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Unterm Hammer

800 Objekte "Dekorative Kunst" kommen im Kölner Auktionshaus Van Ham unter den Hammer
800 Objekte "Dekorative Kunst" kommen im Kölner Auktionshaus Van Ham unter den Hammer © Deutschlandradio / Manuel Gogos
Von Manuel Gogos · 23.03.2018
Kunst wird immer teurer, die Preise explodieren! Diesen Eindruck vermitteln Sensationsmeldungen über Versteigerungsrekorde. Doch das Tagesgeschäft eines Auktionshauses sieht anders aus. Zum Beispiel im Kölner Traditionshaus Van Ham, wo bei einer Auktion 800 Objekte im Minutentakt unter den Hammer kommen.
2015 war Picassos "Les femmes d'Alger" mit 180 Millionen Dollar noch das teuerste Gemälde der Welt. 2017 brachte da Vincis "Salvator Mundi´" bei Christie's in New York sogar 450 Millionen Dollar ein.
Das Tagesgeschäft eines Auktionshauses ist das nicht. Das beobachtet der Reporter im Kölner Traditionshaus Van Ham, wo bei einer zweitägigen Auktion 800 Objekte "Dekorative Kunst" im Minutentakt unter den Hammer kommen.
Sie hat den Charakter einer Ausstellung und soll "Appetit machen", sagt Herr Bouvier, Sachverständiger im Bereich Europäisches Kunstgewerbe, also: die Kauflust der Sammler reizen, und weist auf eine Figurengruppe aus Nymphenburger Porzellan. Ein "galantes Paar" aus dem 18. Jahrhundert, gefertigt nach einem Modell von Bostelli, einem der bedeutendsten Modelleure in der Nymphenburger Manufaktur. Daneben zwei großen Terrinen in Form von Truthähnen, dazwischen liegende Löwen. Uhren, geschliffenes Glas, Tiffany-Lampen. Anders als im Museum dürfen die Interessenten die ausgestellten Objekte – unter Aufsicht – in die Hand nehmen.
Sammelleidenschaft
Im Kölner Auktionshaus Van Ham
Im Kölner Auktionshaus Van Ham© Deutschlandradio / Manuel Gogos
Und was treibt die Sammler? Man muss es wohl Leidenschaft nennen: "Was mich interessiert – Napoleon! Ich fahr öfter mit Napoleon-Freunden nach Paris. Ich bin jetzt 73, geschieden, keine Kinder. Das heißt, ich muss jetzt eher verkaufen als kaufen. Aber dann komm ich und guck mir ganz bestimmte Sachen an. Das ganze Haus habe ich voll mit alten Klamotten, fürchterlich! Im Esszimmer: Napoleon. Napoleon. Napoleon. Ich hab 20.000 Bücher, davon viele Vollleder, hinten schön vergoldet. Ich darf nicht sagen wo, sonst wird da noch eingebrochen. Ich fahr auch nicht in Urlaub, ich kann da nicht weg. Ja, aber ich hab viel zu viel gekauft. Und trotzdem kauf ich noch was. Gucken Sie sich doch den alten Fritz da mal an, der ist doch wunderschön! Für 800 bis 1000 wär das ok!"
Die Auktion
Tag 1: Markus Eisenbeis ruft das erste Objekt auf, es steht im Katalog und wird an die Wand projiziert. In seiner blauen Krawatte spiegeln sich die Opal- und Aquamarin-Töne des zu versteigernden Colliers. Eisenbeis' Mutter, Carola Van Ham, hat 1959 das Geschäft gegründet, als erste Auktionatorin in Europa. In den 1990er Jahren hat der Sohn den Betrieb übernommen.
Auktionator Markus Eisenbeis regiert mit dem Hämmerchen aus Ebenholz, das früher einmal seiner Mutter gehörte, den Auktionssaal im Kölner Auktionshaus Van Ham
Auktionator Markus Eisenbeis regiert mit dem Hämmerchen aus Ebenholz, das früher einmal seiner Mutter gehörte, den Auktionssaal im Kölner Auktionshaus Van Ham© Deutschlandradio / Manuel Gogos
"Mein erster Millionenzuschlag war ein Orientalist, Gustav Bauernfeind, wir hatten ein Hauptwerk in der Auktion, eine Hafenansicht Jaffas, 2 Meter breit, spektakulär. Das war richtig in eine Wand eingelassen, aus der wir das erst mal ausbauen mussten. Das war in Köln. Das war die perfekte Geschichte, das Hauptwerk, es galt als verschollen, und das hat am Ende, wir hatten es mit 600.000 angesetzt. Es hat den damals spektakulären Zuschlag von 1,5 Millionen DM gebracht." Das Werk ist in einem US-amerikanischen Museum gelandet.
Highlights
Das Highlight der aktuellen Auktion im Kölner Auktionshaus Van Ham ist ein Korkmodell des Kolosseums in Rom. Der italienische Phelloplastiker Luigi Carotti, hat es im 19. Jahrhundert gefertigt
Das Highlight der aktuellen Auktion im Kölner Auktionshaus Van Ham ist ein Korkmodell des Kolosseums in Rom. Der italienische Phelloplastiker Luigi Carotti, hat es im 19. Jahrhundert gefertigt© Deutschlandradio / Manuel Gogos
Ein privater Sammler aus Düsseldorf hat es eingeliefert. Es wurde von Van-Ham-Experten eingehend untersucht, auf Zustand und Provenienz.
Am 2. Tag wird es für 4000 Euro ausgerufen -- und geht für 38.000 Euro an einen Privatmann nach Kalifornien.
Auch wenn der Saal bei Auktionen immer gut gefüllt ist von Bietern und Neugierigen, es immer auch Telefonbieter gibt – das Internet hat bei Van Ham den Kreis der Mitbieter erheblich erweitert. Van Ham sieht sich durchaus in Konkurrenz zu den großen Auktionshäusern der Welt.
Der Kunstmarktexperte Dirk Boll versucht im Gespräch mit dem Autor eine kleine Kulturgeschichte der Kunstauktion: Während Auktionen schon in der römischen Antike bekannt waren, gelang es erst James Christie, dem Gründer des heutigen Unternehmens in der Mitte des 18. Jahrhunderts, die Kunstauktion in eine Art gesellschaftliches Ereignis zu stilisieren. Die Auktionshäuser wurden seither zu eleganten Ausstellungsräumen, mondänen Adressen. Für die aufsehenerregenden Aktionen gibt es heute Starauktionatoren, wie den Finnen Jussi Pylkkanen - der zuletzt die "Hammerpreise" für einen Picasso und den Da Vinci zugeschlagen hat.
Dirk Boll: "Neue Rekorde, das ist es, was die Öffentlichkeit interessiert: Das sind Wasserstandmeldungen des Marktes. Aber es geht auch darum, sich an der Höhe der Preis zu berauschen."
Bei solchen Preisen kann kein öffentlich finanziertes Museum der Welt mehr mithalten. Und so werden Auktionen oft kritisiert als Veranstaltungen, die Preise in die Höhe treiben und dafür sorgen, dass Kunst in privater Hand verschwindet.
Letztlich ist auch das traditionsreichste Auktionshaus vor allem ein Geschäftshaus.
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