Freitag, 29. März 2024

Archiv

Microsoft prüft Kauf der chinesischen Plattform Tiktok
Politische Vorsicht oder Machtkalkül?

Eigentlich wollte US-Präsident Trump die Videoplattform Tiktok in den USA verbieten. Doch jetzt hat er es sich möglicherweise anders überlegt: Microsoft soll die weltweit gefragteste App kaufen. Ist das nun politische Vorsicht oder ein geschickter Schachzug des Geschäftsmannes Trump?

Mareike Ohlberg im Gespräch mit Annika Schneider / Text von Nina Magoley | 03.08.2020
07.05.2017, China: --FILE--In this unlocated photo, users turn on TikTok and WeChat on their smartphones, 7 May 2017. India on Monday banned 59 apps with Chinese links, saying their activities endanger the country?s sovereignty, defence and security. TikTok, which has over 120 million users, and WeChat, are affected as well. *** Local Caption *** fachaoshi Foto: Zhang Rongqing/HPIC/dpa |
Videos und Musik auf Tiktok: Erfolgreichste App weltweit (picture alliance/Zhang Rongqing/HPIC/dpa)
Vordergründig geht es um Datensicherheit: Die US-Regierung argwöhnt schon seit Längerem, dass die chinesische Regierung über die Videoplattform Tiktok Daten von US-Bürgen abgreifen wolle. Die rasant wachsende App des chinesischen Internetkonzern Bytedance wird mittlerweile in 65 Sprachen angeboten und ist besonders bei Jugendlichen weltweit beliebt. Nutzer können dort selbsterstellte Clips hochladen, mit Tanz- und Gesangsvideos hunderttausende Follower erreichen. Keine andere App wird derzeit so häufig herunterladen wie Tiktok - weder Facebook noch WhatsApp oder Instagram. In den USA hat Tiktok nach eigenen Angaben bereits 100 Millionen Nutzer.
Das Weiße Haus vermutet in der App ein Spionagewerkzeug der chinesischen Regierung, Militärangehörige der US-Army dürfen sie schon seit Ende 2019 nicht mehr auf ihre Dienstgeräte laden. Tiktok hatte zwar bereits erklärt, dass Chinas Regierung keinen Zugriff auf Nutzerdaten habe und dies angeblich auch nie verlangt habe. Die Nutzerdaten würden in den USA gespeichert und dort verarbeitet.
Chinaexpertin: Tiktok sammelt Daten und zensiert
Tatsächlich sammele Tiktok noch deutlich mehr Metadaten der Nutzer als andere vergleichbare Portale wie Facebook oder Twitter, sagt Mareike Ohlberg, Chinaexpertin beim German Marshall Fund, im @mediasres-Interview. Außerdem sei belegt, dass Tiktok-Betreiber Bytedance in China Videos zensiert hat, die aus Sicht der chinesischen Regierung kritische Begriffe enthielten.
Die App sei so konstruiert, dass Inhalte leicht gepusht werden können - was auch die Nutzung zur Verbreitung von Propaganda einfacher mache, sagt Ohlberg. Allerdings habe sie noch nicht beobachtet, dass das wirklich geschieht.
Mareike Ohlberg
Sinologin Mareike Ohlberg (Mercator Institute for China Studies/Marco Urban)
Bedenklich findet Ohlberg allerdings, dass Bytedance den offiziellen Firmensitz außerhalb Chinas hat, nämlich auf den Caiman Islands. Andere chinesische Internet-Unternehmen wie Alibaba oder Tencents nutzten die gleiche Strategie, sagt sie, um an die internationale Börse gehen zu können - was ihnen in China nicht erlaubt ist. Damit wolle Bytedance sich als nichtchinesisches Unternehmen präsentieren - woran es aber berechtigte Zeifel gebe, so die Sinologin.
Verbieten oder kaufen?
Für Donald Trump jedenfalls stand bisher fest: Die chinesische Erfolgs-App muss vom US-amerikanischen Markt verschwinden. Er werde Tiktok verbieten, hatte Trump bereits gedroht. Doch jetzt zeichnet sich eine Wende ab. Ein Tiktok-Verbot könnte vermieden werden, wenn ein US-amerikanisches Unternehmen die Plattform kaufen kann, heißt es. In Frage kommt dafür offenbar der amerikanische Softwaregigant Microsoft. Der hatte am Sonntag (02.08.2020) erstmals in einer Meldung bestätigt, Interesse an der Übernahme von Tiktok zu haben.
Offiziell hat das Weiße Haus bis Montagnachmittag deutscher Zeit (03.08.2020) auf diese Wendung noch nicht reagiert. Von Microsoft aber hieß es, Konzernchef Satya Nadella und Trump hätten sich über die Idee ausgetauscht. Nun wolle Microsoft weitere Gespräche mit dem chinesischen Tiktok-Eigentümer Bytedance führen. Ziel sei es, bis zum 15. September einen Deal zu vereinbaren.
Übernahme auch in Kanada, Australien und Neuseeland
Microsoft betonte dabei, dass eine Übernahme "nur im Einvernehmen mit der Regierung" und im Zuge einer Sicherheitsprüfung infrage käme. Außerdem müsse es klar sein, dass die Aktion zum Nutzen der US-Wirtschaft sei. Der Dialog mit der Trump-Regierung solle während der weiteren Gespräche mit Bytedance in den kommenden Wochen fortgeführt werden. Dabei sei der Konzern auch offen gegenüber anderen Investoren, die sich als Minderheitspartner beteiligen könnten.
Microsoft teilte außerdem mit, dass man nicht nur das US-Geschäft von Tiktok übernehmen wolle, sondern auch das in Kanada, Australien und Neuseeland. Über den Preis, der Microsoft für Tiktok zahlen soll, ist noch nichts bekannt. Experten vermuten aber, dass es um sich um einen zweistelligen Milliardenbetrag handeln dürfte.
Digitaler Kalter Krieg
Für Trump dürfte der Zank um die Jugendlichen-Plattform vor allem eine machtpolitische Dimension haben: Die USA und China liefern sich bereits einen erbitterten Streit um die weltwirtschaftliche Dominanz. Beobachter vermuten nun, dass Trump um jeden Preis verhindern will, dass China zumindest im Bereich der digitalen Technologien die Oberhand gewinnt.
Dass er Pekings Einfluss in den USA mit aller Macht zurückdrängen will, hatte Trump bereits in seinem Vorgehen gegen andere chinesische Konzerne wie die Telekom-Riesen Huawei und ZTE gezeigt. Beobachter sprechen bereits von einem "digitalen kalten Krieg" zwischen den beiden Weltmächten.
Auch Chinaexpertin Ohlberg wertet das als neue, härtere Gangart der politischen China-Strategie Trumps: Nachdem US-amerikanische Unternehmen nicht mehr in China investieren dürften, wolle er nun mit gleicher Waffe zurückschlagen.
Aber auch ein ganz banaler Grund könnte eine Rolle bei Trumps Angriffslustigkeit spielen: Im Juni sollen Tiktok-Nutzer mit einem Trick erreicht haben, dass viele Plätze bei einer Wahlkampfveranstaltung von Trump in Tulsa, Oklahoma, leer blieben. Sie hatten sich für kostenlose Tickets registriert, ohne die Absicht, tatsächlich hinzugehen.