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Mindestlohn
"Dokumentationspflicht viel zu groß"

Heute besucht Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles den rheinland-pfälzischen Bäckereibetrieb "Die Lohners", um sich über die Auswirkungen des Mindestlohns zu informieren. Dessen Chef, Achim Lohner, sagte im DLF, für seine Firma sei der Mindestlohn kein Problem. Kleinere Betriebe könnten aber mit der Bürokratie überfordert sein.

Achim Lohner im Gespräch mit Christoph Heinemann | 02.01.2015
    Roggenbrote kommen am 30.04.2014 in der Backstube des Biobäckers "Brotgarten" in Berlin aus dem Ofen.
    Roggenbrote kommen aus dem Backofen. (picture alliance / dpa / Rainer Jensen)
    Im Eifelgebiet, in dem "Die Lohners" aktiv sind, sei der Mindestlohn finanzierbar, so Achim Lohner. In seinem Unternehmen liege der Durchschnittslohn bei 12,50 Euro in der Stunde. In den untersten Lohngruppen würden 8,75 gezahlt. Ob sich das aber auch Betriebe in Ostdeutschland leisten könnten, sei fraglich. Dort lägen die Preise für die Produkte am Ende etwa 20 Prozent niedriger als im Westen.
    Dass durch den Mindestlohn viele Arbeitsplätze wegfallen werden, diese Gefahr sieht Achim Lohner zunächst nicht. Man müsse abwarten, wie sich die Neuregelung auswirke.
    Änderungsbedarf sieht Lohner bei der Bürokratie, die hinter dem Mindestlohn steckt. Für kleinere Betriebe stelle die Dokumentationspflicht, wie etwa die genaue Erfassung der Arbeitszeit, eine große Belastung dar. Lösungen für dieses Problem müssten sich letztlich in der Praxis zeigen. Konkrete Verbesserungsvorschläge habe er für die Bundesarbeitsministerin derzeit nicht.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Ich begrüße jetzt Achim Lohner am Telefon. Guten Morgen!
    Achim Lohner: Guten Morgen.
    Heinemann: Herr Lohner, zunächst einmal Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein frohes neues Jahr.
    Lohner: Ich wünsche das Ihrem Sender und allen Mitarbeitern auch.
    Heinemann: Schönen Dank. Sie beschäftigen rund 1.400 Personen in rund 120 Fachgeschäften und sie bilden circa - das habe ich auf der Internetseite gelesen - 70 Lehrlinge pro Jahr aus. Mit diesem Hintergrund - was werden Sie der Bundesarbeitsministerin heute sagen?
    Lohner: Es geht heute bei dem Besuch um den Mindestlohn. Die Bundesarbeitsministerin wollte von mir wissen, wie wir damit umgehen, ob wir was umstellen müssen. Wir zahlen schon seit Mai 2013 mehr wie 8,50 Euro in den untersten Lohngruppen. Seit August 2014 sind wir schon bei 8,75 Euro. Damit haben wir im Betrieb mit dem Mindestlohn eigentlich gar nichts mehr zu tun. Und ich finde, wir haben sehr gute Mitarbeiter und die sind ihr Geld wert.
    Heinemann: Sie sagten, "eigentlich gar nichts zu tun", heißt das, dass der Mindestlohn jetzt in Ihrem Betrieb keine Auswirkungen hat?
    Lohner: In unserem Betrieb hat er gar keine Auswirkung, wenn kein einziger Lohn unter im Moment von den 8,70 Euro geht. Der Durchschnittslohn in unserem Betrieb liegt bei 12,50 Euro.
    "Legen mehr Wert auf Qualität als auf den billigen Preis"
    Heinemann: Wie ist das, wenn Sie mit Kolleginnen und Kollegen sprechen? Kann sich das Handwerk den Mindestlohn leisten?
    Lohner: Ich nehme an, in unserer Branche, speziell hier im Eifelgebiet, wo wir ansässig sind, müssen sich die Kollegen den Mindestlohn leisten können. Ich sehe also auch flächendeckend bei uns keine großen Probleme da drin. Ob es in den neuen Bundesländern im Moment, ob die sich den Mindestlohn leisten können, ist natürlich schwierig zu sagen.
    Heinemann: Weil dort das Umfeld schwieriger ist?
    Lohner: Ja, weil die Preise da auch noch 20 Prozent unter unseren Preisen sind. Zu einem Mindestlohn oder Über-Mindestlohn gehört natürlich ein vernünftiger Preis, den man durchsetzen muss, und wir legen mehr Wert auf Qualität wie auf den billigen Preis. Also wir haben einen Preis von den normalen Lieblingen, das sind unsere Brötchen, von 32 Cent, und das ist ein Niveau, wo wir auch ohne Weiteres Mindestlohn oder Über-Mindestlohn, wie es bei uns ist, zahlen können.
    Heinemann: Herr Lohner, der Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn befürchtet, dass viele Jobs gestrichen werden müssen, insbesondere bei Branchen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Halten Sie das für realistisch?
    Lohner: Wissenschaftler sehen ja oft am Anfang ein klein bisschen schwarz, und ich glaube, wenn der Mindestlohn mal ein Jahr, zwei Jahre eingeführt ist, gleicht sich das alles wieder aus, und ich sehe auch kurzfristig keine großen Probleme im Verlust von Jobs.
    Heinemann: Ist die Ausgestaltung dieses Mindestlohns handhabbar für die Betriebe oder droht zu viel Bürokratie?
    Lohner: Also das ist natürlich der kleine Kritikpunkt, den ich habe. Bei größeren Betrieben wie bei uns, wo alles über Zeiterfassung läuft, über die Zeituhren, Stempeluhren, ist das gar kein Problem und die Bürokratie spielt bei uns da keine große Rolle. Aber die normalen Handwerksbetriebe oder Gastronomie, da wird es natürlich sehr schwierig und mit einem hohen bürokratischen Aufwand, alles festzuhalten, wie es die Vorgabe des Gesetzgebers verlangt.
    Heinemann: Was sollte man genau anders oder einfacher machen?
    Lohner: Es ist schwierig zu sagen, aber ich finde, dass die Dokumentationspflicht einfach viel zu groß ist für Kleinbetriebe, nicht für uns, und da müsste eine Lösung gefunden werden, dass das einfacher wird.
    "Ich gehe davon aus, dass man vielleicht noch nachbessert"
    Heinemann: Ist diese Lösung in Sicht? Werden Sie darüber heute auch mit der Ministerin sprechen?
    Lohner: Darüber werde ich kaum mit der Ministerin sprechen, weil ich im Moment auch keine Lösung habe, wie man das einfacher gestalten kann. Da ist schwer zu sagen, wie man das machen kann, und deswegen werde ich da auch nicht groß diskutieren, denn ich finde, wenn man kritisiert, dann sollte man auch eine Lösung haben.
    Heinemann: Vielleicht bringt die Ministerin eine Lösung mit oder hört sich zumindest an, was Sie zu kritisieren haben, das ist ja vielleicht schon mal der halbe Schritt auf dem Weg zur Lösung.
    Lohner: Ich gehe davon aus, wenn der Mindestlohn eine Zeit lang läuft, dass man in diesem Punkt vielleicht noch nachbessert und aus der Praxis dann brauchbare Lösungen herauskommen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.