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Migranten-Ausbildung
Zwischen Frust und Familiengefühl

Über 500 ausländische Jugendliche werden 2014 Praktika in Mecklenburg-Vorpommern machen und zum Altenpfleger, Elektriker oder zur Hotelfachfrau ausgebildet. Die geförderte Ausbildung gehört zum Programm "MobiPro-Eu" des Bundesarbeitsministeriums – doch bei der Betreuung gibt es erhebliche Unterschiede.

Von Peter Marx | 06.03.2014
    Drei junge Spanier sitzen in einem Konferenzraum an einem Tisch
    Drei Spanier, die in Deutschland ihr Glück versuchen (picture alliance / dpa / Marc Tirl)
    "Drei Duschen für 40 Leute für 360 Euro für jeden. Für ein Vierer- oder Sechserzimmer. Die Leute hier haben keine Lust mehr auf das, was hier passiert. Das ist nicht normal."
    Der Ärger des spanischen Jugendlichen ist berechtigt. Das Ausbildungsgelände der Hanseatischen Weiterbildungsgemeinschaft Rostock – kurz HWBR – wirkt auf den ersten Blick wie eine unaufgeräumte Baustelle. Im Hauptgebäude wohnen die Jugendlichen in Vierer- und Sechserzimmern, im Nebengebäude, einer halbfertigen Baracke, arbeiten noch Handwerker. Auch hier sind zehn junge Frauen und Männer untergebracht. Es gibt eine einzelne Toilette und keine Küche. Einer der spanischen Praktikanten:
    "Wir haben wenig Platz. Es ist kalt. Wir bekommen Rechnungen. Das war 362 Euro. Das ist Business HBWR."
    362 Euro muss jeder Jugendliche pro Schlafplatz an den Bildungsträger monatlich zahlen. Wenn nicht, fliegt er aus dem Programm, heißt es. Im Gegenzug organisiert die HWBR Praktikantenplätze zum Beispiel bei Hotels und Pflegeheimen. Wichtigste Aufgabe des Bildungsträgers sind die Intensiv-Deutsch-Sprachkurse. Dafür erhält der Träger pro Teilnehmer 2000 Euro aus dem Förderprogramm. Für den Geschäftsführer des gemeinnützigen Bildungsvereins Peter Petersen ist die Kritik völlig überzogen:
    "Wir haben nachweislich saubere Arbeit geleistet. Es sind ordentliche Zimmer, es ist eine ordentliche Ausbildung und die Erfolge zeigen, dass es funktioniert."
    Anzeige gegen Bildungsträger
    Nun nicht mehr. Denn die zuständige Arbeitsagentur hat den Bildungsträger angezeigt, wegen Missbrauchs staatlicher Fördermittel. Dirk Heinen von der Arbeitsagentur Schwerin spricht von schwarzen Schafen, die sich auf dem Markt tummeln. Er sorgt sich, dass ausländischen Eltern ihre Kinder nicht mehr nach Deutschland lassen.
    "Meine dringende Empfehlung ist hier, die Agentur einzuschalten und die Rekrutierung über die ZAV, also die zentrale Auslands- und Fachvermittlung. Da können wir Qualität auch gewährleisten und den engen Draht mit der Agentur für Arbeit zu pflegen."
    Das Förderprogramm sieht vor, das Jugendliche aus Ost – und Südeuropa in Deutschland eine Ausbildung erhalten und dazu beitragen, dass viele der offenen Lehrstellen im Bundesgebiet besetzt werden. Alleine in Mecklenburg-Vorpommern waren es im vergangenen Jahr rund 1300 offene Lehrstellen. Die Reaktionen der Lehrbetriebe beschreibt der Chef der Schweriner Arbeitsagentur Heinen mit "überdurchschnittlich gut."
    "Die Betriebe sagen, dass sie sehr hochmotivierte, engagierte junge Menschen gewonnen haben. Gerade in den Berufen, wo wir einen Mangel haben, also Hotel- und Gaststättengewerbe und der Altenpflege, fehlen uns ja deutsche Azubis und sie sind froh, dass sie die spanischen Azubis jetzt bekommen haben."
    Kritik gibt es lediglich an den mangelnden Deutsch-Kenntnissen der Auszubildenden. Dirk Heinen:
    "Und zwar ist es so, dass sie ja im Heimatland mit dem Start des Programms gerade mal 170 Unterrichtsstunden hatten. Und da hat das Ministerium mit einer Anpassung des Programms darauf reagiert und hat die Zahl der Unterrichtsstunden auf 400 erhöht."
    Mehr als nur Chefin
    Gertraud Cordes hat in ihrem Hotel Stellshagen fünf ausländische Lehrlinge aufgenommen, nachdem es keine deutschen Bewerber für die Lehrstellen gab. Und inzwischen hat sie sich daran gewöhnt, dass sie für diese jungen Menschen – vorzugsweise aus Spanien - mehr ist als nur eine Chefin.
    "Man hat ein bisschen Mutterfunktion, und sie sind auch viel häufiger bei mir, um nachzufragen, als die anderen Lehrlinge. Angefangen bei der Wohnungssuche, über den Kauf eines Autos oder auch einen Handyvertrag. Also da müssen sie überall dabei sein. Und wir haben zum Teil auch Schuhe gemeinsam ausgesucht und Läden gezeigt."