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Milchschorf
Lästiges Hautekzem bei Kleinkindern

Viele Babys und Kleinkinder leiden unter sogenanntem Milchschorf. Der krustige Hautausschlag tritt meist an Kopf, Stirn, Augenbrauen oder Wangen auf. Über die Ursachen gibt es mehrere Theorien - vor allem Umwelteinflüsse und die genetische Disposition des Kindes können für den Ausbruch der Krankheit verantwortlich sein.

Von Mirko Smiljanic | 08.11.2016
    Ein Neugeborenes liegt auf einem männlichen Arm und schaut zur Kamera.
    Milchschorf tritt häufig bei Babys ab dem 3. oder 4. Lebensmonat auf. (Imago)
    Leverkusen, beim Kinderarzt Dr. Stephan von Landwüst. Diana Grass hat ihre zehn Monate alte Tochter Henrietta zu einer Routineuntersuchung in die Praxis gebracht. Das Mädchen leidet an Milchschorf, ein Problem, mit dem sich ihre Mutter seit Jahren auseinandersetzt.
    "Also, die große Schwester hat es auch noch mit dreieinhalb Jahren, den Milchschorf, ja, und die Kleine hat es seit kurz nach ihrem dritten Lebensmonat."
    Vorsichtig legt Stephan von Landwüst ein paar Haarsträhnen Henriettas zur Seite und zeigt auf die darunter liegende Haut.
    Nicht nur ein Säuglingsproblem
    "Auf ihrer behaarten Kopfhaut hat sie so ganz kleine, etwas harte Verkrustungen, das nennt man eben Milchschorf, weil es eben auch sehr ähnlich ist von verkrusteter Milch, die dann verbrannt ist im Topf, die man da vergessen hat, daher kommt der Name. Hat zum Glück nichts damit zu tun, dass Ihre Henrietta Milch nicht vertragen kann, und es ist auch so, was oft überraschend ist, dass wir sowas auch nicht nur jetzt bei ihr im Säuglingsalter so mit zehn Monaten sehen, sondern auch deutlich lange in die Kleinkinderzeit hinein."
    Milchschorf wird häufig verwechselt mit Kopfgneis, einer harmlosen Entzündung der Kopfhaut, die sich wenige Tage nach der Geburt ausbildet und von selbst nach drei bis vier Monaten verschwindet.
    "Kopfgneis, das sind so etwas fettigere, weiche Schuppen, und die sind bedingt durch eine vermehrte Talgproduktion, also so ein bisschen eine Fehlregulation, dass zu viele Hormone, Androgene, dann auch zu vermehrt Fett- und Talgproduktion führen."
    Und in zwei weiteren Punkten unterscheidet sich Milchschorf vom Kopfgneis: Milchschorf ist im Gegensatz zum Kopfgneis stark juckend und kann das Allgemeinempfinden des Kindes beeinträchtigen, außerdem betrifft es nicht nur die Kopfhaut.
    "Sie hat angefangen mit den Augenbrauen, ganz klassisch ist das, glaube ich, dass die Augenbrauen so ein bisschen befallen wurden, und dann hat es angefangen auf der Kopfhaut, und es war wirklich die komplette obere Haut bedeckt."
    Medizinisch ist Milchschorf ein atopisches Ekzem, so Privatdozent Dr. Joachim Eichhorn, Direktor der Klinik für Kinder und Jugendliche am Klinikum Leverkusen.
    Komplexe Ursachen
    "Es ist eine Form von Neurodermitis, auch wenn dieser Begriff, er wird nach wie vor verwendet, kein glücklicher ist, weil, die Neurodermitis hat mit Neuronen, mit Nervenzellen gar nichts zu tun. Dies ist eine allergische, eine atopische Erkrankung, sie kann Vorläufer sein von einer Neurodermitis, von einer allergischen Erkrankung, tritt auch vermehrt in Familien auf, die mit Allergien belastet sind."
    Die Ursachen des Milchschorfs sind komplex. Zunächst einmal bringen viele Kinder eine genetische Disposition mit. Das begünstigt den Ausbruch des atopischen Ekzems, erklärt ihn aber nicht vollständig. Entscheidend sind Umwelteinflüsse, die beimAll einen Baby völlig harmlos sind, beim andern aber Allergien auslösen.
    "Allergene können Nahrungsmittel sein, es können aber auch jede andere Form von Allergenen sein, die in der Luft unterwegs sind, die wir über Kontakt mit der Kleidung haben, mit anderen Dingen auch, mit Tieren, und mit dem Hausstaub."
    Welche Substanzen Milchschorf auslösen, lässt sich kaum ermitteln. Eine Hyposensibilisierung, also das allmähliche Gewöhnen des Immunsystems an einzelne Allergene, fällt deshalb als Therapie aus. Erschwerend kommt hinzu, dass Babys in diesem Alter ihr Immunsystem mit Umwelteinflüssen trainieren müssen. Das Kind gegen Allergene abzuschotten, sei nicht möglich, so Joachim Eichhorn, Ziel der Behandlung sollte vielmehr sein, die gesamte Bandbreite möglicher Allergene dosiert anzubieten.
    Immunsystem an Allergene gewöhnen
    "Das Immunsystem des Körpers muss sich irgendwann mal mit Allergenen auseinandersetzen, und wenn wir das zum richtigen Zeitpunkt wohldosiert machen, dass wir das Immunsystem an solche Dinge gewöhnen, ich will nicht sagen, es gelingt uns damit, eine Allergie immer zu vermeiden, aber dass eine Allergie auch nicht weniger schlimm verläuft, als vielleicht bei den Eltern oder bei den Geschwistern."
    Mittlerweise hat sich der Leverkusener Kinderarzt Dr. Stephan von Landwüst die Kopfhaut seiner zehn Monate jungen Patientin genauer angeschaut:
    "Also, wenn man jetzt bei der lieben Henrietta hier oben auf Deinen Kopf schaut, dann sieht man eben so etwas gelblich-bräunliche feste Schuppen, die da so in wildem Muster verteilt sind, zum Glück sieht man bei ihr keine Rötungen auch an der Kopfhaut, das spricht zum Glück für ein nur geringes Maß an Entzündung und man sieht auch nichts, was für zusätzliche Krankheitserreger sprechen könnte, also nichts, was für Hefepilze oder Bakterien spricht."
    Schuppen vorsichtig entfernen
    Wichtig sei, so Dr. Stephan von Landwüst, dass die Schuppen vorsichtig entfernt werden, um die Haut nicht unnötig zu reizen und zu verletzen. Das kann vor allem wegen des teilweise starken Juckreizes schwierig sein, mittlerweile gibt es aber juckreizstillende Mittel. Wenn alles gut verläuft, verschwindet der Milchschorf nach einigen Monaten, manchmal hält er aber auch zwei, drei Jahre an. Vorbeugende Maßnahmen gegen Milchschorf gibt es nicht, immerhin lässt sich aber die Intensität der Krankheit deutlich lindern, so Dr. Joachim Eichhorn.
    "Das Beste, was man machen kann, ist erst einmal Muttermilch, Muttermilch zu geben. In der Muttermilch sind so viele Immunglobuline und andere Dinge auch enthalten, um das Immunsystem des Kindes auf den richtigen Weg zu bringen."
    Ende der Untersuchung, der Leverkusener Kinderarzt kann Diana Grass beruhigen – ihre Tochter Henrietta ist auf einem guten Weg.
    "Also Frau Grass, ich bin total zufrieden, wenn ich das bei der Henrietta sehe, sie hat zwar diesen Milchschorf und ein bissel diese trockene Haut, aber der Schweregrad ist so gering und sie macht einen so unbeeinträchtigten freudigen Eindruck ohne Juckreiz der Haut, dass ich ganz entspannt an Ihrer Stelle abwarten würde und jetzt auch keinerlei Therapie empfehlen würde, das muss man nicht, das braucht man nicht, und ich hoffe, dass Sie gelassen damit umgehen können."
    Was Diana Grass natürlich freut.
    "Wenn ich sehe, wie es vorher ausgesehen hat und wie es jetzt aussieht, bin ich sehr zufrieden. Es geht bergauf!"