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Mindestlohn
Studie: Ausnahmen für Flüchtlinge bedenklich

Eine generelle Ausnahme für Flüchtlinge beim Mindesstlohn wäre laut einer Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, die dem DLF-Haupstadtstudio vorliegt, nur schwer zu begründen. Dies würde auch den sozialen Frieden gefährden und ausländerfeindlichen Tendenzen in der Gesellschaft Vorschub leisten.

Von Gerhard Schröder | 16.02.2016
    Ein Arbeitshandschuh in dem ein Fünf-Euro-Schein, eine Zwei-Euro-Münze, eine Ein-Euro-Münze sowie ein 50-Cent-Stück liegen.
    Bei möglichen Ausnahmen vom Mindestlohn für Flüchtlinge gibt es generelle Bedenken. (picture alliance / dpa)
    Flüchtlinge vom Mindestlohn auszunehmen - das wäre nicht nur gesellschaftspolitisch heikel, sondern auch verfassungsrechtlich bedenklich. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das dem Hauptstadtstudio vorliegt.
    Zwar räumen die Gutachter ein, dass Ausnahmen vom Mindestlohn durchaus geeignet sein könnten, Defizite bei Sprache und Qualifikation auszugleichen. Nicht alle Flüchtlinge aber seien unqualifiziert, es gebe unter ihnen ausgebildete Ärzte genauso wie Hilfsarbeiter ohne Berufsabschluss. Deshalb sei eine generelle Ausnahmeregelung schwer zu begründen, heißt es in dem Gutachten, das die Grünen-Politikerin Brigitte Pothmer in Auftrag gegeben hatte: "Es gibt junge und alte Flüchtlinge, es gibt gut qualifizierte, es gibt gering qualifizierte, also all diese Flüchtlinge über einen Kamm zu scheren und als Gruppe von der Mindestlohnregelung auszunehmen, das entspricht nicht der Verfassung."
    In Wirtschaftskreisen wird die Forderung nach Ausnahmeregelungen für Flüchtlinge immer wieder erhoben, auch die CDU hatte die Idee in ein Eckpunktepapier übernommen, die Beschlussvorlage nach innerparteilichen Protesten gestern aber abgeändert.
    Eine generelle Ausnahme von Flüchtlingen vom Mindestlohn wäre auch gesellschaftspolitisch heikel, meinen die Gutachter des Wissenschaftlichen Dienstes. Heimische Bewerber würden zugunsten von Flüchtlingen benachteiligt, das wäre geeignet, "den sozialen Frieden zu gefährden und ausländerfeindliche Tendenzen in der Gesellschaft Vorschub zu leisten", heißt es in dem Gutachten wörtlich. "Wenn zum Beispiel gleich qualifizierte Deutsche und ein gleich qualifizierter Flüchtling sich auf den gleichen Arbeitsplatz bewerben, dann hat derjenige, der vom Mindestlohn ausgenommen wird, natürlich die bessere Chance. Und das würde natürlich auch die Interessen der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer negativ berühren."
    Es gebe andere Wege, um den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern, Sprachkurse und Qualifizierungsmaßnahmen zum Beispiel, auch deshalb erscheine eine generelle Ausnahme vom Mindestlohn als unverhältnismäßig. Sie wäre würde auch kaum helfen, die Jobchancen von Flüchtlingen zu verbessern, meint die Grünen-Politikerin Brigitte Pothmer mit Blick auf die Sonderregelung für Langzeitarbeitslose. "Dieses Instrument wird überhaupt nicht genutzt. Also mit diesem Vorschlag reitet die CDU auch ein totes Pferd."
    Wer Flüchtlingen wirklich helfen wolle, müsse woanders ansetzen, sagt Pothmer, zum Beispiel bei der sogenannten Vorrangprüfung, danach müssen Arbeitgeber, die einen Ausländer einstellen wollen, nachweisen, dass es für die Stelle keinen heimischen Bewerber gibt. Das schrecke viele Unternehmen ab. Vor allem aber müssten die Jobcenter gestärkt werden, damit sie Flüchtlinge besser betreuen können. "Wir haben nicht hinreichend Personal, um diese Flüchtlinge gut zu betreuen. Es gibt schlicht und ergreifend zu wenig Sprachkurse, zu wenig Integrationskurse. Daran mangelt es an allen Ecken und Enden."
    Hier müsse die Bundesregierung ansetzen, statt Flüchtlingen mit Leistungskürzungen zu drohen, wenn sie Integrationsangebote nicht wahrnehmen, sagte Pothmer.