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Minderheiten in den Medien
Der Rundfunk als Retter der sorbischen Sprache?

Rund 60.000 Sorben leben in Deutschland, vor allem in Brandenburg und Sachsen. Um ihr kulturelles Erbe zu fördern, senden der RBB und der MDR eigens Programme in sorbischer Sprache. Die Sendungen aber sind zu wenig, um das Sorbische vor dem Aussterben zu retten, sagen Kritiker.

Von Vanja Budde | 09.11.2017
    Die Kahnfährfrau Anja Geier steht in sorbisch-wendischer Festtagstracht am 06.04.2016 auf einem Kahn im Spreewalddorf Lehde (Brandenburg).
    Die sorbische Kultur steht im Mittelpunkt mehrerer Radiosendungen von RBB und MDR. (picture alliance/dpa - Patrick Pleul)
    Das Jugendmagazin "Bubak" haben vor 15 Jahren Schülerpraktikanten des RBB-Hörfunkstudios Cottbus erfunden. "Bubak" wird zwar nur zweimal im Monat gesendet, ist aber dennoch ein wichtiges Vehikel, um das Interesse junger Leute an der sorbischen Sprache wach zu halten, meint Manfred Koinzer, stellvertretender Geschäftsführer der Domowina: Des Dachverbandes aller sorbischen Vereine und Gruppierungen.
    "Das macht auch zum Teil den Reiz aus, wenn du jederzeit bei Facebook nachgucken kannst und weißt: Zweimal im Monat kommt die Sendung für mich mit meinen Themen von meinen Freunden gemacht. Die lauern schon drauf."
    Kann das Hörfunkprogramm zum Erhalt der Sprache beitragen?
    Für Hörer aller Altersgruppen sendet der RBB in Cottbus ein Mittagsmagazin: Eine Stunde in Niedersorbischer Sprache von Montag bis Freitag. Dazu komme die Kooperation mit dem MDR im benachbarten Sachsen, erklärt die verantwortliche Redakteurin Marion Stensel.
    "Die senden früh von 5 bis 8 Uhr, das übernehmen wir auch auf unserer niedersorbischen Frequenz, und genauso wird unser Mittagsprogramm in der Oberlausitz vom MDR übernommen. Und Sonntag gibt's halt diese drei Stunden gemeinsam."
    Die etwa 20.000 Niedersorben rund um Cottbus in Südbrandenburg können Obersorbisch verstehen, es sind aber zwei verschiedene Sprachen. Das Niedersorbisch ist akut vom Aussterben bedroht, denn es gibt schätzungsweise nur noch 10.000 Muttersprachler. Reichen da pro Woche elfeinhalb Stunden Minderheitenprogramm im RBB-Hörfunk, um zum Erhalt der Sprache beizutragen?
    Große kulturpolitische Wichtigkeit
    "Zufrieden bin ich mit der Qualität des Angebots." Mit der Quantität aber nicht, mahnt Manfred Koinzer von der Domowina. Vor allem die "Kindergrüße" für die Kleinsten, die der RBB bislang einmal, demnächst zwei Mal in der Woche sendet, seien kulturpolitisch immens wichtig.
    "Es ist natürlich auch immer eine Personalfrage. Ich denke, ein weiteres Arbeitsfeld ist sicherlich dann auch zu gucken: Wie ist die sorbische Redaktion ausgestattet, personell."
    Freitags um kurz nach 12 Uhr mittags beim RBB in Cottbus: Die einstündige niedersorbische Sendung beginnt mit dem von der Domowina so begehrten "Kindergruß": Einem Märchen, an denen die sorbische Kultur so reich ist, für Kindergarten- und Grundschulkinder, in der aussterbenden Sprache ihrer Großeltern.
    "Es geht um Pilze. Der Hauptakteur ist der Bludnik, das Irrlicht, eine sorbische Sagengestalt."
    Der Wunsch nach mehr Sendezeit
    Moderatorin Martina Gollasch ist eine von drei fest angestellten sorbischen Redakteurinnen, die mit Hilfe einiger freier Mitarbeiter die Sendung stemmen.
    "Wir greifen Themen auf, die unmittelbar mit dem Leben der Sorben, Wenden in der Lausitz zu tun haben. Das kann von der Bundespolitik über die Landespolitik über die Kommunalpolitik bis zum Alltagsleben in den Kommunen, in den Dörfern, kommunale Themen, Kultur, Geschichte..."
    Abends um 19 Uhr wird das Programm wiederholt, erklärt Marion Stensel. Es steht danach bis zur nächsten Sendung im Internet. Über eigene Apps für Smartphones hat die Redaktion auch schon beraten, erzählt Stensel, aber die wären sehr aufwendig, weil den Entwicklern alles ins Sorbische übersetzt werden müsste.
    Die Fernsehsendung "Łužyca" strahlt der RBB seit 1992 auf Sorbisch mit deutschen Untertiteln aus. Eine halbe Stunde lang – einmal im Monat. "Natürlich wünscht man sich selbst immer mehr Sendezeit", meint Redaktionsleiter Hellmuth Henneberg.
    "Es gibt einfach zu wenig Autoren, die Niedersorbisch können"
    "Es ist aber so, dass die halbe Stunde, die wir zustande bringen, eine ganze Menge Arbeit ist, weil wir versuchen, so viel wie möglich abzubilden. Wir haben eine sehr schwierige Situation. Das Niedersorbische ist ja eine besonders stark vom Aussterben bedrohte Sprache. Wir haben eine Handvoll Autoren, die im Stande sind – von ihrer Ausbildung her, von ihrer sprachlichen Kompetenz her – Fernsehen zu machen. Es gibt einfach zu wenige, die Niedersorbisch können."
    Und von diesen wenigen sind viele keine Muttersprachler mehr, sondern sie haben die Sprache erst auf dem Niedersorbischen Gymnasium in Cottbus gelernt.