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Messtechnik
Pumpe für Elektronen erlaubt Neudefinition des Ampere

Kilogramm, Kelvin, Ampere – das sind die Einheiten von Masse, Temperatur und Stromstärke. Bei der Internationalen Generalkonferenz für Maß und Gewicht in Paris sollen sie neu definiert werden. Ein historischer Umbruch, an dem auch Experten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig beteiligt sind.

Von Frank Grotelüschen | 09.11.2018
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    In diesem Labor an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt PTB in Braunschweig haben Wissenschaftler die Grundlagen für die Neudefinition des Ampère gelegt. (Frank Grotelüschen / Deutschlandfunk)
    In einem Gebäude der PTB in Braunschweig steuert Hansjörg Scherer eine Tür an, die ins Auge fällt: wuchtig wie bei einem Tresor, davor hängt eine rotweiße Absperr-Kette mit einem Warnschild. "Measurement" steht drauf, also Messung.
    "Damit wir da nicht reingehen. In diesem Labor werden gerade ganz empfindliche Experimente gemacht im Bereich Einzelelektronen-Transport. Die Experimente sind so empfindlich, dass wenn man an der Tür wackelt, dass dann schon was Schlimmes passiert. Deswegen dürfen wir da auf keinen Fall rein."
    Die Messtechnik ist extrem empfindlich
    Ein Ruck am Türgriff würde, sagt Scherer, die Sensoren so stark stören, dass die Messung für die Katz wäre. In einem anderen Labor, in dem ganz ähnliche Messungen laufen, ist gerade Pause. Scherer geht hinein – und betritt ein Reich voller Elektronikschränke.
    "Das ist nicht einfach ein Raum, sondern ein Faraday-Käfig, d.h. ein geschlossenes Metallgebilde. Die Tür ist elektrisch so dicht nach außen, dass Sie garantiert kein Handyempfang mehr hätten. Es geht darum, dass überhaupt keine Störstrahlung in die Labors reinkommt. Radiowellen, alles sowas, muss draußen gehalten werden."
    Dazu das Kühlsystem mit Flüssighelium, innerhalb einer Messzelle erzeugt es Temperaturen knapp oberhalb des absoluten Nullpunkts. Der Aufwand dient nur einem Zweck: Hansjörg Scherer und seine Leute versuchen, elektrische Größen so präzise wie möglich zu messen – Widerstände, Spannungen, Stromstärken.
    Das Ziel: Eine Neudefinition der Basiseinheit für Stromstärke
    Unter anderem geht es den Experten um die Neudefinition des Ampere, der Einheit der Stromstärke. Seit 1948 ist es definiert als jener Strom, der eine bestimmte Kraft zwischen zwei parallelen, unendlich langen Drähten bewirkt – eine eher schwer umzusetzende Vorschrift. In der kommenden Woche aber wird die Internationale Generalkonferenz für Maß und Gewicht in Paris beschließen, das Ampere auf ein neues, solideres Fundament zu stellen, basierend auf zwei Naturkonstanten – der Elementarladung des Elektrons sowie der Planck-Konstante, eine zentrale Größe der Quantenphysik. Und Hansjörg Scherer und seine Kollegen arbeiten an einer Methode, mit der sich diese neue Definition direkt in die Realität umsetzen lässt.
    "Das ist ein nanoelektronisches Bauelement, also eine extrem klein strukturierte Schaltung, wie man sie nur mit modernsten technologischen Mitteln machen kann. Man definiert eine ganz dünne Leiterbahn, legt darüber zwei Gatter-Elektroden in engem Abstand und quetscht unter diesen beiden Gattern die Elektronen weg."
    Quanteneffekte ermöglichen ultrapräzise Messungen
    Bildlich gesprochen gehen die winzigen Gatter so schnell auf und zu, dass immer nur ein Elektron durch sie hindurchflutscht. Einzel-Elektronen-Pumpe, so heißt das Verfahren – eine Art Zählmaschine für Elektronen. Vereinfacht gesagt funktioniert sie wie ein Spender für Süßstoffpillen. Bei jedem Knopfdruck wird aus dem Vorratsbehälter eine einzelne Pille freigesetzt – beim Nanoschaltkreis sind es statt Süßstoffpillen einzelne Elektronen. Perfekt läuft das allerdings nicht – ab und zu schlüpfen zwei Elektronen gleichzeitig durchs Gatter, oder auch keins. Um diese Fehler auszugleichen, haben die Forscher eine ausgefeilte Fehlerkorrektur entwickelt. Dank ihr funktioniert die Nanopumpe mittlerweile bis auf ein Zehnmillionstel genau. Dadurch kommen Scherer und seine Leute ihrem Ziel allmählich näher:
    "Diese Einzel-Elektronen-Pumpen sind natürlich eine sehr elegante Möglichkeit, in Zukunft das Ampere gemäß dieser Vorgabe, Elektronen werden pro Sekunde durch den Leiter bewegt, zu realisieren."
    Aber: Bis das möglich ist, werden die PTB-Experten die Nanopumpe noch verfeinern und die Genauigkeit ein Stück hochschrauben müssen.