Mikrokosmos

Angst essen Seele auf. Fassbinder in Warschau

Eine Protestaktion von Hardcore-Gläubigen, die gegen die Inszenierung "Der Fluch" am Powszechny-Theater in Warschau, Polen am 27. Mai 2017 protestieren
Eine Protestaktion von Hardcore-Gläubigen, die gegen die Inszenierung "Der Fluch" am Powszechny-Theater in Warschau, Polen am 27. Mai 2017 protestieren © imago / ZUMA Press
Von Johanna Rubinroth  · 16.03.2018
Polnische Theatermacher setzen sich mit kontroversen Stücken gegen die zunehmende Einengung des kulturellen Klimas zur Wehr. Für sie ist es zu einer Mission geworden, über unangenehme Dinge zu sprechen. Auch wenn sie damit ihre Karriere in Gefahr bringen. Ein Besuch am Teatr Powszechny in Warschau.
Das Theater "Teatr Powszechny" nimmt seinen Slogan "Das Theater, das sich einmischt" ernst: Mit den Themen seiner Stücke bricht es Tabus, bringt Unbequemes auf die Bühne. Letztes Jahr machte das Theater Schlagzeilen, als hier das Stück "Der Fluch" aufgeführt wurde - es kam zu gewaltsamen Protesten aufgebrachter Katholiken. In den Theatern Polens wird der Kulturkampf zwischen Liberalen und konservativen Anhängern der PiS-Regierung ausgetragen.
Die 30-jährige Regisseurin Agnieszka Jakimiak hat eine Adaption von Fassbinders "Angst essen Seele auf" inszeniert. Warum ausgerechnet dieses Stück, das beispielhaft den Umgang mit marokkanischen Gastarbeitern, also den heutigen Flüchtlingen, behandelt - während es in Polen keine Flüchtlinge gibt? Jakimiaks Anliegen war es, die polnische Xenophobie, die nationalistische Stimmung im Land zu thematisieren, aber auch zu betonen, dass Polen, indem es keine Asylsuchende aufnimmt, einen großen wirtschaftlichen Fehler begeht. Auch ein Sujet, das in Polen nicht gern gesehen wird.
Es drohen Haftstrafen
Während in anderen Theatern - in Breslau oder Kraukau z.B. - unbequeme Intendanten von der Regierung ausgetauscht und Fördergelder gestrichen wurden, wird das "Teatr Powszechny" von der links-liberalen Warschauer Bürgermeisterin geschützt.
Aber was werden die kommunalen Wahlen Ende des Jahres bringen, die für die Zukunft dieser Bühne so entscheidend sind? In dieses Theater kommen die Menschen nicht nur, um sich unterhalten lassen, es zieht ein Publikum an, das um die Werte von Demokratie und Meinungsfreiheit bangt, Menschen mit einer kritischen Haltung zur polnischen Regierung.
Und manchmal eben auch ihre Gegner: Vor kurzem gab es hier einen Buttersäure-Anschlag. Das Theater musste geschlossen werden. Deswegen gibt es nun vor jeder Vorstellung strenge Einlasskontrollen.
Eine Mission, über unbequeme Dinge zu sprechen
Für die Schauspieler ist die Arbeit an diesem Theater mehr als ein Beruf. Es ist zu ihrer Mission geworden, über unbequeme Dinge zu sprechen, ein Zeichen zu setzen. Gleichzeitig herrscht Angst. Was darf man noch sagen, was nicht? Die Schauspielerin Karolina Adamczyk kann mit ihrer Familie nicht über das Stück "Der Fluch" sprechen - das Thema ist zu emotional besetzt. Inzwischen ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft wegen der "Verletzung religiöser Gefühle". Es drohen Haftstrafen.
Eine Frage der Ideologie
Zu Castings des staatlichen Fernsehens geht Karolina längst nicht mehr, es sei sinnlos. Die Darstellerinnen und Darsteller aus "Der Fluch" hätten keine Chance auf eine gut bezahlte Rolle. Der Schauspieler "Julek", Julian Świeżewski, hat im "Fluch" nicht mitgespielt. Dennoch meidet auch er diese Castings - inzwischen sei es eine Frage der Ideologie, mit wem man zusammenarbeite, sagt er.
Während die liberalen Theatermacher weitere Restriktionen durch das Kulturministerium fürchten, weist das polnische Vize-Kulturministerin Wanda Zwinogrodzka im Mikrokosmos-Gespräch selbst alle Verantwortung von sich: Man werde missverstanden, vor allem von den westlichen Medien.
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