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Migration in die EU
Löcher im Türkei-Flüchtlingsdeal?

Nach Abschluss der türkisch-europäischen Flüchtlingsvereinbarung von 2016 kamen nur noch wenige Flüchtlinge über die Türkei in die EU. Doch das ändert sich gerade wieder. EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos schweigt über die Gründe - führt aber Gespräche mit türkischen und griechischen Ministern.

Von Karin Bensch | 17.05.2018
    Bild aus der Höhe auf das rote Motor-Schlauchboot, das den graubrauenen Fluss entlangfährt, der von Bäumen gesäumt ist.
    Mit Patrouillen und weiteren Maßnahmen soll die Türkei Flüchtlinge an der Weiterreise nach Europa hindern - so sieht es der EU-Türkei-Deal von 2016 vor. (AP / dpa / Ergin Yildiz)
    Seit gut zwei Jahren gibt sie nun schon – die Flüchtlingsvereinbarung zwischen der EU und der Türkei. Seitdem kommen kaum noch Flüchtlinge über die Türkei nach Griechenland. Seit einigen Monaten ist das allerdings anders. Wir sehen, dass vermehrt Migranten über die türkisch-griechische Landgrenze kommen, sagte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, der selbst Grieche ist.
    Seit März seien insgesamt knapp 15.500 Menschen gekommen. Das sind neunmal mehr als in den ersten vier Monaten des vergangenen Jahres. Warum kommen wieder mehr Menschen über die Türkei nach Griechenland? Funktioniert die EU-Türkei-Vereinbarung nicht mehr? Die Vereinbarung funktioniert, sagte Avramopoulos, der ein wenig nach Worten suchen musste.
    Die Lage sei unter Kontrolle, sagt der EU-Kommissar
    Wie der Anstieg zu erklären ist, sagte der Migrationskommissar nicht. Nur so viel: Die Situation sei unter Kontrolle. Der Anstieg sei handhabbar. Und dennoch ist Avramopoulos im Gespräch mit den zuständigen Ministern in Griechenland und in der Türkei. Ich ermutige und dränge sie enger zusammenzuarbeiten, um weiterhin positive Ergebnisse zu erzielen, sagte der Grieche.
    Die türkisch-europäischen Vereinbarungen in der Flüchtlingskrise als Grafik.
    Die türkisch-europäischen Vereinbarungen (picture-alliance / dpa-Grafik)
    Der Mann aus Athen ist besorgt über die Lage auf den griechischen Inseln. Avramopoulos kritisierte die langsamen Asylverfahren. Sie verhinderten, dass abgelehnte Asylbewerber schnell in die Türkei abgeschoben werden könnten. Diese Rückführung ist Teil der EU-Türkei-Vereinbarung. Dazu gehört auch, dass die Europäische Union die Türkei finanziell bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen unterstützt – mit insgesamt sechs Milliarden Euro. Die zweite Tranche in Höhe von drei Milliarden Euro ist gerade ausgezahlt worden, sagte Avramopoulos.
    Mehrere Länder verzeichnen Anstieg der Zahl der Migranten
    Doch nicht nur über die türkisch-griechische Grenze kommen derzeit wieder etwas mehr Migranten. Auch die Westbalkanländer Albanien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina sowie Spanien verzeichnen einen leichten Anstieg. Nur über die zentrale Mittelmeerroute, die von Libyen nach Italien führt, kommen weniger Flüchtlinge. Das hat vor allem mit der Zusammenarbeit der EU mit libyschen Küstenwächtern zu tun, die Flüchtlingsboote kurz nach dem Start an der nordafrikanischen Küste einfangen und zurück nach an Land bringen.
    Doch es soll nicht nur ums Zurückhalten gehen, sondern auch ums Aufnehmen. Die 28 EU-Länder haben insgesamt 50.000 Plätze für Schutzbedürftige angeboten, die aus Flüchtlingslagern in Nordafrika direkt nach Europa geholt werden. Zudem wurden mithilfe der Europäischen Union gut eintausend Geflüchtete aus Libyen in das Nachbarland Niger evakuiert. Kritiker meinen, dass das viel zu wenige Menschen seien. Und das keine echte Flüchtlingshilfe sei, sondern eher ein Trostpflästerchen.