Mikrokosmos

"Shabab-Talk"

43:53 Minuten
DW-Sendung von Jaafar Abdul Karim
DW-Sendung von Jaafar Abdul Karim © Deutschlandradio / Johannes Nichelmann
Von Johannes Nichelmann · 06.10.2017
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Im Nahen Osten sind 60 Prozent der Menschen unter 25 Jahre alt. "Shabab" heißt "Jugend", "Shabab Talk" die Sendung des 35-Jährigen Jafaar Abdul Karim, die regelmäßig im Programm des Auslandssenders "Deutsche Welle" ausgestrahlt wird und ein Millionenpublikum erreicht. Zu Gast sind Politikerinnen und Politiker und vor allem: die junge Zielgruppe selbst.
Jaafar Abdul Karim begrüßt die Zuschauer seines "Shabab-Talks" im Berliner Studio der Deutschen Welle. An dem L-förmigen Tisch haben sich um den Moderator fünf verschiedene Gäste versammelt. Es geht darum, ob und wie der Einzug der AfD die Muslime in Deutschland beschäftigt. Es diskutieren zwei Nachwuchspolitiker mit Migrationshintergrund von SPD und Grünen, eine Aktivistin mit tunesischen Wurzeln, eine Erstwählerin und ein 21-Jähriger Nachwuchspolitiker der AfD: eine emotionale Debatte.
Es geht um Aussagen, die während des Bundestagswahlkampfes von AfD-Spitzendkandidaten getätigt wurden, um Kopftücher und um die Furcht, die vor allem Menschen mit Migrationshintergrund im Bezug auf die neue Partei im Bundestag haben. Eine Stunde lang dauert die Diskussion, die in arabischer Sprache geführt wird. Der AfD-Politiker wird von einem Simultanübersetzer begleitet. Deutschsprachige Untertitel gibt es nicht, obwohl das Thema und die Auswahl der Gäste auch für Menschen interessant sein könnte, die nicht Arabisch sprechen.
DW-Sendung von Jaafar Abdul Karim
DW-Sendung von Jaafar Abdul Karim© Deutschlandradio / Johannes Nichelmann
Das Publikum lebt in der gesamten arabischen Welt – in Ägypten, im Jemen, im Sudan. Junge Menschen erhalten hier ein Forum. Es geht nur selten um deutsche Innenpolitik. Ob das Referendum im Nordirak, Polygamie oder Religion – das Angebot der Redaktion von "Shabab-Talk" ist breit gefächert.
Viele Geflüchtete schauen ebenfalls Shabab-Talk
Redaktionsleiter und Moderator Jaafar Abdul Karim ist stolz darauf, dass sich in seiner Sendung auch hin und wieder arabische Spitzenpolitiker in der ungewohnten Situation wiederfinden, jungen Menschen zuhören und sich überdies mit deren Fragen und Kritik öffentlich auseinandersetzen müssen: "Sehr viele Themen, die wir ansprechen, sind für Samira im Jemen oder Mohammed in Jordanien oder Sami im Libanon wirklich eine Entdeckungsreise. Eine Möglichkeit, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die man vor Ort nicht so offen, direkt sachlich, aber auch manchmal emotional diskutiert."
Auch viele Geflüchtete in Deutschland haben das Format für sich entdeckt. So wie der 27-Jährige Ghaleb aus Damaskus. Über die Balkanroute ist er vor zwei Jahren nach Berlin gekommen. Er beendet gerade seine Ausbildung zum Apotheker und kritisiert, dass in den deutschen Medien selten mit, sondern fast nur über Geflüchtete gesprochen wird. Bei Jaafar sei dies anders.
Jaafar Abdul Karim von der Deutschen Welle
Jaafar Abdul Karim von der Deutschen Welle im Interview© Deutschlandradio / Johannes Nichelmann
In den Berliner Redaktionsräumen des "Shabab-Talk" hängen unzählige Fotos, Zeitungsartikel und Plakate mit dem Gesicht von Jaafar Abdul Karim. Er ist im Libanon und in der Schweiz aufgewachsen. Nach Deutschland kam er für sein Studium an der TU Dresden. Der Journalist ist zur Marke und zum Aushängeschild für die Deutsche Welle geworden. Kürzlich ist er mit seinem Team aus dem Sudan zurückgekehrt. Die Leute, erzählt er, haben ihn dort auf der Straße erkannt. Auf Facebook hat er ein Bild gepostet, auf dem er vor einer großen Plakatwand steht, auf der er selbst abgebildet ist. Ein sei ein gutes Gefühl für ihn zu merken, dass sein Format etwas bewirken kann, meint Abdul Karim.
Community Management im Netz
Ein Grund, warum die Sendung seine Zuschauerinnen und Zuschauer erreicht, ist dass sie ständig Content des "Shabab-Talks" erwarten dürfen. Auf Facebook postet die Redaktion jeden Tag Fotos und Videos: Ausschnitte aus der Sendung oder eigens produzierte Clips, in denen Jaafar Menschen interviewt - in Deutschland oder in der arabischen Welt. Die Facebook-Seite zur Sendung ist erst im Februar online gegangen und hat inzwischen über 600.000 Follower. Fast 100 Millionen Mal wurden die Videos angesehen.
Im Studio tobt jetzt die Debatte um den Aufstieg der Rechtspopulisten und die Ängste muslimischer Menschen. Alles auf Arabisch. Jaafar erhält vom Aufnahmeleiter das Zeichen, dass er die Sendung in einer Minute beenden muss. Damit ist die Arbeit noch nicht getan: Auf das Team warten noch drei bis vier Stunden Community-Management im Netz. Am nächsten Morgen geht es weiter, mit dem Flieger in den Nordirak, für die kommende Sendung. Thema: das Referendum der Kurden.
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