Mikrokosmos

Meisterklassen

42:54 Minuten
Theater und Stand-up-Comedy: Bühnen-Projekt der Frauengruppe "Roar"
Theater und Stand-up-Comedy: Bühnen-Projekt der Frauengruppe "Roar" © Jana Mila Lippitz / Ruhrtriennale
Von Manuel Gogos · 03.11.2017
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Wie kommt ein Theaterprojekt auf die Bühne? Dlf-Reporter Manuel Gogos begleitet diesen Prozess am Beispiel eines jungen Theaterkollektivs aus Gießen. Dessen Konzept 'Amerika' überzeugte die Jury der Ruhrtriennale.
Wie finden junge Theaterkollektive zusammen, wie bringen sie ihre Stücke auf die Bühne? Kann man das lernen - Bühnenpräsenz und Geistesgegenwart?
In der "Meisterklasse" der Ruhrtriennale erhielten drei junge Theaterkollektive die Möglichkeit, ihre Projekte in knapp vier Wochen zur Bühnenreife zu bringen. Unterstützt wurden sie dabei von professionellen Dramaturgen. Veranstaltungsort der "Masterclass" war der Ringlokschuppen an der Ruhr, sein künstlerischer Leiter Matthias Frense führt den Reporter ein in diesen Theater- Mikrokosmos eines ehemaligen Lokschuppens. Wo früher die Lokomotiven eingefahren und ausgebessert wurden, sind heute drei unterschiedlich große Bühnen. Im Bühnenraum 3 nimmt der Reporter Einblick in die Probenarbeit des französischen Theater-Kollektivs "Full Frontal Theatre" mit seinem Bühnenprojekt "Metamorphosis": Ein Paar verschaltet seine Gehirne vermittels eines Chips mit dem Internet. Welche Effekte hat die Technik auf ihre Intimität?
Utopie oder Dystopie?
Im Gespräch zwischen dem französischen Regisseur Jérémy Ridel und dem Coach der Ruhrtriennale Vasco Boenisch stellt sich die Frage, ob die Zukunft eher einer Utopie gleicht, oder einer Dystopie.
"Feminismus und Fun"
Im Bühnen-Projekt der Frauengruppe "Roar" trifft die Szene des freien, performativen Theaters auf das in Deutschland noch recht jungen Format des Stand-Up-Comedians trifft. Anstoß zu dem Projekt über "Feminismus und Fun" war die Wahl Donald Trumps. Unter dem Motto "The Pussy graps Back" versucht die Truppe darum szenisch zu erforschen, wie eine spezifisch "weibliche Komik" performativ erzeugt werden kann.
Die Performance-Gruppe Amerika-Gruppe steigt tief ein in die Entertainment-Geschichte Amerikas aus Late-Night-Shows, evangelikalen Predigten, Wrestling. Die Popgeschichte wird zur Nummern-Revue und Warhols Diktum von den "15 Minutes of Fame" zum Versprechen an die Performer, endlich verstanden zu werden.
Improvisieren statt diskutieren
In der anschließenden Coaching-Runde wird durchsichtig: Es sind auch Machtspiele, die da hinter den Kulissen der Meisterklasse ablaufen. Der Coach Bastian Trost vom Performancekollektiv "Gob Squad" folgt einer "aufsuchenden Dramaturgie", in der die Position der Nachwuchskünstler herausgearbeitet und gestärkt werden soll. Statt lang zu diskutieren, lässt er die Spieler lieber improvisieren.
Improvisationstechniken kann man also tatsächlich coachen, genauso wie Bühnenpräsenz. Der Coach kann wirkungsmechanisch Tipps geben, wie Szenen dichter werden, wie sich der Rhythmus ändert, das Tempo. Eigentlich soll in einer Meisterklasse solches Erfahrungswissen weitergegeben werden. "Die Schüler von Maria Callas wollten singen lernen wie Maria Callas", meint Bastian Trost. Was aber, wenn die jungen Wilden lieber ihren eigenen Eingebungen folgen?
Die Meisterklasse als Karrieresprungbrett?
Die Meisterklasse als Karrieresprungbrett?© Jana Mila Lippitz / Ruhrtriennale
"Die Meisterklasse ist ja, ähnlich wie bei einem Casting, nichts anderes als ein Vorsprechen vor dem Kunstmarkt", meint Dominik Meder vom Amerika-Kollektiv.
Er glaubt nicht, dass die Meisterklasse der große Durchbruch ist für ihn. Aber vielleicht eine Stufe auf dem Weg, das Theaterspiel zu seinem Beruf zu machen. Natürlich ist die Meisterklasse als Karrieresprungbrett gedacht. Aber nach der Premiere bleiben die jungen Theaterkollektive doch weiter darauf angewiesen, "selber zu rödeln, zu rödeln und zu rödeln", muss Vasco Boenisch, der Organisator der Masterclass, am Ende zugestehen.
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