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Mietpreisbremse
"Geschenke für den Mittelstand"

Zu kompliziert, eine verfehlte Symbolpolitik: Die sogenannte Mietpreisbremse stößt auf scharfe Kritik beim Immobilienverband Deutschland. Deren Vizepräsident Jürgen Michael Schick sagte im Deutschlandfunk, "mit Preisregulierungen beseitigen Sie nicht eine Mangellage an Wohnungen, sondern verstärken sie wahrscheinlich nur".

Jürgen Michael Schick im Gespräch mit Dirk Müller | 02.10.2014
    Nagelneue Häuser mit Mietwohnungen und Eigentumswohnungen sind in Berlin an der Grenze der Bezirke Mitte und Kreuzberg zu sehen.
    Nagelneue Häuser mit Mietwohnungen und Eigentumswohnungen sind in Berlin an der Grenze der Bezirke Mitte und Kreuzberg zu sehen. (picture-alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
    "Ich glaube, dass die Mieter an der Nase herumgeführt werden, weil das Gesetz ja kein einziges Problem für sie löst", sagte der Vizepräsident des Immobilienverbandes im Deutschlandfunk. "Die Mietpreisbremse ist deutlich zu kompliziert. Dadurch wird keine einzige neue Wohnung geschaffen, aber genau darauf käme es ja an." Mit dem Gesetz werde "der Unfrieden zwischen Mietern und Vermietern geschürt - und der Gesetzgeber weiß das".
    "Die Mieten steigen deswegen, weil das Themen seit vielen Jahren von der Politik verschlafen wird", sagte der Vizepräsident des Verbandes, der die Interessen von Dienstleistern in der Immobilienwirtschaft vertritt. "Die Politik hat nichts getan. Jetzt soll Symbolpolitik helfen. Jetzt sollen Vermieter und auch die Makler als Sündenböcke herhalten." Schick rechnet mit einer Mietbreisbeschleunigung im unteren Segment des Immobilienmarktes: Die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen seien "Geschenke jetzt in Zukunft an den ordentlich verdienenden Mittelstand, weil die in Zukunft weniger Miete zahlen müssen - und stattdessen einmal mehr in Urlaub fahren - und streuen denen, die echte Hilfe bräuchten, Sand in die Augen", denn "diejenigen, die heute schon Schwierigkeiten haben, sich im Wohnungsmarkt zu versorgen, die kriegen in Zukunft erst recht keine Wohnung".

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Peer Steinbrück hat einst als SPD-Kanzlerkandidat gern die Geschichte des Studenten Martin erzählt, der eine Ein-Zimmer-Wohnung in Frankfurt findet, die bisher 400 Euro gekostet hat. Dann sagte ihm der Vermieter, nein, die Wohnung kostet jetzt 520 Euro. Martin ist völlig entsetzt: Das sind ja 30 Prozent mehr bei Neuvermietung. Ja, sagt der Vermieter daraufhin. Du kannst Dich entscheiden, entweder top oder hopp. So jedenfalls hat Peer Steinbrück seine Beobachtungen wiedergegeben. Das alles soll sich nun ändern.Die Koalition hat die Mietpreisbremse auf den Weg gebracht nach dem Motto, Wohnraum soll bezahlbar bleiben. Dazu gehört auch, dass derjenige den Makler bezahlt, der ihn bestellt, meistens der Vermieter.
    Genau darüber reden wir jetzt mit Jürgen Michael Schick, Vizepräsident des Immobilienverbands Deutschland, kurz IVD. Guten Morgen!
    Jürgen Michael Schick: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Schick, sind wir jetzt im Sozialismus?
    Schick: Wir sind nicht im Sozialismus, aber wir erleben, dass man versucht, mit Preisregulierung Knappheit zu beseitigen. Aber das wird nicht klappen. Mit Preisregulierung beseitigen Sie eben nicht eine Mangellage an Wohnungen, sondern verstärken sie wahrscheinlich nur.
    Mitpreisbremse gefährdet den sozialen Frieden
    Müller: Also lieber die Preise nach oben schrauben?
    Schick: Darum geht es ja nicht. Aber die Mietpreisbremse ist deutlich zu kompliziert. Sie brauchen ja jetzt schon 44 eng bedruckte Seiten, um das zu erklären. Dadurch wird keine einzige neue Wohnung geschaffen, aber genau darauf käme es ja an.
    Ich glaube, dass die Mieter an der Nase herumgeführt werden, weil das Gesetz ja kein einziges Problem für sie löst. Zudem kommt, dass mit dem Gesetz der Unfrieden zwischen Mietern und Vermietern geschürt wird, und die Politik weiß das. Der Gesetzentwurf selbst warnt ja schon davor, dass das zu einer Häufung von Zivilprozessen führt, und das erklärt ja die ganze Absurdität der Mietpreisbremse.
    Wenn der Gesetzgeber ein Gesetz erarbeitet, von dem von vornherein feststeht, dass es zu erheblichen Rechtsstreitigkeiten führt, dann riskieren Sie damit eine Gefährdung insgesamt des sozialen Friedens, den es ja weitestgehend zwischen Mietern und Vermietern gibt.
    Mehr Neubau" ist der beste Schutz vor steigenden Mieten
    Müller: Haben Sie, Herr Schick, das nie mitbekommen, wenn junge Mieter vor allem, egal wer, aber junge Mieter - nehmen wir das als Beispiel - sich auf den Weg machen, eine kleine Wohnung zu finden, vielleicht eine Studentenwohnung zu finden, die sich dann hinterher tatsächlich, wie Sie es sagen, an der Nase herumgeführt fühlen vom Vermieter?
    Schick: Die Frage ist doch, warum steigen die Mieten. Ich bin der Ansicht, die Mieten steigen deswegen, weil das Thema seit vielen Jahren von der Politik verschlafen worden ist. Die Experten haben seit Jahren davor gewarnt, dass es eng wird in den deutschen Großstädten, aber die Politik hat nichts getan. Jetzt soll Symbolpolitik helfen, jetzt sollen Vermieter und auch die Makler als Sündenböcke herhalten, aber das greift ja zu kurz.
    Meine Frage ist doch: Stellen Sie sich vor, wir haben jetzt diese Mietpreisregulierung, Vergleichsmiete plus zehn Prozent als Deckelung, und es bewerben sich jetzt zwei Interessenten, einmal ein freundliches Doppelverdiener-Ehepaar mit hohem Einkommen und eine sozialschwache Familie mit mehreren Kindern, die vielleicht auf Wohngeld angewiesen sind. Wer bekommt die Wohnung, selbst wenn die Miethöhe gedeckelt ist?
    Da können Sie dreimal raten: natürlich das gut verdienende Pärchen und nicht die Bedürftigen. Da machen Sie Geschenke jetzt in Zukunft an den ordentlich verdienenden Mittelstand, weil die in Zukunft weniger Miete zahlen müssen und stattdessen vielleicht einmal mehr in Urlaub fahren, und streuen denen, die echte Hilfe brauchen, Sand in die Augen.
    Wenn Sie denen helfen wollen, die schon heute Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu finden, dann brauchen Sie mehr Neubau. Das ist der beste Schutz vor steigenden Mieten.
    Müller: Sie sagen, im Grunde ist das FDP-Politik, Förderung der Besserverdienenden.
    Schick: Sie machen eine Subvention für den Mittelstand, denn denjenigen, die heute schon Schwierigkeiten haben, sich im Wohnungsmarkt zu versorgen, die kriegen ja in Zukunft erst recht keine Wohnung.
    Müller: Herr Schick, reden wir doch noch einmal über die Zahlen. Das Ministerium listet jedenfalls diese Zahlen auf. Münster plus 30 Prozent bei Neuverträgen, Regensburg 33 Prozent mehr, Hamburg und München 25 Prozent mehr, Berlin 19 Prozent, und dann, zugegeben ein Extrembeispiel, eine Zwei-Zimmer-Wohnung, Luxus in der Münchener Altstadt, 103 Quadratmeter, Kaltmiete 3390 Euro. Dazu kommen noch 8.000 Euro Maklerprovision. Münster, Hamburg, München, diese ganzen Beispiele, 20, 30, bis 40 Prozent in bestimmten Regionen, warum haben Sie dagegen nichts getan?
    Schick: Wer sollte dagegen was tun?
    Müller: Sie können ja auch dafür sorgen, dass alles zwar mit hartem Beton gebaut wird, aber fair gedealt wird.
    Schick: Na ja, um es wieder auf den Punkt zu bringen. Klar ärgert sich jeder, wenn die Mieten steigen. Aber welcher Teil der Miete ist es denn? Das Statistische Bundesamt - und das ist ja ungefährlich, jetzt irgendwie ideologisch verbrämt zu sein - hat ja gerade wieder vorgelegt, es sind vor allem die Betriebskosten und die Heizkosten, die extrem steigen.
    Die Netto-Kaltmieten sind weitestgehend unterhalb der Inflationsrate gestiegen. Aber die Betriebs- und die Heizkosten, die schießen durch die Decke, und da ist doch die Politik der Preistreiber. Die Energiekosten, Wasserpreise, Müllabfuhr, Grundsteuer, da dreht die Politik an der Preisschraube auf Kommunalebene, auf Landes- und auf Bundesebene, und jetzt rufen sie "haltet den Dieb". Ich glaube, da springt die Politik zu kurz.
    Politik hat Maßnahmen zur Beseitigung des Wohnungsmangels verschlafen
    Müller: Das stimmt wirklich, weil die Quadratmeterpreise - das sind ja nun die Kaltpreise, die Nettopreise - sind ja ähnlich in vielen Regionen hochgeschossen.
    Schick: Stimmt überall da, wo wir in den Innenstädten, in den Zentrumslagen, in den Universitätsstädten diese Verknappung haben, und deswegen ist hier meine Argumentation, die Politik hat dieses Thema über Jahre verschlafen. Wir hätten als Kommunen mehr Bauland ausweisen müssen. Man hätte den Neubau fördern müssen. In der letzten Legislaturperiode wurde eine steuerliche Förderung für den Neubau abgelehnt mit der Opposition im Bundesrat.
    Alle Maßnahmen, um diesen Wohnungsmangel auch politisch zu beseitigen, die wurden bisher verschlafen, und jetzt macht man Symbolpolitik.
    Es ist ja weitestgehend ein Etikettenschwindel
    Müller: Reden wir, Herr Schick, über dieses Bestellerprinzip. Da sagt der Justizminister, das gilt überall rechtlich in Deutschland, nur bei den Maklern noch nicht. Was ist dagegen einzuwenden, dass derjenige, der bestellt, auch bezahlt?
    Schick: So ist es ja nicht. Es ist ja weitestgehend ein Etikettenschwindel. Das Bestellerprinzip, wie es jetzt vorliegt, ist kein echtes, sondern wir sagen, ein falsches Bestellerprinzip. Derjenige, der die Maklerprovision bezahlt, der wird in Zukunft nicht derjenige sein, der den Makler beauftragt. Das Gesetz heißt, faktisch zahlt immer der Vermieter, weil quasi immer der Vermieter als Auftraggeber gilt. Das Wohnungssuchenden die Möglichkeit jetzt genommen wird, einen Makler mit der Wohnungsvermittlung zu beauftragen, das kann ja nicht im Sinne des Verbraucherschutzes sein.
    Ich will es Ihnen erklären an einem Beispiel. Wenn Sie beispielsweise von Berlin nach München umziehen und dort einen Makler beauftragen wollen, weil es schwierig ist, in München eine Wohnung zu finden - das weiß ja jeder , dann darf dieser Makler Ihnen keine Wohnung mehr aus seinem Repertoire anbieten.Er darf Ihnen keine Wohnung mehr zeigen, die er schon kennt.
    Dieser Makler kann praktisch nicht mehr für Sie aktiv werden, und da ist die mögliche Schadenfreude über den entgangenen Umsatz des Maklers wahrscheinlich ein schwacher Trost dafür, dass Sie als Mieter keine Wohnung finden.
    Müller: Aber jetzt sagt das Ministerium, das stimmt nicht, weil Makler A kann mit Makler B zusammenarbeiten, der dieses Repertoire hat, und dann kann dementsprechend verhandelt werden.
    Schick: Das wäre dann die Ebene des Gemeinschaftsgeschäftes. Aber die Tatsache ist doch: Wenn Sie heute von einer Stadt in die andere umziehen und eben nicht die Möglichkeit haben, an den so viel kritisierten Massenbesichtigungen teilzunehmen, sondern sich professioneller Hilfe bedienen wollen, lieber Makler in München, suche mir eine Wohnung, der kann in Zukunft nicht mehr für sie arbeiten.
    Müller: Die meisten suchen aber keine Wohnung mit einem Makler.
    Schick: Die meisten suchen eine Wohnung und das Problem ist, wenn sie nachher keine mehr finden, dann schadet das falsche Bestellerprinzip nicht nur Maklern, sondern auch vielen Mietern.
    Da wird Symbolpolitik gemacht
    Müller: Haben Sie damit wirtschaftlich-finanziell kein Problem, dass diejenigen - wir haben eben auch von sozialschwachen Familien gesprochen -, dass die bislang auch noch die Maklergebühren bezahlen müssen?
    Schick: Die Maklerprovision ist frei verhandelbar in Deutschland, und das ist in Märkten, wo es genügend Wohnungen gibt, so, dass der Vermieter die Provision bezahlt, und in engen Märkten ist es häufig so, dass die Mieter die Provision bezahlen. In einer Stadt wie in Hamburg oder in Berlin ist der Makleranteil bei der Vermietung von Wohnungen bei 40 bis 50 Prozent.
    Es gibt sehr wohl auch provisionsfreie Mietangebote. Aber die Tatsache ist doch, dass das eigentliche Problem das ist, dass es zu wenig Wohnungen gibt, und ich bin mir ziemlich sicher, wenn man eine ausreichende Vielzahl an Wohnungen hätte, dann hätten wir diese Diskussion überhaupt nicht.
    Da wird Symbolpolitik gemacht, da werden Sündenböcke konstruiert, und das sind jetzt sozusagen die Vermieter und die Makler.
    Müller: Es geht ja darum, über einen bestimmten Zeitraum - es ist ja noch nicht ganz klar definiert, wie lange das Ganze gehen soll - erst mal eine Drosselung herbeizuführen, bis sich die ganze Situation entspannt. Können Sie nicht dieses Zugeständnis machen und sagen, okay, wir machen das jetzt für vier, fünf Jahre, zehn Jahre mit, irgendwann wird sich die Situation vielleicht verbessert haben durch ein größeres Angebot?
    Preisregulierungen beseitigen nicht die Knappheit
    Schick: Da fragen wir die Politik natürlich, was unternehmt ihr denn eigentlich, um diese Mangellage zu beseitigen. Es wäre ja sicherlich sinnvoll, wenn man sich des Themas Förderung des Neubaus mal annehmen würde. Welche Maßnahmen machen denn jetzt Kommunen und Bundesländer und auch der Bund, um den Neubau anzukurbeln?
    Darüber steht in dem Gesetzentwurf nichts. Preisregulierungen beseitigen nicht die Knappheit, sondern verstärken sie. Jetzt müssten wir die Politik eigentlich fragen, was unternehmt ihr denn dagegen, dass es zu wenig Wohnungen gibt, wie stimuliert ihr denn diesen Markt.
    Müller: Sie brauchen nur Bauland und keine staatlichen Investitionen?
    Schick: Ich glaube, wir brauchen vor allem eines nicht, und das ist eine Regulierungswut, wo wir glauben, dass wir von Amtswegen eine zulässige Miethöhe konstruieren, die dann so streitig sein wird, dass sich Mieter und Vermieter weitestgehend vor den Zivilgerichten treffen. Ich glaube, da legen wir die Axt an ein hohes Gut, und das ist sozialer Frieden, den wir in 98 Prozent der Mietverhältnisse haben.
    Müller: Aber staatliche Subventionen würden Sie schon auch annehmen?
    Schick: Das hat die alte Bundesregierung sogar gefordert und hat gesagt, beim energetischen Umbau beispielsweise, bei der Sanierung, auch in der energetischen Ertüchtigung unserer Wohnungsbestände, wird das nur funktionieren, um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen, wenn es dafür auch eine steuerliche Förderung gibt.
    Müller: Da ist das Geld vom Staat, von der Öffentlichkeit dann recht?
    Schick: Das ist doch ein Politikkonflikt, den die Politik da selbst hat. Auf der einen Seite möchte sie die Mieten klein halten, auf der anderen Seite zieht sie die energetischen Standards nach oben. Und wenn das Bauen teurer wird für denjenigen, der ein neues Gebäude errichtet, weil die Klimaschutzziele neue Standards erfordern, dieses Problem kann man doch nicht einseitig auf den Schultern von Mietern und Vermietern ablegen, sondern dann muss die Politik schon sagen, wie sie, wenn sie die Standards nach oben hebt, sich daran auch beteiligen will.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Jürgen Michael Schick, Vizepräsident des Immobilienverbandes Deutschland. Danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Schick: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.