Dienstag, 19. März 2024

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Meteosat-Projekt
Neue Wettersatelliten sollen Vorhersagen deutlich verbessern

Wettersatelliten der dritten Generation seien "fast eine Revolution", sagte Hans-Joachim Koppert vom Deutschen Wetterdienst. Durch bessere räumliche und zeitliche Auflösungen könne man Nebel- und Gewittervorhersagen verbessern. Ab 2021 könnte Meteosat dann zu verkürzten Vorwarnzeiten und weniger Fehlalarmen führen.

Hans-Joachim Koppert im Gespräch mit Michael Böddeker | 13.11.2019
Bayern, Straubing: Dunkle Gewitterwolken ziehen im Abendlicht über ein Wohngebiet.
Ein Gewitter besser vorhersagen, das soll durch eine deutlich bessere Auflösung der sogenannten Meteosat möglich werden (dpa/picture-alliance/ Armin Weigel)
Michael Böddeker: Wie wird das Wetter morgen? Oder nächste Woche? Wird es ein Gewitter geben, oder vielleicht Nebel? Solche Fragen zu beantworten, das soll Meteorologen in Zukunft leichter fallen. Ab 2021 starten neue europäische Wettersatelliten ins All. Das ist dann schon die dritte Generation dieser Satelliten. Und deren Daten sollen die Wettervorhersage deutlich verbessern. "Ein neues Zeitalter der Wettervorhersage bricht an", so heißt es sogar in der Einladung zu einer Konferenz, die dazu gerade in Darmstadt läuft, bei EUMETSAT, der Europäischen Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten. Dort ist auch Hans-Joachim Koppert. Er leitet beim Deutschen Wetterdienst den Bereich Wettervorhersage. Ich habe vor der Sendung mit ihm gesprochen und ihn gefragt, was das denn für neue Satelliten sind.
Hans-Joachim Koppert: Es geht im Prinzip um zwei verschiedene Arten von Satelliten. Es geht einmal um einen geostationären Satelliten, das ist der Meteosat, den wir eigentlich alle schon kennen oder den Namen schon mal gehört haben, der in einer geostationären Bahn in 36.000 Kilometern Höhe über der Erde steht, und es geht um polarumlaufende Satelliten, die wesentlich tiefer fliegen, so etwa zwischen 800 und 900 Kilometer.
Blick auf den Offshore-Windpark von Neeltje Jans im Morgennebel.
Algorithmen im Alltag: Der Vorhersager
Windkraftanlagen, Flugverkehr, Seefahrt: Es gibt Branchen, für die Wettervorhersagen enorm wichtig sind. Darum arbeiten Meteorologen seit Jahrzehnten daran, die Prognosen zu verbessern. Dabei spielen Algorithmen eine immer wichtigere Rolle.
"Ein sehr, sehr großer Schritt nach vorne"
Böddeker: Und was können diese Satelliten, was bisherige Satelliten noch nicht konnten?
Koppert: Also der Meteosat, der macht wirklich einen sehr, sehr großen Schritt nach vorne. Wir haben einerseits deutlich bessere räumliche und zeitliche Auflösungen, also in einem thermischen Spektralkanal, da erhöht sich die Auflösung zum Beispiel von drei Kilometer auf ein Kilometer.
Böddeker: Also es gibt eine bessere Auflösung dieser Daten. Inwiefern wird dadurch am Ende die Wettervorhersage besser?
Koppert: Wir wollen versuchen, die Gewittersysteme beispielsweise früher zu erkennen, wenn sie noch sehr klein sind. Oder denken Sie an Nebelerkennung und Nebelvorhersage. Kleine Täler kommen bei einer groben Auflösung überhaupt nicht zum Vorschein. Das ist dann einfach nur so eine graue Masse. Wenn Sie eine höhere Auflösung haben, dann sehen Sie ein schönes, weißes Band. Und da gibt es viele Anwendungen dafür. Denken Sie nur mal ans autonome Fahren, wenn Sie da um die Ecke biegen, dann wollen Sie ja nicht von einer Nebelbank überrascht werden, wenn es vielleicht Systeme schon gibt, die so was beobachten können.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Unvermittelter Nebel stellt eine Gefahr für Autofahrer dar. (EyeEm / Elsa Leydier)
Böddeker: Wenn dann am Ende alle Satelliten so funktionieren, wie sie sollen, und auch das System darauf eingestellt ist, wie viel besser wird denn die Wettervorhersage dann?
Koppert: Das ist eine gute Frage, die kann ich Ihnen so leicht quantifiziert nicht beantworten, weil wir haben ja auch noch sehr viel, sagen wir mal, Forschungsarbeit zu leisten. Und der Übergang von Forschung in den operationellen Betrieb ist natürlich immer mit Unsicherheiten verbunden.
"Eine noch zu große Fehlalarmrate"
Böddeker: Aber das ist schon Ihr Ziel auch als Leiter der Wettervorhersage, dass eben die Vorhersage genauer wird, zutreffender und vielleicht auch weiter in die Zukunft, oder?
Koppert: Ja, freilich! Wir werden auch was gewinnen. Nur, weil ich Ihnen jetzt nicht in die Hand sagen kann, was es ist, heißt es nicht, dass wir daran nicht arbeiten. Also ich erwarte zum Beispiel, dass wir die Warnung, die Vorwarnzeit, dass wir die deutlich verkürzen können mithilfe der neuen Verfahren. Wir haben nämlich einen Teil der Entwicklung von Gewitterwolken. Die können wir momentan noch nicht vernünftig behandeln. Das ist die Phase, wo die Wolken schon wachsen, wo aber noch keine Blitze aufgetreten sind. Und da gibt es nur Satelliten, die diese Phase beobachten können, kein Radarsystem kann da sinnvolle Ergebnisse liefern. Und momentan ist die Auflösung noch zu gering, damit man zweifelsfrei erkennen kann, ob da jetzt eine gefährliche Entwicklung im Gange ist oder nicht, weil zurzeit haben unsere Verfahren noch eine zu hohe Fehlalarmrate. Wenn wir jetzt das neue System haben, dann können wir vielleicht die, sagen wir mal, die Vorwarnzeit um 10 bis 15 Minuten erhöhen.
Böddeker: Jetzt sind Sie ja gerade in Darmstadt auf einer Fachkonferenz zu genau diesen neuen Satellitensystemen. Wie ist denn da so die Stimmung, also wie blicken die Teilnehmer auf die neuen Satelliten? Herrscht da Vorfreude oder sind die besorgt darüber, dass man diese ganzen Daten ja auch erst mal auswerten muss?
Koppert: Na ja, wir brennen ja alle für unsere Aufgabe. Also ich glaube, jeder begreift es als Chance. Und ich sehe MTG, also den Meteosat der dritten Generation, mit dem, was er alles anbietet, fast als eine Revolution. Also ich erwarte mir da sehr viel davon. Und da müssen wir die technischen Probleme einfach lösen. Ja, Sie haben recht, die Datenmengen sind enorm. Aber in Europa gibt es eben Bestrebungen, EUMETSAT arbeitet dran, das Europäische Zentrum für Mittelfristige Vorhersagen, wir arbeiten alle zusammen, damit wir die Problematik der unglaublichen Datenmengen, die da auf uns zukommen, in den Griff bekommen. und heute stehen ja, sagen wir mal, Technologien wie Cloud-Technologien zur Verfügung, die gerade für solche Dinge auch gemacht sind und in der Lage sind, mit solchen Dingen umzugehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.