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Mikrobiologie
Darmbakterien produzieren Strom

Bakterien sind wahre Wunderwerke der Evolution. Sie können in heißen Quellen überleben oder in tiefgefrorenen Böden und verdauen Metalle. Jetzt haben schwedische Forscher herausgefunden, dass sie sogar Elektronen untereinander austauschen können.

Von Christine Westerhaus | 30.10.2018
    Bakterien der Art Enterococcus faecalis können freie Elektronen untereinander austauschen
    Bakterien der Art Enterococcus faecalis können freie Elektronen untereinander austauschen (imago stock&people)
    "Enterococcus faecalis" hat sich bisher eher als Krankheitserreger einen Namen gemacht. Gelangt es in die Harnwege, kann das Darmbakterium dort hartnäckige Entzündungen auslösen. Vielleicht bekommt Enterococcus faecalis jetzt aber die Chance, sich nützlich zu machen. Denn Lars Hederstedt und seine Kollegen von der Lund Universität haben beobachtet, dass die Mikrobe Strom produzieren kann.
    "Unser Experiment hat gezeigt, dass diese Bakterien freie Elektronen produzieren, die wir an einer Elektrode auffangen können. Zuerst hat es uns überrascht, dass auch sehr gewöhnliche Bakterien so etwas können. Aber es ist eine dieser Beobachtungen, bei der man hinterher denkt: Eigentlich ist es merkwürdig, dass wir das nicht schon vorher bemerkt haben."
    Die Fähigkeit, Elektronen zu produzieren, ist in der Biosphäre weit verbreitet. Sie entstehen zum Beispiel, wenn Bakterien Zuckermoleküle spalten. Normalerweise liefern sie Energie. Doch bei Bakterien können die Elektronen offenbar auch ausgeschieden und dann von benachbarten Zellen genutzt werden. So wie bei Enterococcus faecalis, dem Darmbakterium, das Lars Hederstedt und seine Kollegen untersucht haben.
    Zellen tauschen Energie aus
    "Wir wissen, dass viele Bakterien zusammenarbeiten und die freien Elektronen sind gewissermaßen der Brennstoff, den die Zellen gemeinsam nutzen. Also ähnlich wie bei einer Batterie: Ein Bakterium gibt Elektronen ab, die es selber nicht braucht. Das andere Bakterium nimmt diese Energie auf und produziert damit Substanzen, die dann beide für ihren Stoffwechsel nutzen."
    Diese Form von Teamarbeit haben beispielsweise Flechten perfektioniert, die oft auf Bäumen oder Steinen wachsen. Diese Organismen sind eine Symbiose aus Bakterien und Pilzen. Die Bakterien fangen das Sonnenlicht ein und verwandeln es in Zellenergie, die Pilze liefern organisches Material. Lars Hederstedt geht davon aus, dass die beiden Partner bei ihrem Stoffwechsel ebenfalls freie Elektronen untereinander austauschen. Zwar hat er dieses Phänomen bisher nur bei Darmbakterien beobachtet. Doch er vermutet, dass sehr viele Bakterien freie Elektronen abgeben, um dafür im Austausch von benachbarten Mikroben Stoffwechselprodukte zu bekommen.
    "Wenn man es erstmal beobachtet, ist es eigentlich gar nicht überraschend, dass Bakterien freie Elektronen austauschen können. Und man kann spekulieren, ob die Bakterien in unserem Darm nicht auch Elektronen direkt an unsere Zellen weitergeben. Und umgekehrt. Unmöglich ist das nicht, schließlich teilen auch wir den Stoffwechsel mit unseren Bakterien und sie produzieren wichtige Vitamine, ohne die wir nicht leben können."
    Ob es tatsächlich in unserem Darm funkt, wollen die schwedischen Forscher nun genauer untersuchen. Schon jetzt haben sie aber auch Pläne, Bakterien außerhalb des menschlichen Körpers arbeiten zu lassen: Sie sollen Essensreste in erneuerbare Energie verwandeln.
    Bakterien könnten Strom produzieren
    "Auf Mülldeponien gibt es jede Menge Bakterien, die Abfall abbauen. Und wenn man die Elektronen, die Mikroben bei der Verdauung produzieren, an eine Elektrode weiterleiten würde, könnte man dabei elektrischen Strom produzieren. Es gibt ja schon Biogasanlagen, in denen Bakterien genutzt werden, um Methan aus Abfall zu produzieren. Aber das Methangas muss dann ja auch wieder umgewandelt werden, um elektrischen Strom zu bekommen. Wenn die Bakterien den Strom direkt produzieren, spart man sich diesen Schritt."
    Dass solche Ideen nicht ganz aus der Luft gegriffen sind, haben andere Forscher bereits gezeigt: Ihnen ist es gelungen, Pflanzen so umzurüsten, dass diese Sonnenlicht direkt in elektrischen Strom verwandeln