Mikrokosmos

Work Hard! Play Hard!

43:48 Minuten
Die schottische Künstlerin Cara Tolmie bei einer Performance auf dem Work Hard! Play Hard-Festival in Minsk 2018
Cara Tolmie aus Schottland gibt nicht nur Workshops, sondern performt auch selbst © Nicolay Spesivtsev
Von Judith Geffert · 17.08.2018
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Wo fängt Arbeit an, wo hört Freizeit auf? Fernab von etablierten Institutionen haben sich junge Künstler*innen mit dieser Frage auseinandergesetzt. Entstanden sind Performances und Diskussionen im halböffentlichen Raum. "Work Hard! Play Hard!", so nennt sich das Treffen im weißrussischen Minsk.
Ein heller Raum in der Nationalbibliothek von Belarus. Etwa 30 junge Menschen sitzen auf Sesseln im Kreis und hören der Rapperin Princess Nokia zu, deren Lied "Receipts" aus dem Lautsprecher kommt. Im Anschluss diskutieren sie darüber, inwiefern beim Hören sofort Geschlechterstereotypen mitgedacht werden. Klingt eine Frau, die rappt, männlich? Warum assoziieren wir Männlichkeit mit einer tiefen Stimme?
Teilnehmende des Workshops "Gender of Sound"
Teilnehmende des Workshops "Gender of Sound"© Nicolay Spesivtsev
Die Diskussionsveranstaltung "Gender of Sound", geleitet von der Schottin Cara Tolmie, findet im Rahmen des Kunsttreffens "Work Hard! Play Hard!" statt. Eine Woche lang erkunden die Teilnehmenden Minsk, ziehen von Bar zu Atelier zu Tanzstudio zu Bibliothek. Das Treffen soll den Austausch zwischen den jungen Menschen aus Belarus, Russland, der Ukraine und der Europäischen Union ermöglichen. Organisiert wird es von den vier Minsker*innen Olya Sosnovskaya, Aleksei Borisionok, Nikolay Spesivtsev und Dina Zhuk. Keine*r der vier wohnt mehr in Belarus, das Treffen ist daher nicht zuletzt eine Möglichkeit, für eine Woche zurück in ihre Heimatstadt zu kehren und dort gemeinsam Zeit zu verbringen.
Das Kollektiv als treibende Kraft
"Wir suchen nach Grauzonen, die wir ohne etablierte Institutionen bespielen können. Wir wollen Orte, die sonst für andere, nicht künstlerische Zwecke genutzt werden, neu durchdenken", erklärt Dina Zhuk das Konzept. Eine wichtige Rolle spielt für die Organisator*innen das Kollektiv. Eine flexible Gruppe, die sich vor allem aus Bekannten und Freund*innen zusammensetzt, die die vier in den letzten Jahren kennengelernt haben.
Kunst ohne Druck
Mit "Work Hard! Play Hard!" schaffen sie einen Rahmen, in dem jede*r der möchte ohne Druck und Bewertung seine Ideen und Projekte vorstellen kann. Die Hierarchien sind flach, eine aktive Teilnahme ist erwünscht. "Wir als Arbeitsgruppe schaffen nur das Substrat, aus dem dann etwas wachsen kann", sagt Nikolay Spesivtsev.
Die Veranstaltungen des Festivals "Work Hard! Play Hard!" finden auch an nicht-öffentlichen Orten statt
Die Veranstaltungen des Festivals "Work Hard! Play Hard!" finden auch an nicht-öffentlichen Orten statt© Nicolay Spesivtsev
Der Titel des Treffens verrät, dass bei Work Hard! Play Hard! auch über die ökonomischen und politischen Bedingungen von Kunstproduktion nachgedacht wird: Wie sind die Arbeitsbedingungen in der Kunstszene? Inwiefern gehört Prokrastination, also das Aufschieben von Arbeit, zum Produktivsein dazu?
Minsk ist der ideale Ort
Ausgangspunkt für die Überlegungen der Arbeitsgruppe war das vor etwa drei Jahren in Belarus verabschiedete "Dekret gegen das Sozialschmarotzertum". Es erlegt allen Arbeitslosen eine Sozialsteuer, als Abgabe an die Gesellschaft, auf. In Belarus vereine sich die sowjetisch-sozialistische mit der neoliberal-kapitalistischen Logik, meint Aleksei Borisionok - ein spannender Ort also, um sich mit Diskursen über Arbeit und Freizeit auseinanderzusetzen.
Junge Menschen tanzen in einem Technoclub, um ihre Beine windet sich rot-weißes Klebeband
Das Treffen Work Hard! Play Hard! soll nicht nur Arbeit sein, sondern auch Spaß machen© Nicolay Spesivtsev
Trotz des politischen Anspruchs ist Work Hard! Play Hard! ein Treffen, das vor allem Spaß machen soll. Hier werden philosophische Diskussionen mit Technomusik kombiniert. Und ein Aufenthalt im Kurhotel zur Kunst erhoben. Viele Teilnehmende sind schon zum dritten Mal dabei, andere sind zum ersten Mal nach Belarus gereist. Sie schätzen vor allem die ungezwungene Atmosphäre und den Austausch mit Menschen, die sich mit ähnlichen Themen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beschäftigen.
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