    "Ich bin aus dem Kongo weg, weil mein Land zu sehr leidet. Mit dem aktuellen Präsidenten leiden alle. Deswegen sind wir nach Europa. Hier werden wir besser leben als bei uns. "