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Mikroplastik auf der Straße
Oslo plant Schmelzanlage für winterliche Schneemassen

Massive Schneefälle stellen Kommunen vor große Herausforderungen: Wohin mit dem Schnee auf den Straßen? Seit ein paar Jahren ist auch ein anderes Problem offenbar geworden. Denn die Eismassen enthalten Mikroplastik, das von der Fahrbahn stammt. In Oslo reagiert man darauf jetzt mit einer neuen Lösung.

Von Christine Westerhaus | 21.01.2019
    Bild vom Meer aus auf den Hafen.
    Die Stadt Oslo möchte Schneemassen umweltfreundlich von den Straßen entsorgen (dpa)
    Allgemeines Schneechaos auf den Straßen, der Verkehr steht still und der Unterricht fällt aus, weil die Lehrer nicht zur Schule kommen. Was Süddeutschland und Österreich jetzt im Januar erlebt haben, kommt auch in Oslo regelmäßig vor. Im vorigen Jahr kam der Schnee auch dort in Massen. An einem einzigen Tag sind mehr als 800 Klagen von Anwohnern bei der Stadtverwaltung eingegangen, erinnert sich Joakim Hjertum, der die Abteilung für Straßenverwaltung bei der Stadt Oslo leitet.
    "Wir haben große Schneehaufen in Oslo und keiner will sie haben. Sie sehen hässlich aus, sind schmutzig und wir müssen Wege finden, sie umweltfreundlich zu entsorgen."
    Mikroplastik von der Fahrbahn landet im Schnee
    Denn in dem Schnee am Straßenrand sammeln sich neben dem Rollsplit, der Fußgängern Halt geben soll, auch Schadstoffe und der Abrieb von Autoreifen und Fahrbahnmarkierungen. Dieser wird als Mikroplastik eingestuft und darf deshalb nicht einfach mit dem Schnee in den Oslo-Fjord gekippt werden. Zwar gibt es bisher keine genauen Zahlen darüber, welche Mengen an Mikroplastik sich im Schnee ansammeln. Doch Sondre Meland von der Norwegischen Universität für Umwelt und Biowissenschaften in Oslo geht davon aus, dass der Straßenverkehr einen entscheidenden Beitrag zum Problem mit den winzigen Teilchen leistet.
    "Es gibt große Bedenken wegen des Mikroplastiks von Reifenabrieb und Fahrbahnmarkierungen auf Straßen. Nicht nur in Norwegen, in ganz Europa. Denn ein paar Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Teilchen ganz wesentlich zur Verschmutzung der umliegenden Gewässer und der Küsten und Meere beitragen."
    Kommunale Klärwerke sollen die Teilchen zurückhalten
    Auch deshalb will die Stadt Oslo nun eine Schmelzanlage bauen, um den Schnee mitsamt dem darin enthaltenen Mikroplastik aus der Stadt zu bekommen. Zwar werden nicht alle Straßen komplett geräumt, denn die meisten Norweger fahren mit sogenannten "dubbdäck" also Winterreifen mit kleinen Spikes im Gummi für einen besseren Halt im Schnee. Doch zumindest größere Straßen und Autobahnen sind schneefrei. Ursprünglich hatten Joakim Hjertum und seine Kollegen die Idee, die Schneeschmelzanlage im Inneren eines Bergs zu bauen, in dem auch Fernwärmeleitungen verlegt sind.
    "Der Plan war, eine Höhle in den Berg zu graben und den Schnee dort zu deponieren. Die Abwärme der Fernwärmeleitungen sollte den Schnee dann schmelzen."
    Doch es stellte sich heraus, dass ein solches kombiniertes System zu teuer ist. Deshalb sucht die Stadt Oslo nun nach Möglichkeiten, den Schnee in speziellen Anlagen zu schmelzen und anschließend in kommunalen Klärwerken von Mikroplastik zu reinigen. Beispielsweise in großen Sammelbecken, in dem die Teilchen auf den Boden sinken und dort entfernt werden. Ob und wie das funktionieren soll, ist bisher jedoch noch unklar, gibt Sondre Meland zu Bedenken.
    Auch Kitzbühel hatte Interesse an einer Schneeschmelzanlage
    "Die Mikroplastik-Teilchen von Autoreifenabrieb sind ziemlich klein. Die Frage ist also, wie gut sie sich mit Filtersystemen zurückhalten lassen. Theoretisch sind die Mikroplastikpartikel aber auch schwer genug, um in Schmelzwasserbecken auf den Boden zu sinken. Das heißt, man könnte mit Verfahren, die auf Sedimentation basieren, extrahieren. Die Frage ist allerdings, was mit noch kleineren Partikeln passiert. Dazu gibt es noch keine Untersuchungen, doch wir hoffen, dass wir bald mehr darüber in Erfahrung bringen können."
    Dass sich auch der Abrieb von Autoreifen und Fahrbahnmarkierungen in Flüssen und anderen Gewässern ansammelt und das Problem mit Mikroplastik im Meer verschärft, ist erst seit wenigen Jahren bekannt. Und erst seit kurzem wissen die Forscher, dass winzigste Plastikteilchen auch über Schnee und andere Niederschläge weite Strecken zurücklegen können.
    Technisch wäre ein solches System auch in anderen Ländern machbar: Im österreichischen Kitzbühel gab es nach dem Rekordwinter 2006 sogar konkrete Pläne, eine Schneeschmelzanlage zu bauen. Denn auch dort gibt es immer wieder Probleme mit der Entsorgung riesiger Schneemassen. Experten der TU Wien hatten den Planern zwar bescheinigt, dass der Bau einer solchen Anlage in Kitzbühel machbar ist. Aus Kostengründen wurde die Idee bislang aber nicht verwirklicht.