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Minderjährige Homosexuelle
Gesundheitsminister will Konversionstherapien verbieten

Jens Spahn (CDU) will sogenannte Konversionstherapien bei minderjährigen Homosexuellen verbieten und auch Erwachsene besser davor schützen. Der Gesundheitsminister und Fachleute sind sich einig: Homosexualität ist keine Krankheit, "Heilungsversuche" können sehr schädlich sein.

Von Sebastian Engelbrecht | 04.11.2019
11.06.2019, Berlin: Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, spricht bei einer Pressekonferenz zu dem Verbot von Konversionstherapien. Spahn hat in einer Pk über Erkenntnisse aus dem Austausch in einer dazu eingesetzten Fachkommission informiert. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
Bundesgesundheitsminister Spahn bei der Vorstellung seiner Pläne zum Verbot sogenannter Konversionstherapien im Juni (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
Bei unter 18-Jährigen sollen sogenannte Konversionstherapien generell verboten werden. Das geht aus einem Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums hervor, der den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vorliegt.
Nach Informationen der Magnus-Hirschfeld-Stiftung gibt es im Jahr etwa 1.000 Versuche von Ärzten und Therapeuten, Schwule und Lesben zu Heterosexuellen zu machen, sie sexuell umzupolen. Bundesgesundheitsminister Spahn hält solche Therapien für gefährlich – für die psychische und für die leibliche Gesundheit. Schon im Juni hatte Spahn bei einer Pressekonferenz erklärt:
"Deshalb braucht es aus meiner Sicht ein starkes Signal des Staates und damit eben auch in der Gesetzgebung, um Homosexuelle vor Pathologisierung, Diskriminierung, Stigmatisierung und damit eben auch vor Leid zu schützen."
Bei einwilligungsfähigen Menschen weiterhin erlaubt?
Der Gesetzentwurf sieht allerdings auch Ausnahmen vor. Wenn ein Volljähriger "einwilligungsfähig" ist, könnten die Therapien grundsätzlich erlaubt bleiben. Unterliegt ein Patient bei seiner Entscheidung Manipulationen wie Täuschung, Zwang, Drohung oder einem Irrtum, dann sei die Therapie nicht zulässig.
Jens Spahn hat eine Fachkommission aus Politikern und Wissenschaftlern eingesetzt, die seine grundsätzlich ablehnende Position unterstützt. Zudem beruft er sich auf zwei wissenschaftliche Gutachten zu "Konversionstherapien".
"Diese Gutachten zeigen, das ist medizinisch geboten, weil sie eben nicht nur nicht nutzen, sondern, wie auch dargestellt, zu oft schaden. Und es ist auch verfassungsrechtlich möglich, solche Behandlungen gesetzlich zu unterbinden."
Homosexualität sei keine Krankheit, davon ist der Bundesgesundheitsminister überzeugt. Deshalb soll laut Gesetzentwurf auch das Bewerben, Anbieten und Vermitteln von "Konversionstherapien" unter Strafe stehen. Das Verbot gilt nicht nur für medizinische, sondern auch für psychotherapeutische und seelsorgerliche Therapien.
"Es fehlt schon die Indikation für eine Behandlung"
Einer der Gutachter für das Bundesgesundheitsministerium, Professor Peer Briken vom Institut für Sexualforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, unterstreicht Spahns Ansatz.
"Alle relevanten großen medizinischen Fachgesellschaften haben klare Statements dazu abgegeben, dass Homosexualität keine Krankheit oder Störung ist. Damit fehlt aus medizinischer oder psychotherapeutischer Sicht schon die Indikation überhaupt für eine Behandlung."
Auch der geschäftsführende Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Jörg Litwinschuh-Barthel, stützt Spahn. Die Stiftung hat die Kommission des Bundesgesundheitsministeriums fachlich beraten.
"Wir können noch mal insgesamt sagen, dass Menschen, die mit solchen Umpolungsversuchen konfrontiert wurden, ganz häufig extrem schwere Schäden erleiden. Das beginnt mit Isolation, mit Depressionen bis hin zu Suizidalität."
Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf erlaubt allerdings Behandlungen bei Störungen wie Exhibitionismus oder Pädophilie. Auch bei "Störungen der Geschlechtsidentität" sollen Therapien weiterhin möglich sein.