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Menschliches Leben aus der Petrischale

Der heute 85-jährige Brite Robert Edwards hat wohl vielen verzweifelten Paaren einen Herzenswunsch erfüllt. Seiner Entwicklung der künstlichen Befruchtung verdanken immerhin etwa vier Millionen Menschen ihre Existenz.

Von Klaus Herbst | 04.10.2010
    "Es ist eine große Ehre, der Vater dieser ganzen Arbeit zu sein. Ich habe meinen Lehrern der Genetik in Edinburgh sehr viel zu verdanken. Als ich mich der Embryologischen Genetik zuwandte, war diese Disziplin überhaupt nicht populär; auf der ganzen Welt gab es nur eine Handvoll Spezialisten auf dem Gebiet. Das entwickelte sich langsam aber sicher zu meiner Leidenschaft. Der Blick auf Eizellen, auf Chromosome und das Arbeiten im Reagenzglas faszinierte mich, und ich richtete meinen Blick auf klinische Anwendungen. Ich war erstaunt, welch ein großes Problem Unfruchtbarkeit weltweit war. Es begann ein Programm intensiver Arbeit, das schließlich zum menschlichen Embryo führte",

    sagte vor acht Jahren der britische Biologieprofessor Robert Edwards. In feinem Oberschicht-Englisch - Cambridge-Englisch eben - aber schon mit leicht zittriger Stimme erinnert er sich an seine Laufbahn. Er denkt an seine gediegene Ausbildung bei schottischen Genetikern, denen er dankt. Er unterstreicht sein Interesse an der Genetik und über das, was ihm später zur Leidenschaft wurde: die Genetik des Embryos. Zusammen mit dem Gynäkologen Patrick Steptoe entwickelte er die In-Vitro-Fertilisation. Nach Gymnasium und Armee studierte er nach dem Krieg in Wales und in den 50er-Jahren in Edinburgh. Er studierte auch an US-amerikanischen Elite-Universitäten – bis er schließlich nach Cambridge kam. In Großbritannien hatte er Genetik gelernt, in den U.S.A. muss ein lockerer, herzlicher Umgang mit Kollegen und mit Patienten hinzugekommen sein. Eine deutsche Schülerin erinnert sich – die Reproduktionsmedizinerin Professor Lieselotte Mettler von der Universität Kiel:

    "Ein lebenslustiger Forscher, der keine Zeiten oder Stunden kannte und der immer am Lesen, am Studieren war und der Prognosen gemacht hat in der medizinischen Entwicklung, die durchaus richtig sind, wie die gesamte Stammzelltheorie, Stammzelltherapie; davon hat er schon vor 30 Jahren gesprochen. – Ein wunderbarer Lehrer, Mensch und Wissenschaftler."

    Edwards britischer Weggefährte Patrick Steptoe starb schon 1988. Für Robert Edwards kam der Nobelpreis sehr spät. Er kann sich nicht mehr über ihn freuen. Sein Gesundheitszustand spiele schon seit Monaten nicht mehr mit, sagt Thomas Matthews, der Medizinische Direktor der Klinik Bourne Hall, hat lange mit ihm zusammengearbeitet.

    "Bob Edwards und Patrick Steptoe waren Pioniere der Befruchtung im Reagenzglas. Seine Leistung ist einzigartig. Trotzdem ist er auf dem Boden geblieben. Sehr beeindruckt hat mich seine Detailfreude und dass er für alle Kolleginnen und Kollegen, die mit ihm sprechen wollten, Zeit fand. Auch mit den Patienten beschäftigte er sich intensiv. Über jede Geburt war er beigeistert. Millionen Menschen verdanken diesem besonderen Mann ihre Existenz. Leider geht es ihm im Moment nicht gut. Ich glaube nicht, dass er es wirklich verstehen wird, dass er diesen Preis gewonnen hat, aber er wäre begeistert."

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