Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Millionenfache Belästigung

Telefonmarketing ohne Einverständnis des Endverbrauchers ist eigentlich gesetzlich verboten. Firmen dürfen nur auf Kundenfang gehen, wenn ihnen eine Erklärung vorliegt, dass der betreffende Haushalt Werbeanrufe erhalten möchte. Doch die Call-Center-Wirtschaft schert sich häufig nicht um Paragrafen und Gerichtsurteile.

Von Jens Rosbach | 25.06.2007
    ""Herzlichen Glückwunsch: Als Teilnehmer unserer exklusiven Auslosung am heutigen Tage haben Sie garantiert einen der folgenden Preise gewonnen: einen Geldpreis in Höhe von bis zu 3000 Euro oder einen Sachpreis von bis zu 1500 Euro. Und dabei gibt es keinen Haken."

    "Die Telefonanrufe sind zum Teil sehr lästig, insbesondere diese Automaten. Man wird aufgeschreckt, man kann ja am Klingeln nicht erkennen, wer es eigentlich ist, wird gezwungen abzuheben, zu den unmöglichsten Tages- und Nachtzeiten und redet dann mit so einem Scheiß-Automat."

    "Um Ihren Preis zu erhalten, müssen Sie jetzt lediglich folgende Rufnummer wählen: 09003101533."
    "

    Telefongesellschaften, Gewinnspiel-Unternehmen, Zeitungsverlage, Versicherungen: Immer mehr Firmen setzen auf das Telefon, um neue Kunden zu gewinnen. Nach Berechnungen der Gesellschaft für Konsumforschung gab es im vergangenen Jahr rund 300 Millionen Werbeanrufe in Deutschland, ein Zuwachs von 30 Prozent im Vergleich zu 2005. Das Problem: Die akustische Akquise ist häufig unerwünscht. Viele Verbraucher empören sich über den telefonischen "Hausfriedensbruch".

    "Kann ich Sie mal fünf Minuten sprechen? Und es geht ganz schnell. Wir haben nur eine kleine Umfrage. Sie kommen gar nicht mal erst auf das Thema! Ganz zum Schluss merken Sie, dass sie mir Wein verkaufen wollen!"

    "Der Anruf kostet 1,99 pro Minute aus dem deutschen Festnetz. Der Preis steht nur kurze Zeit für Sie bereit. Verpassen Sie also nicht, Ihren Preis noch heute abzurufen!"

    "Da werde ich richtig wütend. Und ich lege dann auch immer ziemlich gleich auf. Und ich möchte auch nicht belästigt werden mit so einem Scheiß."

    Zum Beispiel Guido Sobolewski. Der 77-Jährige wurde von einem Call Center angerufen, das ihm, so der Berliner, einen Vertrag "aufschwatzte".

    "Ja, ich habe einen Anruf bekommen, und es ging um das Telefon, hier ist Tele2, und wenn Sie Geld sparen wollen. Ich habe gesagt, schicken Sie mir das zu, dann kann ich mich entscheiden, denn ich mache nicht so am Telefon einen Vertrag oder was. Also davon bin ich überhaupt nicht ausgegangen."

    Sobolewski hatte im Gespräch mit der netten Anruferin treuherzig die Frage bejaht, ob er in Zukunft den Tele2-Weekend-Tarif nutzen möchte. Kurz darauf erhielt er von der Telekom ein Schreiben, dass sein Anschluss auf Tele2 umgestellt wird. Dabei habe er weder einen Vertrag noch eine Widerrufsbelehrung zu Gesicht bekommen, schimpft der Rentner.

    "Ja, ich fühlte mich überfahren. Bisschen angekratzt war man schon. Dass man so übers Ohr gehauen wird, ohne dass ich mir den Vertrag überhaupt durchlesen konnte, da war man doch schon ein bisschen in Brass, wie man sagt."

    Sobolewski schrieb einen Widerspruch, doch das Telefonunternehmen blieb stur: Der Vertrag gelte mindestens ein Jahr lang, antwortete die Firma.

    "Aber das haben wir auch nicht akzeptiert und haben noch mal ein Schrieb gemacht, dass ich mir das verbiete und dass ich dann die Verbraucherzentrale informieren werde. Diese Belästigung akzeptiere ich nicht mehr und werde andere Schritte eben dann unternehmen."

    Die Berliner Verbraucherzentrale machte schließlich Druck auf das Telefonunternehmen, der Rentner kam aus dem Vertrag wieder heraus. Tele2 erklärt dazu auf Anfrage, man habe nur aus Kulanz nachgegeben. Sobolewski seien ganz bestimmt die Vertragsunterlagen zugeschickt worden, und im Übrigen arbeite das Unternehmen seriös. Die Mitarbeiter müssten niemanden ködern, weil die angebotenen Tarife einfach günstig seien. Für ein Interview stehe Tele2 allerdings nicht zur Verfügung, so eine Sprecherin, man wolle da "kein Pressethema draus machen".

    Die Berliner Verbraucherzentrale weiß anderes zu berichten: Hausjurist Ronny Jahn spricht von aggressiven Marketingmethoden des Düsseldorfer Anbieters sowie zahlreicher anderer Telefonunternehmen.

    "Also wir werden mit Beschwerden von Verbrauchern geradezu überschüttet. Also da gibt es wirklich ganz massive Probleme, und zahlreiche Beschwerden erreichen uns da."

    Telefonmarketing ohne Einverständnis des Endverbrauchers ist eigentlich gesetzlich verboten. Das heißt, Firmen und die von ihnen beauftragten Call Center dürfen nur auf Kundenfang gehen, wenn ihnen eine Erklärung vorliegt, dass der betreffende Haushalt Werbeanrufe erhalten möchte.

    "Ein Anruf ist wirklich nur dann erlaubt, wenn ganz konkret ein Einverständnis erklärt wurde: Ja, Du darfst mich zu Werbezwecken anrufen. Es reicht also nicht aus, wenn man irgendwo an einem Gewinnspiel teilgenommen hat und dort im Kleingedruckten steht: Ja, ich bin damit einverstanden, dass ich künftig zu Werbezwecken angerufen werde. Solche pauschalen Einwilligungserklärungen werden von den Gerichten ganz klar als unzulässig gewertet.""

    Notwendig ist laut Verbraucherzentrale eine Erklärung, die klar eingrenzt, wer wen wann in welchem Zeitraum anklingeln darf. Doch die boomende Call-Center-Wirtschaft schert sich häufig nicht um Paragrafen und Gerichtsurteile. Experten schätzen, dass Tag für Tag bis zu 200.000 Verbraucher rechtswidrig antelefoniert werden. Der Branchenverband Call Center Forum Deutschland hat sich zwar den Ehrenkodex gegeben, gegen die schwarzen Schafe vorzugehen. Forumschef Manfred Stockmann zeigt sich aber hilflos.

    "Das sehen wir leider auch immer mit Schrecken, wie stark dieses Volumen ist, dass hier unerlaubt angerufen wird. Und da sind wir natürlich auch hinterher, zu versuchen das einzudämmen. Aber es ist sehr schwierig, weil die meisten doch sehr im Verborgenen agieren."

    Ein Problem, das mittlerweile die Politik beschäftigt. Im Bundestag debattieren seit Monaten Verbraucherexperten darüber, und auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries äußert sich besorgt.

    "Es ist ja ausgesprochen belästigend. Und jeder, der solche Telefonanrufe bekommt, kann sich den Anrufer notieren und sich beschweren - entweder bei den Verbraucherschutzverbänden oder bei der Bundeszentrale gegen unlauteren Wettbewerb, die haben auch eine Klagebefugnis. Nur ist es eben in der Mehrzahl der Fälle so, dass keine Telefonnummer aufscheint, es oft automatisierte Anrufe sind und die Menschen auch nicht bereit sind zu sagen, wer denn dahinter steckt, weil sie natürlich wissen, dass sie Verbotenes tun."

    Die SPD-Politikerin will nun ein neues Gesetz auf den Weg bringen, das eine Übermittlung der Rufnummer zur Pflicht macht. Außerdem ist ein Bußgeld geplant. Denn bislang ist zwar das Anrufen ohne vorherige Zustimmung, die so genannte Kalt-Akquise, verboten, aber eine Strafe für Zuwiderhandlungen gibt es nicht. Künftig sollen nun unseriöse Firmen sofort mit Bußgeldern zur Kasse gebeten werden können.

    "Ja, weil wir meinen, dass wir schon ein weiteres Druckmittel noch brauchen, um nachdrücklich deutlich zu machen, dass das ein Verhalten ist, was diese Gesellschaft nicht toleriert."

    Verbraucherschützer fordern bereits seit Jahren schärfere Gesetze gegen Telefondrücker. Denn viele der so genannten Out-Bound-Mitarbeiter telefonieren nicht nur rechtswidrig die Telefonbücher ab und kaufen von umstrittenen Adresshändlern Kundendaten. Die Agenten benutzen auch in den Verkaufsgesprächen illegale Methoden. Der 32-jährige Alexander Lautsch hat dies selbst erlebt. Der Mitarbeiter eines Berliner Call Centers verrät, dass am Telefon oft ganz bewusst Informationen über Vertragslaufzeiten, Kosten und Widerrufsmöglichkeiten verschwiegen werden.

    "Und dann gibt es sicherlich auch einfach Sachen, wo auch knallhart gelogen wird. Wo man jetzt sagt: Das ist ein Exklusivangebot. Sie wurden in einer Gruppe von 100 Kunden ausgewählt, 90 Prozent der Kosten übernehmen wir, oder Sie müssen nur 10 Prozent der Kosten tragen. Beliebt ist das bei Lotteriegeschäften zum Beispiel."

    Insider Lautsch plant, in seiner Branche eine Gewerkschaftsbasis aufzubauen. Denn nach seinen Erfahrungen sind nicht nur die Akquise-Methoden, sondern auch die Arbeitsbedingungen sträflich - vor allem in den vielen kleinen Call Centern. Die Belegschaft sei schlecht bezahlt, stehe unter großem Leistungsdruck und könne jederzeit gefeuert werden.

    "Call Center werden aufgemacht in Kellern, in Hinterhöfen, und da steht dann quasi wie auf so einer Galeere der Chef vorne und trommelt und geht halt rum jede halbe Stunde und guckt, wie viele Aufträge hast du gemacht. Und wenn nicht, wirst du alle zwei Stunden zur Rede gestellt. Es gibt auch die Taktik in solchen kleinen Call Centern, dass vielleicht ein, zwei Probetage vorneweg gestellt werden. Das heißt, wenn man dann zu wenig Aufträge gemacht hat, sagt man: Okay, wir glauben du bist dafür nicht geeignet. Dafür gibt es denn auch kein Geld. Und dann hat man zwei Tage umsonst gearbeitet."

    Günter Wallraff berichtet Ähnliches. Der prominente Enthüllungsjournalist hat sich in Call Center eingeschlichen und kürzlich über die vorgefundenen Missstände berichtet. In der ZDF-Talkshow von Johannes B. Kerner ging Wallraff speziell auf das Dilemma der Mitarbeiter ein.

    "Hier ist es eine psychische Gehirnwäsche, denen sich diejenigen, die oft Langzeitarbeitslose sind, die als Student einen Job brauchen, aussetzen. Und in kürzester Zeit werden die umgedreht und werden dazu veranlasst, gegen ihre eigenen Interessen - sie sind alle soziale Wesen -, sie werden zu Betrügern ausgebildet."

    Das Bizarre: Der Staat profitiert von den rechtswidrigen Methoden. Ronny Jahn von der Berliner Verbraucherzentrale verweist in diesem Zusammenhang auf die staatlichen Klassenlotterien.

    "Es ist schon sehr bedenklich, dass sich gerade auch Klassenlotterien wirklich solcher unzulässigen Telefonwerbung bedienen, also Organisationen, die einfach öffentlich-rechtlich organisiert sind, so dass dann letztlich auch die Länder davon profitieren, dass hier in belästigender Weise wirklich Telefonwerbung betrieben wird."

    Alexander Lautsch klagt über weiteren Irrsinn: Viele zweifelhafte Call Center bekämen auch noch öffentliche Mittel geschenkt, stöhnt der kritische Mitarbeiter.

    "Es ist eben so, dass gerade der Bereich strukturschwache Regionen - Ostdeutschland, Berlin ist auch dabei - Subventionen durch die EU kriegen. Da gibt es eben diverse Fonds, die man anzapfen kann. Da werden Personalkosten gegeben, wenn man neue Mitarbeiter einstellt, da werden Schulungskosten finanziert, und da gibt es aber auch Fonds, die einfach Arbeitsmittel finanzieren, sprich Computer und die ganze Software, die man eben braucht. Und da haben wir ein Riesenproblem in Deutschland, nämlich dass neben diesen Geldern von der EU auch noch Gelder von der Kommune oder vom Land gezahlt werden."

    "Drücken Sie auf Ihrem Telefon die Taste eins und teilen Sie die Lösung einem unserer Mitarbeiter mit! Dieser Anruf ist für Sie natürlich kostenlos. Die Frage lautet: Was ist preiswerter - Benzin oder Diesel? Erraten? Dann drücken Sie auf Ihrem Telefon jetzt die Taste eins. Viel Glück!"

    Die derzeitige Rechtslage ist kompliziert. Da es bislang kein Bußgeld für telefonische Belästigungen gibt, können unseriöse Firmen erst im Wiederholungsfall belangt werden. Dazu muss der Verbraucher eine Abmahnung schreiben, also eine Unterlassungserklärung vom Anrufer verlangen. Verstößt dieser dann gegen die abgegebene Erklärung, kann ihm der Prozess gemacht werden. Doch ein Richterspruch bezieht sich ausschließlich auf den jeweiligen Privatkläger. Die Call Center und ihre Auftraggeber können also alle anderen Haushalte weiterhin belästigen. Anders die Möglichkeiten der Verbraucherzentralen: Sie sind in der Lage, allgemeingültige Urteile zu erwirken, Urteile, die es den Telefondrückern generell untersagen, potenzielle Kunden zu nerven, so Jurist Ronny Jahn von der Berliner Verbraucherzentrale.

    "Wir haben eine Reihe Klagen geführt gegen, bei denen sich die Unternehmen geweigert haben, wirklich die Unterlassungserklärung abzugeben. Wir haben gegen Kabel Deutschland geklagt, Flexphone, Primacall, gegen Tele2, teilweise sind da am Ende wirklich Urteile rausgekommen. In anderen Fällen war es aber auch so, dass die Unternehmen zumindest im Prozess dann eine Unterlassungserklärung abgegeben haben oder eben vom Gericht verpflichtet wurden."

    Dem Verbraucherschützer zufolge mussten bereits Firmen, die gegen Unterlassungserklärungen verstoßen haben, bis zu fünfstellige Geldstrafen zahlen. Und dennoch gehe der Telefonterror weiter.

    "Beobachten wir leider tatsächlich, dass, obwohl bereits mehrere 10.000 Euro Vertragsstrafen oder Ordnungsgelder gezahlt werden mussten, dennoch an dieser Werbemethode festgehalten wird. Offenbar ist es also so, dass sich das ganze Konzept trotz dieser Zahlungen weiterhin lohnt, die Einnahmen das einfach übersteigen zu dem, was man halt wirklich an Vertragsstrafen zahlen muss."

    "Dann fangen wir jetzt mit der Aufnahme des elektronischen Anmeldeformulars an, einverstanden? /Ja!/ Nennen Sie mir bitte Ihren Vor- und Zunamen! Dann bitte Vor- und Zunamen des Anschlussinhabers! Sein Geburtsdatum bitte! Dann bitte Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Wohnort"

    Die Bundesregierung will nun handeln, eine Gesetzesvorlage erarbeiten. Darin soll festgeschrieben werden, dass bereits der erste unerwünschte Anruf die Call Center Geld kosten kann - ohne aufwendige Abmahnungen. Laut Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ist aber noch nicht entschieden, wie hoch das Bußgeld ausfallen soll.

    "Darüber werden wir im Bundestag zu diskutieren haben. Ich meine, dass es schon eine gewisse Höhe haben sollte, damit es auch wirklich, denn es sind ja Firmen, wirklich abschreckend wirkt. 50 Euro wäre sicherlich keine angemessene Höhe, es müsste sicherlich schon ein vierstelliger Betrag sein."

    Die zweite Gesetzesänderung, die Pflicht der Call Center, ihre Rufnummern zu übertragen, betrifft nach den Plänen der Sozialdemokratin auch die Telefon-Netzbetreiber.

    "Also wir wollen den Providern die Auflage machen, Telefonanrufe, wo keine Nummern gezeigt werden, auch nicht durchzustellen. Das heißt also, wir können da über den Weiterleiter der Telefongespräche eine zusätzliche Ebene einbauen, und das wollen wir auch nutzen."

    Noch weitreichender die Forderungen der Grünen: Sie greifen einen Vorschlag der Verbraucherzentralen auf, die Telefondrückern das Geschäft generell vermiesen soll. Die Idee: Ein am Telefon geschlossener Vertrag ist grundsätzlich "schwebend unwirksam". Erst eine schriftliche Bestätigung des jeweiligen Verbrauchers setzt den Vertrag in Kraft. Bärbel Höhn, die Verbraucherschutz-Expertin der Grünen im Bundestag, hält diese zusätzliche Hürde für dringend geboten.

    "2Das ist einfach so, dass viele Leute natürlich wissen, wenn sie irgendwie mit jemandem gesprochen haben, und dann mündlich von Angesicht zu Angesicht, wo man früher gesagt hat, hier wird jetzt ein Vertrag mit Handschlag auf dem Bauernmarkt gemacht, das verstehen die Leute schon. Aber das, was hier passiert, ist was vollkommen anderes. Da ist jemand am Telefon, der redet freundlich mit einem. Und wenn sie nicht konkret dreimal Nein gesagt haben, haben sie plötzlich einen Vertrag an der Backe. Also von daher muss man gerade bei der Telekommunikation einfach zu stärkeren, zusätzlichen Absicherungen kommen, um die Menschen nicht zu sehr zu schädigen.""

    Die Idee der schriftlichen Vertragsbestätigung wird vom baden-württembergischen Verbraucherschutzminister Peter Hauk unterstützt. Der CDU-Politiker leitet derzeit die Verbraucherschutzminister-Konferenz der Länder und schlägt folgende Ergänzung vor: Die mündlichen Verträge werden durch Unterschrift oder durch eine Geldzahlung wirksam. Doch das Bundesjustizministerium ist unentschieden und prüft den Vorschlag noch. Man könne den Bürger nicht so einfach entmündigen, indem man alle telefonisch geschlossenen Verträge für ungültig erklärt, so Ministerin Zypries.

    "Man muss dazu sagen, dass wir teilweise auch aus der Rechtssystematik ausbüxen beispielsweise bei schwebend unwirksamen Verträgen. Das ist etwas, was wir im Zivilrecht sonst nicht kennen. Und da würden wir schon Neuland betreten und sind dementsprechend auch hinreichend vorsichtig."

    Die grüne Opposition wertet die Zurückhaltung der Regierung als Verhinderungstaktik. Bärbel Höhn, die für die Grünen im Verbraucherschutz-Ausschuss des Bundestages sitzt, prognostiziert: Auf neue Gesetze gegen unlautere Werbung könne man noch lange warten.

    "Wir hatten jetzt im Ausschuss eine Debatte über den Punkt, und auf meine Frage an die Bundesregierung, wann sie denn nun gedenken, das umzusetzen, das Gesetz vorzulegen, da kam sehr wenig. Da hatte ich schon den Eindruck, das wird wieder auf die lange Bank geschoben. Ich hab schon eine Liste von Verbraucherschutzpunkten, die Frau Zypries in den letzten zwei Jahren angekündigt hat, und keinen davon hat sie umgesetzt. Also wir müssen, glaube ich, da noch lange an diesem Thema dran bleiben. So schnell sind wir da noch nicht durch."

    Ähnlich skeptisch äußern sich Verbraucherschützer. Auch Alexander Lautsch ist überzeugt, dass von der Politik nicht viel Hilfe zu erwarten ist. Die Call-Center-Sparte sei einfach zu mächtig, so der Insider.

    "Das ist eine Riesenindustrie, 400.000 Mitarbeiter, wachsend. Es gibt Zukunftsprognosen, dass demnächst eine Million Menschen im Call Centern arbeiten werden in Deutschland, das heißt jeder 80. Und ich glaube, da wird sich die Politik sehr, sehr schwer tun in diesem Wachstumsbereich so eine Bremse reinzulegen, dass das einfach nicht mehr geht. Das glaube ich nicht."

    Die Bundesjustizministerin führt andere Gründe an für die zögerliche Einführung von Sanktionen. Brigitte Zypries spricht von einer gewissen Machtlosigkeit gegenüber den vielen schwarzen Schafen der Branche. Die Gesetzeshüterin, resigniert:

    "Es ist für Politik immer schwierig, Maßnahmen vorzuschlagen, von denen man weiß, sie werden nicht hundertprozentig greifen. Das heißt, selbst wenn wir jetzt die Rufnummernunterdrückung verbieten, wenn wir Bußgelder vorschreiben und auch wenn wir zivilrechtlich handeln, es wird nach wie vor unerlaubte Telefonanrufe geben. Und mein Ziel war es immer, nicht jetzt bei den Menschen zu suggerieren, wir schaffen Euch jetzt die Probleme vom Hals, wenn ich ganz genau weiß, ich kann sie doch nicht hundertprozentig vom Hals schaffen. Und eine hundertprozentige Regelung werden wir nicht finden, weil: Betrüger und Gauner gibt es immer."

    "Die wichtige Nummer, die Sie jetzt anrufen müssen, lautet: 09003101533. Denken Sie daran: Sie haben definitiv einen der Preise gewonnen! Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören, und gratulieren Ihnen nochmals zu Ihrem Gewinn."