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Merkel bei Trump
"Sie wird nicht belehrend auftreten"

US-Präsident Donald Trump will die amerikanische Wirtschaft abschotten. Ein Fehler, meint Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Union. Er zeigte sich im DLF zuversichtlich, dass Trump bei Angela Merkels Besuch davon überzeugt werden könne, dass gute Handelsbeziehungen wichtig für die USA seien.

Jürgen Hardt im Gespräch mit Ute Meyer | 17.03.2017
    Die Kombo zeigt den neuen US-Präsidenten Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel
    US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel (dpa-Bildfunk / AP /Alex Brandon / Rainer Jensen)
    "Sie wird die Industrievertreter vortragen lassen, welche Vorteile diese Industrievertreter für Produktionen in den USA sehen und was sie möglicherweise anders und besser machen als amerikanische Konkurrenzunternehmen," meint Hardt. So werde dem amerikanischen Präsidenten vor Augen geführt, dass Amerika durchaus ein interessanter und attraktiver Standort sei.
    Hardt hofft weiter, dass die Diskussion über den freien Handel nicht gerichtlich geklärt werden muss. "Ich glaube tatsächlich, wie Frau Zypries das ja gesagt hat, dass das, was sie an Einfuhrzöllen überlegen, nicht konform wäre mit den Regelungen der Welthandelsorganisation, was dann bedeuten würde, dass wir im Zweifel vor Gerichten Recht bekämen, was wiederum die amerikanische Regierung anstiften könnte zu sagen, dann kündigen wir eben diese Abkommen," so Hardt. "Da vertraue ich allerdings darauf, dass der Kongress, der natürlich weiß, dass diese Handelsabkommen auch für Amerika von großem Nutzen sind, sich dazwischenwerfen würde. Dieses Spiel wird im Zweifel am Ende des Tages gut ausgehen, aber es wäre schon schön, wenn wir es insgesamt vermeiden könnten."
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt blickt am 10.09.2015 im Bundestag in Berlin in die Kamera des Fotografen. Hardt ist der neue außenpolitische Sprecher der Union im Bundestag.
    Jürgen Hardt. (dpa / Kay Nietfeld )

    Das Interview in voller Länge:
    Ute Meyer: Angela Merkel wird bei ihrem Besuch in Washington begleitet von einer großen Wirtschaftsdelegation und den Chefs der größten Industrieunternehmen Deutschlands. Das allein macht deutlich, dass die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und Deutschland beziehungsweise Europa ein sehr wichtiges Thema sein werden. Trump hatte Deutschland mit Strafzöllen gedroht, da die Deutschen viel mehr Autos in die USA importieren als die USA nach Deutschland. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries sagte heute Morgen dazu im Deutschlandfunk:
    Brigitte Zypries: "Die andere Möglichkeit ist einfach, wir verklagen ihn bei der WTO. In den Vereinbarungen ist eindeutig festgeschrieben, dass Sie nicht mehr als 2,5 Prozent Steuern nehmen dürfen auf die Einfuhr von Autos. – Ich setze ein Stück weit auf die Vernunft und ich setze auch auf die Gerichte. Ich meine, das wäre nicht das erste Mal, dass Herr Trump vor den Gerichten dann scheitert."
    Meyer: Eine Klage bei der Welthandelsorganisation, damit droht die Bundeswirtschaftsministerin hier indirekt. – Über die heikle Mission von Angela Merkel in Washington möchte ich sprechen mit Jürgen Hardt. Er ist außenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag und Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit. Schönen guten Tag, Herr Hardt.
    Jürgen Hardt: Guten Tag, Frau Meyer.
    "Trump analysiert die Probleme der amerikanischen Wirtschaft falsch"
    Meyer: Herr Hardt, wie wahrscheinlich ist es denn, dass die Bundesregierung diese Drohung, nämlich Klage gegen die USA vor der Welthandelsorganisation, wahr machen muss?
    Hardt: Ich glaube, Gespräche auf höchster Ebene sind ja gerade ein Mittel zu vermeiden, dass man sich vor Gericht sieht. Denn wenn es dazu käme, würde natürlich viel Porzellan zerschlagen, überflüssiger und unnötiger Weise. Wenn ich mir die Argumentation der Amerikaner in den letzten Wochen vor Augen führe, habe ich schon das Gefühl, dass ein Grundfehler dem zugrunde liegt, nämlich die falsche Analyse der Probleme, die die amerikanische Wirtschaft hat. Trump neigt dazu, die Probleme im Ausland zu sehen und die Verantwortung dafür dem Ausland zuzuschieben. In Wirklichkeit ist natürlich Amerika im Wesentlichen selbst Verantwortlich dafür, dass zum Beispiel durch fehlende Bildungsanstrengungen und vielleicht auch durch zu wenig Wettbewerb und Wettbewerbsdruck auf die Industrie in einigen Produktionsbereichen Amerika zurückgefallen ist. Wenn Amerika sich nicht löst von dieser falschen Analyse, das Ausland sei schuld an der wirtschaftlichen Misere, bekommen wir muntere Diskussionen. Wenn es umgekehrt aber gelingt, dass Amerika erkennt, dass sie selbst natürlich eine ganze Menge aus eigener Kraft machen müssen, dann werden wir auch diese Handelsdiskussion gut beenden.
    "Sie wird die Industrieverteter vortragen lassen"
    Meyer: Muss ich mir das dann so vorstellen, dass Angela Merkel bei ihrem Gespräch mit Donald Trump ihm erklärt, was die US-Wirtschaft selber falsch macht und dass er erst mal vor seiner eigenen Haustüre kehren muss?
    Hardt: Ich glaube, ihre Strategie ist eine andere. Sie wird nicht belehrend auftreten gegenüber dem Präsidenten, das funktioniert im Zweifel auch nicht, sondern sie wird zum Beispiel die Industrievertreter, die sie mit hat und die heute beim Mittagessen dabei sein werden, vortragen lassen, welche Vorteile diese Industrievertreter für Produktionen in den USA sehen und was sie möglicherweise anders und besser machen als amerikanische Konkurrenzunternehmen, um auf diese Weise dem amerikanischen Präsidenten vor Augen zu führen, dass Amerika durchaus ein interessanter und attraktiver Standort ist, auch vielleicht als größter Markt der Welt, was die Nachfragekraft angeht. Ich glaube, das wird besser funktionieren. Und es ist mit Verlaub in Amerika auch so: Mehr als die Stimme von Verbandspräsidenten und Politikern wirken die Stimmen derer, die konkrete Investitionsentscheidungen treffen, und das sind ja BMW, Siemens, Mercedes, Schaeffler, andere Firmen, die im großen Stil in Amerika Jahr für Jahr investieren. Und die neue UN-Botschafterin, die Trump benannt hat, Frau Haley, hat als Gouverneurin von South Carolina immer Beifall geklatscht, wenn deutsche Unternehmen neue Fabrikteile eröffnet haben. Von daher ist eigentlich ein guter Boden gelegt.
    Meyer: Es wird auf Aufklärung gesetzt und Erklärung. Bisher hat Trump allerdings alles, was er angekündigt hat, auch umgesetzt oder zumindest versucht, es umzusetzen. Warum sollte er das diesmal nicht machen?
    Hardt: Ich glaube tatsächlich, wie Frau Zypries das ja gesagt hat, dass das, was sie an Einfuhrzöllen überlegen, nicht konform wäre mit den Regelungen der Welthandelsorganisation, was dann bedeuten würde, dass wir im Zweifel vor Gerichten Recht bekämen, was wiederum die amerikanische Regierung anstiften könnte zu sagen, dann kündigen wir eben diese Abkommen. Da vertraue ich allerdings darauf, dass der Kongress, der natürlich weiß, dass diese Handelsabkommen auch für Amerika von großem Nutzen sind, sich dazwischenwerfen würde. Dieses Spiel wird im Zweifel am Ende des Tages gut ausgehen, aber es wäre schon schön, wenn wir es insgesamt vermeiden könnten.
    "Wir setzen uns nicht durch Preisdumping durch"
    Meyer: Die USA muss einsehen, dass sie auch mit Anteil hat an diesem Handelsungleichgewicht. Aber muss Deutschland nicht auch etwas einsehen? Es gibt ja nicht nur seit Trump immer wieder Kritik an den Exportüberschüssen. Deutschland investiert nicht, importiert zu wenig, exportiert zu viel. Diese Kritik ist doch berechtigt.
    Hardt: Zunächst einmal haben die Amerikaner ein höheres Durchschnittseinkommen als die Europäer und sie wollen sich auch mehr leisten als die Europäer. Und wenn man sich mehr leisten will, ohne entsprechend viel und hart dafür zu arbeiten, was man nicht braucht, wenn man wohlhabend ist, dann muss man Waren aus dem Ausland importieren. In erster Linie ist dieses Außenhandelsdefizit, was die Amerikaner aufzeichnen, ein Ausdruck des enormen Wohlstands in dem Land, der - zumindest was den Durchschnitt der Bevölkerung angeht - deutlich über dem liegt, was in Europa der Fall ist.
    Zum zweiten sind es souveräne Kundenentscheidungen. Es ist ja nicht wahr, dass wir durch Preisdumping uns auf dem amerikanischen Markt durchsetzen. Wenn Sie in die Straßen New Yorks gucken, wie viele Siebener-BMWs fahren dort herum, das sind mehr als hier bei uns in München oder in Frankfurt oder in Berlin, und das sind jeweils immer die teuersten Autos ihrer Klasse. Das entscheiden die Kunden dieser Autos aus freien Stücken, dass sie diese Wagen fahren wollen. Will der amerikanische Präsident seinen Bürgern vorschreiben, welche Waren sie zu kaufen haben? Das ist doch eigentlich ziemlich unamerikanisch und sollte deswegen auch in Amerika auf Widerstand treffen.
    "Die USA müssen sich dem Wettbewerb mit dem Ausland öffnen"
    Meyer: Aber dennoch: Wirtschaftsministerin Zypries klang heute Morgen ein bisschen selbstkritischer als Sie jetzt. Sie hat eingeräumt, es sei schon ein Problem, dieser Exportüberschuss, und Deutschland müsse mehr investieren. Wie sehen Sie das?
    Hardt: Erstens mal haben wir in Deutschland die Investitionstätigkeit ja massiv belebt, wenn Sie zum Beispiel an den Fernstraßenbau und den Eisenbahnbau und die Mittel, die wir für die Verkehrswege zur Verfügung stellen, denken. Wir haben auch in Deutschland vernünftige Lohnabschlüsse, so dass die Menschen auch mehr in der Tasche haben. Das trifft ja glücklicherweise mittlerweile selbst Rentner. Eine Politik des Abbaus von solchen Handelsdefiziten kann ja nicht in staatlichen Eingriffen in die souveräne Konsumentenentscheidung bestehen und wir können ja nicht unseren Bürgern befehlen, amerikanische Waren zu kaufen, oder amerikanischen Bürgern verbieten, deutsche oder europäische Waren zu kaufen. Das passt nicht in das 21. Jahrhundert.
    Was Amerika leisten muss ist, dass es sich öffnet für den Wettbewerb mit dem Ausland, dass ihre Automobilindustrie zum Beispiel ebenso gute Autos und preisgünstige Autos baut, wie das die Japaner und die Europäer tun. Die Amerikaner haben in den 70er- und 80er-Jahren mit Protektionismus sich abgeschottet gegen japanische Autos; das haben wir in Europa nicht getan mit dem Ergebnis, dass unsere Golfs und Astras und Fiestas entsprechend besser sind als die vergleichbaren amerikanischen Produkte, weil sie durch den Konkurrenzdruck auch besser und wettbewerbsfähiger geworden sind.
    Das ist die Crux, dass man in Amerika glaubt, man könnte durch "buy american" und Abschottung nach außen die Wirtschaft retten, und in Wirklichkeit erreicht man genau das Gegenteil. In Amerika gibt es ganz viele, die das auch so sehen. Ich glaube zum Beispiel, dass der neue Handelsminister Ross das so sieht. Ich bezweifele allerdings, dass bei Herrn Navarro, dem Handelsberater des Präsidenten, diese Erkenntnis schon durchgedrungen ist.
    "Merkel wird ihm mit offenem Ohr und wachem Sinn entgegentreten"
    Meyer: So viel zu den Argumenten in der Sache. Kommen wir vielleicht noch mal zur Strategie beziehungsweise zur Atmosphäre des Gesprächs. Kurz vor ihrem US-Besuch hat Angela Merkel ja noch mit dem chinesischen Staatschef telefoniert, Gemeinsamkeiten betont und zusammen mit ihm vor Protektionismus gewarnt. Das dürfte Herrn Trump doch nicht so gut gefallen, oder?
    Hardt: Der chinesische Präsident hat ja bereits in Davos auf dem Weltwirtschaftsforum vor einigen Wochen vorgetragen, er sei für freien Welthandel und gegen Protektionismus, in einer Zeit, als der amerikanische Präsident sein Land mit Protektionismus vor Wettbewerb schützen wollte. Das ist schon eine etwas verkehrte Welt. Und dass das durch dieses Telefonat ein Stück weit auch wieder offensichtlich wird, ist, glaube ich, nicht schädlich. Ich glaube allerdings, dass die Kanzlerin dem amerikanischen Präsidenten mit offenem Ohr und wachem Sinn entgegentreten wird, dass sie nicht versuchen wird, ihn zu belehren, sondern dass sie ihn einnehmen wird und gewinnen wird für eine kooperative Herangehensweise auch an diese strittigen Handelsfragen.
    Und es werden ja weitere Gespräche zwischen den beiden folgen, vermutlich am Rande eines NATO-Gipfels in Brüssel, vermutlich am Rande des G7-Gipfels in Sizilien, und am 7. Juli erwarten wir den amerikanischen Präsidenten ja zu Besuch in Hamburg beim G20-Gipfel. Also der Auftakt einer langen Reihe von Gesprächen, sicherlich auch Telefonaten dazwischen, wo ich schon glaube, dass die Vernunft sich eines Tages durchsetzen wird.
    Meyer: Danke schön! – Jürgen Hardt war das, außenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag und Koordinator für transatlantische Beziehungen im Auswärtigen Amt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.