Donnerstag, 25. April 2024

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Mikroplastik im Boden
"Die Verunreinigung auf den Kontinenten ist noch nicht auskartiert"

Mikroplastik ist nicht nur für die Weltmeere ein Problem. Auch Böden und Sedimente könnten durch die Partikel belastet werden, konstatieren Forscher der FU Berlin. "Was sie dann für Effekte im Boden haben - das ist noch weitgehend unbekannt, aber interessiert uns momentan sehr", sagte der Biologe Matthias Rillig im Dlf.

Matthias Rillig im Gespräch mit Arndt Reuning | 07.02.2018
    Mikroplastik-Teilchen, die am 17.03.2015 am Ufer der Warnow in Rostock gefunden wurden, liegen am 09.02.2016 im Leibniz-Institut für Ostseeforschung (IOW) in Warnemünde (Mecklenburg-Vorpommern) auf Millimeterpapier.
    Mikroplastik-Teilchen in Gewässern sind ein bekanntes Phänomen - jetzt haben Forscher der FU Berlin herausgefunden, dass es auch an Land vorkommt und entsprechend starke Umweltauswirkungen haben könnte (Bernd Wüstneck / picture alliance / ZB)
    Arndt Reuning: Weltweit werden jährlich mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik produziert. Ein Großteil davon landet als Abfall in den Weltmeeren, wo es in kleine Teilchen zerfällt und eine Belastung darstellt für Fische, Vögel und andere Lebewesen. Aber sogenanntes Mikroplastik ist nicht nur ein Problem für die marine Umwelt. Auch an Land, in Böden und Sedimenten lassen sich die Partikel finden. Darauf weisen Forscher aus Berlin im Fachblatt "Global Change Biology" hin. Mit einem von ihnen habe ich vor der Sendung telefoniert, mit Prof. Matthias Rillig von der Freien Universität Berlin. Ich wollte von ihm wissen: Wie stark sind denn Böden mit den winzigen Plastikpartikeln belastet?
    Matthias Rillig: Das wüssten wir auch sehr gerne. Die Karte der Mikroplastikverunreinigung auf der Welt weist bislang die Kontinente quasi als weißen Fleck aus. Das heißt, über die Verunreinigung in den Meeren weiß man schon relativ gut Bescheid - diese Studien laufen auch schon relativ lang -, aber die Verunreinigung auf den Kontinenten ist noch nicht auskartiert. Das heißt, da gibt es nur sehr punktuelle Untersuchungen, und im Prinzip ist für keinen Boden bekannt, wie stark er tatsächlich mit Mikroplastikpartikeln belastet ist.
    Zwei Quellen für Plastik in der Natur
    Reuning: Woher stammen denn diese Mikroplastikteilchen eigentlich im Boden?
    Rillig: Prinzipiell gibt es zwei verschiedene Quellen für Mikroplastikpartikel: Also sie können einerseits aus Plastik, also Makroplastik, zerfallen sein in immer kleinere Bruchteile und die dann eben im Boden landen letzten Endes, zum Beispiel von einer weggeworfenen Plastiktüte oder einem Plastikbecher, und der zweite Weg ist, die sind zum Teil eben schon von der Industrie als Mikroplastik-Pellets produziert oder als solche eingesetzt, zum Beispiel in Kosmetikprodukten. Das heißt entweder, die sind schon als Mikroplastik hergestellt worden, oder durch Fragmentierung entsteht aus größeren Plastikpartikeln eben Mikroplastik.
    Reuning: Wenn wir von Mikroplastik im Wasser sprechen, dann geht es ja auch zum Beispiel um Textilfasern, die sich in der Waschmaschine aus den Textilien herauslösen und dann im Wasser schwimmen. Spielen diese Kunstfasern denn auch eine Rolle im Boden?
    Rillig: Das ist letzten Endes noch nicht zu hundert Prozent bekannt. Sie werden wahrscheinlich im Boden ankommen, also davon gehen wir aus. Also sie werden zum Beispiel bei Kläranlagen zurückgehalten, können aber dann auf landwirtschaftliche Felder ausgebracht werden.
    Plastik auch in der Pariser Luft
    Reuning: Mit dem Klärschlamm?
    Rillig: Mit dem Klärschlamm. Das heißt, wir gehen davon aus, dass die letzten Endes einfach auch im Boden landen. Auch zum Beispiel in der Luft sind die gemessen worden in manchen Städten. Es gibt da Daten von Paris: 300 Partikel pro Quadratmeter und Tag. Das heißt, wir gehen davon aus, dass auch diese Fasern, nicht nur sphärische Partikel, im Boden letzten Endes landen. Was die dann für Effekte im Boden haben, das ist noch weitgehend unbekannt, aber interessiert uns momentan sehr.
    Reuning: Welche Folgen könnten denn diese Partikel für die Umwelt haben? Was kann man sich da vorstellen?
    Rillig: Also die Partikel könnten aufgenommen werden von Bodenfauna, also von kleinen Tieren, zum Beispiel Mikroarthropoden und anderen, und könnten sich dann in der Nahrungskette im Boden, die die längste auf der Erde überhaupt ist, anreichern und letzten Endes dann natürlich auch in die oberirdische Nahrungskette gelangen, zum Beispiel, wenn ein Vogel einen Regenwurm frisst.
    Die Partikel könnten noch weiter zerfallen in noch kleinere Partikel, die dann Nanoplastik heißen. Das muss man sich vorstellen von der Größenordnung wie ein Bakterium oder ein Zehntelbakterium. Die haben dann wiederum völlig andere Eigenschaften, können zum Beispiel Membranen durchgehen, was für Mikroplastikpartikel nicht möglich ist.
    Mögliche Auswirkungen auf die Natur
    Reuning: Also Membranen von Zellen, von Körperzellen.
    Rillig: Genau. Also Membranen von Zellen, von allen möglichen Organismen, also auch zum Beispiel Bodenpilzen. Es könnten Konsequenzen auftreten auf die Mikrobiodiversität im Boden, die ja gewaltig ist. Also es könnten Pilzlebensgemeinschaften und Bakterienlebensgemeinschaften verändert werden. Und letzten Endes ist ein großes Problem, dass diese Partikel eben sehr schwer abgebaut werden. Dafür sind sie ja schließlich auch gemacht worden ursprünglich. Das heißt, sie haben eine gewisse Permanenz in der Umwelt, was die Vorhersagbarkeit schwierig gestaltet.
    Wir wissen aus unseren eigenen Studien, dass die auch im Boden nach unten transportiert werden durch verschiedene Organismen, zum Beispiel Regenwürmer, oder Mikroarthropoden werden diese im Boden verteilen, und unten im Boden erst mal angekommen, sind sie dann noch schwieriger umzusetzen von Mikroorganismen, einfach weil die mikrobielle Biomasse zum Beispiel im Boden wesentlich geringer ist mit zunehmender Tiefe. Das heißt, wir haben Permanenz und Verlagerung im Boden als Probleme.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.