Wanderschutzhütten in Schottland

Working Party in den Highlands

44:06 Minuten
Schutzhütte in Schottland
In Schottland gibt es rund 100 Schutzhütten, die regelmäßig von Freiwilligen in Schuss gehalten werden © Deutschlandradio / Alexander Turner Photography
Von Étienne Roeder · 21.08.2020
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Ein Klo im Pferdestall, kein fließendes Wasser, kein Strom: Schottische Mountain Bothies sind keine Urlaubshäuschen, sondern karge Schutzhütten für Wanderer. Damit die alten Steinhäuser erhalten bleiben, kümmern sich Freiwillige um sie - ihre Arbeitseinsätze nennen sie Working Parties.
Über einhundert Mountain Bothies stehen in den schottischen Highlands. Das Wort bothy leitet sich ebenso wie viele Orts- und Landschaftsnamen vom Gälischen ab und bedeutet "kleine Hütte". Die Häuser zeugen von der wechselvollen Geschichte des Landes: Ursprünglich dienten sie Hirten, Jägern und einfachen Leuten als Unterkunft. Heute bieten sie Wanderern Schutz vor dem schottischen Regen.
Working Parties
Die Bothies werden regelmäßig von freiwilligen Helfern begutachtet und repariert. Sie organisieren sich in einem Verband, der Mountain Bothies Association, kurz MBA. Ihre Arbeitseinsätze nennen sie "Working Parties" - feiern beim Arbeiten, eine schöne Vorstellung. Einer der freiwilligen Helfer ist Robert Barton. Er organisiert Working Parties in den nordwestlichen Highlands und erzählt von den Ursprüngen der Freiwilligenarbeit:
"1965 trafen sich einige Wanderer und gründeten die Mountain Bothies Association. Die Idee hinter der Organisation war es, die alten Häuser mit der Erlaubnis der Besitzer instand zuhalten, damit Wanderer, Kanuten und Mountain Biker sie weiterhin nutzen konnten. Die Bothies kann also heute jeder nutzen. Du kannst sie nicht reservieren, du gehst einfach hin."
Fernab der Zivilisation
Die Bothy Glendhu am Fuße zweier Bergketten liegt am Ufer des Loch Glendhu, einem eiskalten Bergsee. Hier, abseits jeglicher Zivilisation, findet die diesjährige Working Party statt. Das Haus gehört dem Duke of Westminster, einem der reichsten Männer des Landes. Nur ein Trampelpfad führt dorthin und Essensvorräte und Arbeitsmaterialien müssen per Boot her gebracht werden.
Landschaft mit Bergen und See bei Bothy Glendhu in den schottischen Highlands
Bothy Glendhu liegt fernab der Zivilisation in den schottischen Highlands© Deutschlandradio / Alexander Turner Photography
Junge Leute helfen selten mit
Die meisten Freiwilligen sind pensioniert und kommen regelmäßig zu Working Parties. Liz engagiert seit 53 Jahren bei der MBA und ist mit Herzblut dabei:
"Hier her zu kommen erdet dich einfach und es ist schön, etwas zurückzugeben."
Auf die Frage, warum so wenig junge Leute bei der Working Party mithelfen, erwidert sie:
"Die jungen Leute arbeiten zu viel oder wandern lieber, als Freiwilligenarbeit zu leisten. Aber eigentlich wäre es wichtig, dass sie dazu kommen, wenn sie noch jung sind. Wir sind ja nicht mehr so lange dabei."
Querfeldein wandern
In Schottland müssen sich Wanderer nicht an vorgeschriebene Wege halten. Anders als in England oder Wales dürfen sie seit jeher überall quer feldein wandern und campen – auch auf Privatland. Seit 2003 ist das im schottischen Wegerecht, dem "right to roam", als Gesetz festgehalten. Die Schotten sind stolz auf diese Freiheit. Weil es kaum Land in staatlichem Besitz gibt, ist das Wegerecht aber auch eine Grundbedingung, um das Land durchwandern zu können.
Das Profil eines Mannes ist im Gegenlicht in einer Mountain Bothy zu sehen - einer Schutzhütte in den schottischen Highlands.
Obwohl es viel zu tun gibt, hat der Autor auch besinnliche Momente in der Mountain Bothy erlebt© Deutschlandradio / Alexander Turner Photography
Leider gibt es ein Müllproblem
Mit der Freiheit, Privatland betreten zu dürfen, ist aber auch Verantwortung verbunden. Müll ist ein großes Thema bei den passionierten Wanderern. Viele Besucher der Bothies halten sich nicht an den "Bothy Code". Der appelliert an die Vernunft der Wanderer und hält sie dazu an, den Ort so zu hinterlassen, wie sie ihn vorgefunden haben – sauber.
Und auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag, die Natur in den schottischen Highlands ist längst nicht mehr unberührt. Nicht weit von der Hütte liegt Dounreay, ein stillgelegter Atomreaktor, wo aufbereiteter Atommüll aus Deutschland darauf wartet, abtransportiert zu werden. Nach einem Unfall in den Siebzigerjahren werden am Strand vor dem Kraftwerk immer wieder radioaktive Partikel angespült. Auch das ist Gesprächsthema in einem stillen Moment.
Die Zusammenkunft hat sich auch dieses Mal wieder gelohnt: Am Ende der Working Party ist der Kamin repariert und das Dach erneuert. Wem allerdings die zweifelhafte Ehre zuteil wird den Eimer mit den gesammelten Exkrementen in ein zuvor gebuddeltes Erdloch zu entleeren, diese Frage ist bis zuletzt noch nicht geklärt.
Erstsendung 03.08.2018
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