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Merkel-Macron
Treffen mit einem angeschlagenen Präsidenten

Angela Merkel will mit Emmanuel Macron in Marseille über weitere Schritte in der Migrationspolitik beraten. Nicht nur für die Bundeskanzlerin, auch für den französischen Präsidenten wäre ein Fortschritt ungeheuer wichtig. Denn zu Hause in Frankreich läuft es alles andere als rund.

Von Marcel Wagner | 07.09.2018
    Merkel und Macron gehen an den Flaggen der Mitgliedsstaaten vorüber
    Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Macron bei der Ankunft auf einem EU-Gipfel - gemeinsam wollen sie eine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage finden. (AFP/Ludovic Marin)
    Der August war ein heißer Monat, besonders im Süden von Frankreich. Dort, im präsidialen Feriensitz im Fort von Brégancon, hatte Emmanuel Macron versucht, wenigstens zwei, drei Wochen auszuspannen. Die Affäre um einen seiner engsten Sicherheitsmitarbeiter, der als Polizist verkleidet auf einen Demonstranten eingeprügelt hatte, hatte den Sommerauftakt bereits eiskalt verhagelt. Doch irgendwie schien das Pech dem Präsidenten sogar bis an die Mittelmeerküste hinterhergereist zu sein.
    Ein Präsident, der sich über die Regeln setzt?
    Ein Foto, Macron, braungebrannt auf einem Jetski inmitten der Wellen, das sollte eigentlich zeigen: Ich bin ganz locker, die Affäre ist überwunden! Dumm nur, dass es ausgerechnet in einer Meeresschutzzone entstanden war, in der Jetskis eigentlich verboten sind. Hängen blieb also auch: an die Regeln für jedermann fühlt sich der Präsident offenbar mal wieder nicht gebunden. Keine Frage: Das Image des Shooting-Stars, dem offenbar jede Aktion auf Anhieb gelingt, es ist schon länger angekratzt. Und die Liste der Probleme scheint immer länger zu werden für Emmanuel Macron: Kaum wieder in Paris, verkündeten die Statistiker, dass das Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr in Frankreich gerade mal bei 0,4 Prozent gelegen hat.
    Die erwarteten zwei Prozent für das ganze Jahr rücken damit in weite Ferne. Um die Haushaltsziele zu erreichen, müssen womöglich deutlich mehr unpopuläre Einsparungen her. Dann die nächste Hiobsbotschaft: Der beliebte Umweltminister Nicolas Hulot schmeißt aus Heiterem Himmel hin - via Radiointerview, mit deutlichen Worten:
    "Haben wir angefangen, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren? Nein! Haben wir angefangen, etwas gegen den Verfall der Artenvielfalt zu machen? Nein! Haben wir angefangen, etwas gegen die Bodenerosion zu machen? Die Antwort ist nein!"
    Schlechtere Umfragewerte als Hollande
    Die grünen Wähler, denen Macron eine ökologische Wende versprochen hatte, dürften sich durch solche Worte geprellt fühlen. Im eher linken Lager gilt Macron wegen seiner Reformpolitik ohnehin als Präsident der Reichen. Die Quittung: Das Meinungsforschungsinstitut IFOP maß zuletzt gerade noch einunddreißig Prozent Zustimmung, noch weniger als bei Macrons chronisch unbeliebten Vorgänger Francois Hollande zum gleichen Zeitpunkt von dessen Amtszeit. IFOP-Umfragechef Jerome Fourquet sah daher durchaus Grund zur Sorge:
    "Selbst ein Drittel seiner ursprünglichen Wähler sind jetzt unzufrieden. Nach dieser Umfrage sollten im Élysée-Palast die Alarmglocken läuten!" Macron war daher offenbar deutlich gewillt, bei seinen Reformen Entschlossenheit zu signalisieren:"Das kommende Halbjahr wird weder ruhiger, noch müßiger als das letzte. Wir müssen durchhalten, erklären und unseren Kampf weiterführen", gab er seinen Ministern bei der ersten großen Kabinettssitzung nach der Sommerpause am Mittwoch mit auf den Weg.
    Gemeinsam mit Kanzlerin Merkel bei der Migrationspolitik in Europa einen Durchbruch zu schaffen würde da natürlich kräftig Rückenwind geben. Wie genau das gelingen soll ist noch unklar. Das Arbeitstreffen in Marseille soll für Macron also ein kleiner Schritt sein, um endlich auf die Siegerstraße zurückzukehren.