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Meyer: Mindestlöhne gefährden Arbeitsplätze

Der CDU-Mittelstandsexperte Laurenz Meyer hält eine Einigung der Großen Koalition im Streit um Mindestlöhne für unbedingt notwendig. Es dürften aber keine Arbeitsplätze gefährdet und der Wettbewerb in den Branchen nicht verhindert werden. Deshalb sollten sich zunächst die Tarifpartner einigen.

Moderation: Silvia Engels | 28.03.2007
    Engels: Lohnkostenzuschüsse für rund 50.000 arbeitslose junge Arbeitsuchende in Form von Kombilöhnen. Darauf hat sich die Große Koalition offenbar verständigt. Ganz anders sieht es aus beim Thema Mindestlohn. Die SPD sammelt derzeit Unterschriften für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Die Unionsspitze lehnt das ab. So weit, so bekannt. Doch nun haben auch die Gewerkschafter in einer CDU-Gruppierung, nämlich in der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft angefangen, Unterschriftenlisten für einen Mindestlohn auszulegen. - Am Telefon ist nun der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion Laurenz Meyer. Guten Morgen Herr Meyer!

    Meyer: Guten Morgen Frau Engels!

    Engels: Was ist denn da los bei Ihnen in der Union?

    Meyer: Das was dort an Unterschriftenlisten kursiert, das ist sicher eine Minderheitenposition und das ist nicht das, was die Fraktion, die Bundestagsfraktion oder die Partei will.

    Engels Ingrid Sehrbrock, immerhin stellvertretende DGB-Vorsitzende und CDU-Mitglied, beobachtet laut "Chemnitzer Freier Presse" auch eine wachsende Zustimmung zu gesetzlichen Mindestlöhnen in Ihrer Unionsfraktion?

    Meyer: Das sehe ich nicht. Wir haben die klare Position, dass wir achten müssen, dass wir Konstruktionen finden, die Löhne zu verhindern, die von moralischen Kategorien her völlig verfehlt sind, aber gleichzeitig aufpassen, dass Arbeitsplätze auch für die entstehen, die von ihrer Produktivität her nicht so große Produktivität bringen und damit auch nicht so hohe Löhne.

    Engels: Sie deuten da etwas an, was seit dem Wochenende von Arbeitsminister Müntefering eingebracht worden ist. Da geht es darum, sittenwidrig niedrige Löhne zu verbieten. Das sind Löhne, die 30 Prozent unter dem regionalen branchenüblichen Niveau liegen. Wird das so kommen?

    Meyer: Ja nun, das ist nicht von Herrn Müntefering eingebracht worden, sondern das haben wir in die Debatte eingebracht, dass wir die Positionen, die von Richtern inzwischen auch in Gerichtsurteilen als Definition für das, was im Lohnbereich sittenwidrig sein könnte, herausgefunden wurde, ins Gesetz schreiben wollen, um damit Klarheit zu schaffen, dass hier keine Dumpinglöhne in Deutschland entstehen, dass nicht wirklich unmoralische Löhne entstehen, also etwa diese Zwei- oder Drei-Euro-Löhne. Daran hat keiner von uns irgendwie Interesse, das auch noch zu verteidigen, wenn sich Arbeitgeber so verhalten.

    Engels: Herr Meyer wo ist denn da noch formal der Unterschied zu einem gesetzlichen Mindestlohn?

    Meyer: Das ist die Fragestellung, dass hier mit gesetzlichem Mindestlohn ja Löhne gemeint sind. Der DGB trägt das ja auch vor: 7,50 Euro. Wir wollen auch auf keinen Fall, dass hier jetzt ein Wettrennen losgeht, dass bei Wahlen dann in Zukunft jeder verspricht - wir sehen das ja in Frankreich -, wir sind dafür, den Mindestlohn um einen oder zwei Euro anzuheben. Das gibt ja einen Wettlauf, der hinterher eben die Konsequenz hat, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Sie brauchen nur hier in Berlin zu gucken. Wenn die Hotels in Berlin heute schon ihre Wäsche zum Waschen nach Polen bringen, dann sehen wir doch, dass wir hier in Deutschland in einer anderen Situation sind als etwa in Großbritannien. Da ist eben nicht eine lange Grenze mit dem Niedriglohnbereich auf der anderen Seite und da ist die Verschiebung von Arbeitsplätzen und der Wegfall von Arbeitsplätzen nicht so bedrohlich, wie das etwa bei uns ist.

    Deswegen müssen wir achten, dass wir hier dafür sorgen, dass die Menschen ein Einkommen haben, von dem sie leben können. Deswegen reden wir vom Mindesteinkommen und etwa in den Fällen bei den jungen Leuten, von denen Sie eben gesprochen haben, oder bei Menschen, die es besonders schwer haben, nach Langzeitarbeitslosigkeit aufgrund von Krankheiten oder so etwas wieder in den Beruf zurückzukommen. Da haben wir uns ja auch darauf verständigt, dass wir dort dann Kombilöhne einführen wollen, also Löhne, die möglicherweise nicht ausreichen, um davon vernünftig leben zu können, aber aufgestockt durch staatliche Gelder, damit Menschen überhaupt in den Arbeitsmarkt zurückkommen und Arbeit finden. Gerade bei den Jungen, von denen Sie gesprochen haben, ist doch das Schlimmste, am Anfang des Berufslebens gleich arbeitslos zu sein. Wir wollen, dass jeder einen Job findet, und wo es dann von der Produktivität her, von der Leistungsfähigkeit des Einzelnen möglicherweise am Anfang noch nicht ausreicht, wo Qualifizierung auch notwendig ist, da soll dann der Staat aufstocken. Wir sagen in dem Zusammenhang ja auch, dass wir auch dort eine Lohnuntergrenze einziehen wollen, damit die Mitnahmeeffekte für die Arbeitgeber hier nicht zu groß werden.

    Engels: Lohnuntergrenze, Mindestlohn, Mindesteinkommen, das sind alles Begriffe, aber letztlich die Menschen auf der Straße verstehen darunter in der Tat das, dass sie geschützt werden von solchen Dumpinglöhnen. Warum ist denn da eine Einigung so schwierig?

    Meyer: Ich denke, dass wir uns einigen werden. Ich hoffe das sehr, denn wir wollen ja, dass möglichst viele in den Arbeitsmarkt finden, dass wir diese gute Wachstumsphase, die wir jetzt haben, auch wirklich nutzen, um auch denen, die sozusagen den harten Kern an Arbeitslosigkeit bilden, eine Chance zu geben, dass wir denen, die langzeitarbeitslos sind, auch wieder eine Perspektive geben. Deswegen bin ich sehr dafür, dass wir uns einigen, aber eben in einer Art und Weise, dass wir nicht zusätzliche Arbeitsplätze gefährden, dass nicht zusätzliche Arbeitsplätze abwandern oder in die Schwarzarbeit verlagert werden. Wir haben inzwischen in Deutschland - so sagt die Bundesagentur für Arbeit - sechs Millionen Vollzeitarbeitsplätze in der Schwarzarbeit.

    Engels: Könnte ein Kompromiss vielleicht wie folgt aussehen: die SPD verzichtet auf einen gesetzlichen Mindestlohn. Dafür stimmt die Union einer deutlichen Ausweitung der Branchen zu, für die ein tariflicher Mindestlohn gelten soll.

    Meyer: Wenn in den Branchen die Voraussetzungen gegeben sind haben wir gesagt müssen wir darüber reden. Wenn es also irgendwo zu sozialen Verwerfungen kommt - -

    Engels: Das ist ja wohl in breiter Fläche der Fall, sagt die SPD.

    Meyer: Ja. Dann muss man die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Arbeitgeber und die Gewerkschaften in den Branchen sich einigen und dass es einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag gibt. Was wir nur zurzeit sehen ist, dass es zum Beispiel in bestimmten Branchen mehrere Arbeitgeberverbände gibt und Gewerkschaften, die Tarifverträge abgeschlossen haben, unterschiedliche Tarifverträge, und dass dann ein Teil der Arbeitgeber jeweils versucht, einen Branchenmindestlohn festzusetzen. Das hat aber nichts damit zu tun - das kann die Politik nicht lösen -, dass hier soziale Verwerfungen bereinigt werden sollen, sondern Arbeitgeber haben eine Philosophie. Sie schätzen Wettbewerb in der Wirtschaft ganz ungemein, außer wenn er in der eigenen Branche stattfindet. Wir müssen also schon aufpassen, dass wir nicht in der Politik sozusagen den Wettbewerb in den Branchen verhindern, weil ein Teil der Arbeitgeber jeweils das möchte. Das ist auch eine Entwicklung. Deswegen sagen wir, nicht die Politik soll hier entscheiden, sondern weitestgehend sollen die Tarifpartner vor Ort die Entscheidungen treffen, in den Branchen die Entscheidungen treffen. Und wenn dann die Voraussetzungen da sind sind wir bereit, darüber zu reden, auch die ins Entsendegesetz aufzunehmen.

    Engels: Dem Wirtschaftsflügel Ihrer Partei, beispielsweise dem Vorsitzenden der CDU-Mittelstandsvereinigung Schlarmann, gehen offenbar schon die Überlegungen, eine Grenze der Sittenwidrigkeit einzuziehen, zu weit. Haben Sie bald handfesten Krach zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberflügel in der Union?

    Meyer: Eine Volkspartei muss sich immer in der Mitte verständigen und ich bin ganz sicher, dass wir dort zu Lösungen kommen, die hinterher auch in unserer Partei breit getragen werden. Ich sehe diese Übereinstimmung. Zum Beispiel der Parlamentskreis Mittelstand, dem ich ja auch angehöre, ist ganz klar der Meinung, dass wir bei der Kodifizierung von sittenwidrigen Löhnen drangehen sollten und das auch machen sollten. Wir sollten nur eben darauf achten, das oberste Kriterium wirklich einzuhalten: keine Lösungen, die zusätzlich Arbeitsplätze gefährden. Wir brauchen jeden Arbeitsplatz, den wir haben. Da wo es um Benachteiligte geht muss man eben dann möglicherweise durch staatliche Mittel das aufstocken, damit die Familien genügend zum Leben haben.

    Engels: Laurenz Meyer, der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Meyer: Auf Wiederhören Frau Engels!