Dienstag, 23. April 2024

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Methan
Rätselhaftes Treibhausgas

Klimaforschung. - In diesem Jahr wird der Internationale Rat für Klimafolgenforschung IPCC die beiden nächsten Teile seines jüngsten Sachstandsberichts veröffentlichen. Auch sie werden wieder dokumentieren, dass die Klimaforscher das System keineswegs verstanden haben. In der aktuellen "Science" beginnt eine Artikelreihe, die diese offenen Fragen der Zunft aufgreift. Der erste Teil ist dem Methan gewidmet.

Von Volker Mrasek | 31.01.2014
    "Methane is a great puzzle."
    Methan ist ein großes Rätsel. Selbst für Euan Nisbet, der schon lange über das prominente Treibhausgas forscht. Der Brite ist Professor für Geowissenschaften an der Universität von London, am Royal Holloway College
    "Methan entsteht zum einen auf natürliche Weise, in den Sümpfen und Feuchtgebieten der Erde. Zum anderen aber auch durch menschliche Aktivitäten. Zum Beispiel durch die Viehhaltung: Kühe produzieren es in ihren Mägen. Große Mengen Methan setzt auch die Erdöl- und Erdgasindustrie frei. Die Emissionen dieser Quellen schwanken, und es ist schwer zu sagen, wer gerade wie viel ausstößt."
    Der Gehalt von Methan in der Atmosphäre ist heute 2,5 mal so hoch wie zu Beginn der Industrialisierung. Doch die Konzentration des Treibhausgases stieg nicht immer gleichförmig. Zwischen 1999 und 2006 gab es sogar eine Phase der Stagnation, Methan nahm praktisch nicht mehr zu. Doch warum? Wirklich sicher sind sich Klimaforscher wie Euan Nisbet nicht. Es gibt nur mehr oder weniger gut begründete Vermutungen:
    "Die Gasindustrie hat zu dieser Zeit viel Geld investiert, um Lecks in ihren Leitungen und Anlagen zu schließen. Nicht nur in Russland, sondern weltweit. Denn jeder Austritt von Methan bedeutet für die Firmen einen finanziellen Verlust. Die Gas-Produktion ist zwar weiter gestiegen, die Methan-Emissionen dagegen kaum."
    2007 gab es dann aber eine Trendwende. Seither steigt der weltweite Ausstoß von Methan wieder, und zwar um mehr als 20 Millionen Tonnen pro Jahr. Dahinter vermuten die Forscher zwei wesentliche Quellen. Zum einen erwärmt sich die Arktis seither sehr stark. Ihre Dauerfrostböden tauen auf, und an der Oberfläche entstehen Seen, in denen Mikroben organisches Material abbauen. Dabei entsteht Methan. Ähnliche Prozesse liefen seinerzeit auch in den Tropen ab. Der Atmosphärenchemiker Ed Dlugokencky von der NOAA, der Nationalen Forschungsanstalt für Ozean und Atmosphäre in den USA:
    "2007 und 2008 zählen zu den bisher regenreichsten Jahren in den Tropen. Unter solchen Bedingungen wird mehr Land überflutet. Dadurch entstehen ebenfalls Sümpfe, und Mikroorganismen in ihnen produzieren zusätzliches Methan."
    Auch wenn das stimmt, bleiben noch immer offene Fragen. Zum Beispiel die nach dem verschwundenen Methan. Die Länder der Erde führen heute genau Buch über ihren Treibhausgas-Ausstoß und melden ihn an die Vereinten Nationen. Gemessen an diesen Emissionen enthält die Atmosphäre heute viel zu wenig Methan, wie Geologe Nisbet sagt. Und zwar gut und gerne 20 Prozent. Aber auch diese Zahl sei unsicher.
    "Noch etwas ist rätselhaft. Atmosphärisches Methan scheint heute vermehrt aus dem leichteren Kohlenstoff Isotop C-12 zu bestehen. Es stammt aus biologischen Quellen. Das deutet darauf hin, daß die Methan-Emissionen aus Feuchtgebieten und Kuhmägen stärker zunehmen als die aus der Kohle- und Gasförderung. Wir wissen aber, daß auch die Energieindustrie im Moment kräftig wächst und folglich mehr Methan freisetzt. In unseren Messungen sehen wir das allerdings nicht."
    Wie auch, könnte man fragen. Denn es ist schwierig, globale wie auch regionale Methan-Bilanzen aufzustellen. Das Messnetz der Klimaforscher weist nämlich große Lücken auf. Genügend Bodenstationen gibt es nur in Nordamerika und Europa. Und bald vielleicht auch in China. Ansonsten sind Messstellen aber dünn gesät oder fehlen ganz. Daten aus dem All liefert im Moment nur der japanische Satellit GOSAT. Die Messungen werden aber durch Wolken beeinträchtigt. Und im Dunkeln sieht das Instrument gar nichts. Euan Nisbet hält es für wichtig, die Lücken im Messnetz und im Wissen über Methan möglichst bald zu schließen:
    "Es gibt viele Möglichkeiten, um die Emissionen von Methan zu verringern. Doch man sollte schon wissen, wie hoch sie genau sind und wie groß der Effekt dann ist. Deswegen brauchen wir bessere Beobachtungen."