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Met-Museum in New York
Neues Bekenntnis zur zeitgenössischen Kunst

Zeitgenössische Kunst in einen historischen Zusammenhang stellen - das ist der Anspruch zweier Eröffnungsausstellungen des New Yorker Metropolitan Museum in einer Dépendence für Gegenwartskunst. Damit will das Museum zeigen, was bisher im Stammhaus zu kurz gekommen ist, nämlich möglichst viel Jetzt.

Von Sasha Verna | 13.03.2016
    Das Metropolitan Museum of Art in New York.
    Das Metropolitan Museum of Art in New York. (AFP / Stan Honda)
    Sheena Wagstaff wird nicht müde, es zu betonen: Mit seinem Bekenntnis zur zeitgenössischen Kunst springe das Metropolitan Museum keineswegs auf einen fahrenden Zug auf. Vielmehr habe sich das Museum seit seiner Gründung damit befasst. Diese Gründung liegt 146 Jahre zurück. Die Abteilung für moderne und zeitgenössische Kunst ist 4 ½ Jahre alt. Für das neu geschaffene Ressort holte Direktor Thomas Campbell 2012 die Kuratorin Sheena Wagstaff von der Tate Modern in London nach New York. Während dafür im Stammhaus an der Fifth Avenue ein 600 Millionen Dollar teurer Flügel ausgebaut wird, dient das ehemalige Heim des Whitney Museums an der Madison Avenue für die nächsten acht Jahre als Übergangsplattform für das, was da kommen soll.
    "Unfinished": Werke aus 700 Jahren Kunstgeschichte
    Die zwei Eröffnungsausstellungen im denkmalgeschützten Marcel Breuer-Bau sind programmatisch. Für "Unfinished: Thougths Left Visible" haben die Verantwortlichen unter dem dehnbaren Begriff "unfertig" Werke aus siebenhundert Jahren europäischer Kunstgeschichte zusammengetragen. So wandert man über zwei Stockwerke von Jan van Eycks Bildnis der Heiligen Barbara über van Goghs möglicherweise letztes Gemälde bis zu einer Skulptur des Schweizers Urs Fischer, bestehend aus einem zertrümmerten Akt auf einer zertrümmerten Chaiselongue.
    Das Metropolitan Museum könne mit seiner einzigartigen enzyklopädischen Sammlung zeitgenössische Kunst in einen historischen Zusammenhang stellen wie kein anderes Museum, so Sheena Wagstaff. Außerdem wolle man Künstler jenseits des westlichen Kanons ins Rampenlicht rücken. Nasreen Mohamedi zum Beispiel, der die zweite Eröffnungsausstellung gewidmet ist. Den wenigsten dürfte diese Vertreterin der indischen Moderne bekannt sein. Genauso wenig, wie bekannt sein dürfte, dass es so etwas wie eine indische Moderne überhaupt gibt:
    Es sei an der Zeit, auch diese Geschichten zu erzählen, sagt Sheena Wagstaff, und nach Beiträgen zur Moderne zu suchen, wo niemand sie bislang vermutet habe.
    Anschluss an die zeitgenössische Kunst verpasst
    New York verfügt mit dem Museum of Modern Art, dem Whitney Museum, dem Guggenheim Museum und dem New Museum bereits über mehr Tempel der modernen und zeitgenössischen Kunst als die meisten Metropolen. Um mit diesen Institutionen zu konkurrieren, müsste das Metropolitan Museum klotzen. Denn auf dem aktuellen Kunstmarkt ist es einfacher, fünf prächtige Alte Meister zu erstehen als einen anständigen Jackson Pollock, und zwar für denselben Preis. Mithalten kann oder will man da aus finanziellen Gründen offenbar nicht. In dieser Hinsicht hat das Metropolitan Museum den Anschluss also tatsächlich verpasst. Stattdessen setzt man auf Schenkungen.
    "Wir können Gönnern Räume bieten, in denen ihre Gaben angemessen gezeigt und gefeiert werden, sowohl hier im Met Breuer als auch in einigen Jahren im Metropolitan Museum selber."
    Ob geschenkt, gefunden oder gekauft: Irgendwie wird das Metropolitan Museum schon zur heißbegehrten Gegenwartskunst kommen. Bloß braucht es mehr als die Ware, um zu beweisen, dass noch ein weiteres Museum dafür nötig ist. Das Rezept, in jeder Ausstellung zu einem beliebigen Thema ein bisschen Jetzt mit viel von Vorgestern zu mischen, wird sich bald totlaufen. In fernen Weltgegenden verkappte Warhols und schlummernde Richters aufzutreiben, scheint wenig vielversprechend. Immerhin präsentiert das Museum mit Vijay Iyer seinen ersten Hauskünstler. Der vielseitige Pianist verwandelt die Lobby des Met Breuer regelmäßig in eine Live-Toninstallation. Natürlich gehört auch Performance heute in jedes trendbewusste Etablissement. Aber in diesem Fall weiß man wenigstens, was man hat. Oder besser: was man hört.
    The Met Breuer, New York: "Unfinished: Thoughts Left Visible". Bis 4. September; "Nasreen Mohamedi". Bis 5. Juni; "Relation: A Performance. Residency by Vijay Iyer". Im März.