Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Messung über dem Kraftwerksschlot

Klimaforschung. – Erdbeobachtungssatelliten wie der europäische Envisat liefern kontinuierlich Messdaten zum Beispiel über den Zustand der Atmosphäre. Doch ihre räumliche Auflösung ist recht gering. Aussagen über kleine Gebiete, Moore oder Kraftwerke, kann man aus dem All nicht machen. Aber nun haben zwei Forscher ein Messgerät gebaut, dass nach dem Vorbild des Envisat-Spektrometers funktioniert, aber in ein kleines Sportflugzeug passt.

Von Gerhard Richter | 19.11.2007
    "Schaffst es, jaja, ooohhh, gott o gott o gott."

    Konstantin Gerilowski und Andreas Tretner heben ihr selbstgebautes Spektrometer in eine Cessna. Das Messgerät – 120 Kilo schwer und so groß wie eine Waschmaschine passt grade so durch die Tür des Sportflugzeugs. Hier im Hangar des Tempelhofer Flughafens in Berlin bereiten die beiden Wissenschaftler die Testflüge vor. Aus der Luft können die beiden Forscher Methan und CO2 auf einer Fläche von 50 mal 50 Metern messen. Tretner:

    "Wir versuchen hier im Prinzip eine große Lücke zu schließen. Die Lücke zwischen diesen kleinen Punktmessungen, diesen Bodenmessungen, die sehr kleinräumig sind und diesen Satellitenmessungen, die sehr großräumig sind."

    Dieses Gerät ist an der Uni Bremen von Konstantin Gerilowski gebaut worden. Der Diplom Physiker im blauen Kapuzenpulli kriecht in den engen Rumpf und bugsiert das Messgerät mit den zwei Spektrallinsen unten dran über eine durchsichtige Glasplatte am Boden des Flugzeugs. Sein Kollege, der 35jährige Mineraloge Dr. Andreas Tretner vom Geoforschungszentrum Potsdam schraubt zwei Lichtsensoren außen an die Flugzeugtür und zieht Glasfaserkabel nach innen zum Bordrechner. Tretner:

    "Das sieht aus wie ein Duschschlauch, ist aber sehr empfindlich."

    Das Licht über und unter dem Flugzeug wird gemessen und verglichen. Winzige Unterschiede im Lichtspektrum verraten das CO2 und Methan. Gerilowski:

    "Das Sonnenlicht geht durch die Atmosphäre durch, wird vom Boden reflektiert und wird dann vom Messgerät im Flugzeug gemessen."

    Auf dem Weg durch die Atmosphäre wird das Licht von den Gasen in der Atmosphäre absorbiert. Und zwar: Jedes Gas hat so eine Art Fingerabdruck, das nennt man das sogenannte Spektrum, was zu jedem Gas exakt zugeordnet werden kann. Anhand dieser Spektren kann man die Konzentration des Gases berechnen. Das große Tor des Hangars öffnet sich für den ersten Testflug. Konstantin Gerilowski setzt sich neben den Piloten und nimmt das Notebook auf den Schoß. Ziel der Flüge sind die Kraftwerke und alten Tagebaue bei Cottbus oder Feuchtmoore in der Peenemündung bei Greifswald. Alles Orte mit erhöhter Methan- und Kohlendioxid-Emmission. Tretner:

    "Wir wollen ja wissen, wie hoch ist die Konzentration, die wir haben in der Luft. Die wir zwischen Erdoberfläche und Flugzeug haben. Und bislang messen wir nur relative Änderungen. Und das bedeutet, wir wissen, was ist die Hintergrundkonzentration von Methan und CO2. Und über einem Kraftwerk oder einem Methanemmissionsgebiet geht die Konzentration beider Gase dann nach oben. Wie viel die jetzt nach oben geht, wissen wir nicht. Wir wissen nur es ist relativ, es geht nach oben. Und das zu quantifizieren, also zu sagen: OK, wir haben hier die und die Konzentration in der Luft, das ist das Ziel!"

    Für einen letzten Test fährt Andreas Tretner mit dem Auto auf ein freies Feld in der Nähe von Potsdam. Aus einer grauen Methangasflasche im Kofferraum lässt er Gas entweichen, während die Cessna immer wieder darüber fliegt. Für das Auge ist das Gas unsichtbar, aber für das Spektrometer ist die Methanfahne im Wind ein deutlicher Schatten. Tretner:

    "Es geht darum diese Algorithmen für die Auswertung von Methan besser in den Griff zu kriegen."

    Solche Daten sind im Moment sehr begehrt bei Klimaforschern, als Grundlage für die Modellrechnungen. Und da gibt es sehr viele offene Fragen: Wie viel Methan kommt aus den sibirischen Frostböden, wenn sie auftauen? Produzieren die Pflanzen des Regenwaldes ebenfalls Methan, wie jüngste Messungen vermuten lassen? Außerdem könnte man mithilfe dieses Gerätes messen, wie viel CO2 tatsächlich aus den Schloten der Kraftwerke kommt. Diese für den Emissionshandel wichtigen Werte, können derzeit nur berechnet, aber nicht wirklich gemessen werden. Tretner:

    "Weiter zu mir, weiter zu mir, weiter zu mir, Stopp!"

    Zurück im Hangar bauen Konstantin Gerilowski und Andreas Tretner das Spektrometer wieder aus. Der Prototyp ist stabil gelaufen, die Speicher sind voller Daten, die jetzt an der Uni Bremen ausgewertet werden. Tretner:

    "Also jetzt, wo wir zeigen können, dass das Ding auch wirklich funktioniert, haben wir sehr großes Interesse. Also es gibt mehrere Gruppen, die gefragt haben, ob wir mal über ihre Testgebiete drüberfliegen können, also wir haben viel zu tun."