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Methanknollen als neue Energiequelle

Gashydrate - oder Methanknollen - gelten als wichtige Energiequelle der Zukunft. Allerdings auch als eine der unberechenbarsten: Denn am Ende der jüngsten Eiszeit wurden sie durch den Temperaturanstieg instabil und das Schmelzen der Gashydrate soll gewaltige untermeerische Erdrutsche ausgelöst haben. Kritiker fürchten deshalb, dass solch potenzielle Katastrophen auch durch eine Förderung ausgelöst werden könnten. Submarine Rutschungen zerstören nicht nur Infrastruktur wie Telefonkabel oder Ölförderanlagen, sondern sie lösen auch Riesenwellen aus, so genannte Tsunami, die ganze Küstenstriche bedrohen könnten. Mit Blick auf künftige Energiequellen wird trotzdem intensiv an der Erschließung dieser Reserve geforscht. Zum einen vor Kanada, zum anderen im Golf von Mexiko, wo man vorhandene Gasförderanlagen umwidmen könnte.

Von Dagmar Röhrlich | 14.04.2004
    Der Golf von Mexiko ist nicht nur ein Dorado für die Erdölindustrie, die hier ihr Schwarzes Gold fördert. In den seismischen Profilen des Untergrunds haben die Geophysiker auch rohstoffreiche Lagen von Gashydraten entdeckt. Die entstehen, wenn im Meeresboden bei niedrigen Temperaturen und hohem Druck Methan und Wasser zu Eisknollen kristallisieren. In den weiten Sandarealen des Golfs von Mexiko haben sich so viele Gashydrate angesammelt, dass sie kommerziell interessant sind. Vor allem, weil auch die vorhandene technische Infrastruktur stimmt, erklärt Art Johnson von Hydrate Energy International in Louisiana:

    Der Schlüssel zur Wirtschaftlichkeit ist, dass wir die Hydrate dort mit existierenden Anlagen fördern können, weil Dutzende von Öl- und Gasplattformen im tiefen Wasser fördern, dort, wo es auch sehr viele Gashydrate gibt, so dass die Hydrate die Kosten nicht alleine tragen müssen.

    Unter den Druck- und Temperaturbedingungen im Golf von Mexiko sind Gashydrate in einer klar definierten Schicht stabil: Die Knollen aus Methan und Wasser bilden sich dann, wenn der Meeresboden in mindestens 500 Metern Wassertiefe liegt. Und nach unten hin begrenzt die stetig ansteigende Temperatur im Meeresboden die Stabilitätsschicht.

    Wenn wir in diese Schicht bohren und tiefer gehen, wird die Erde immer wärmer. Ab einer bestimmten Tiefe im Meeresboden passiert folgendes: Trotz des höheren Umgebungsdrucks in den Sedimenten wird es zu warm für die Gashydrate, sie "schmelzen". Wir kommen in eine Zone, in der das Methan als freies Gas im Sediment ist.

    Um an die Gashydrate heranzukommen, wollen die Geologen die Geometrie dieser Lagerstätte nutzen. Das Gas soll fließen, indem man es von dort fördert, wo im Meeresboden die Methaneisknollen schmelzen und das Methan wieder zu Gas wird. Weil dieser Bereich tief unter mächtigen Sanddecken begraben liegt, steht das Methan unter Druck, und es strömt von selbst heraus. Technisch gesehen unterscheidet sich diese Förderung des Methans aus "geschmolzenen" Gashydraten nicht von der klassischen Erdgasförderung. Deshalb will Art Johnson erprobte Techniken einsetzen:

    Wir fördern normales Gas, indem wir im Untergrund einen perforierten Kasten zementieren. Durch die Löcher kann das Gas dann in den Kasten strömen und von da aus in die Pipeline und dann an die Oberfläche. Der einzige Unterschied bei den Gashydraten wird sein, dass wir genau wissen müssen, wohin wir den perforierten Kasten platzieren. Die Kunst ist es, ihn dort zu bauen, wo wir zwar in der Zone mit dem freien Gas sind, aber immer noch ganz nah dran an dem Bereich, in dem die Hydrate noch stabil sind.

    Wenn wir das freie Gas direkt unterhalb der Stabilitätszone fördern, sinkt dadurch der Druck im Reservoir, dann zersetzen sich immer mehr Knollen in Methan und Wasser.

    Im Golf von Mexiko läge die Fördertiefe zwischen 500 bis 1000 Meter unter der Meeresboden. Dank dieser Tiefe sei die Förderung sicherer als bei flacheren Lagerstätten, urteilt Johnson. Es wäre nämlich eine Alternative, sich bei der Förderung auf die Gashydrate an Methanvulkanen zu konzentrieren, wo Gas direkt aus dem Meeresboden strömt und es abzusaugen. Das sei aber problematisch:

    Zum einen wäre diese Förderung an den Methanvulkanen unökonomisch, weil wir das Gas nicht konzentriert herausbekommen. Vor allem aber ist es unsinnig, die Methanknollen einfach abzusaugen, weil das die Lebensgemeinschaften an diesen Methanvulkanen zerstören würde.

    Außerdem droht der Meeresboden instabil zu werden, wenn man oberflächennahes Methan abzieht. Submarine Rutschungen und die darauf folgenden Tsunami sind eine große Gefahr. Bei der tiefen Förderung soll nicht passieren: Schließlich laufe im Golf von Mexiko die normale Erdgasförderung etwa in den gleichen Tiefen ab.