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Mindestlohn und Marktanteile

2008 fällt das Briefmonopol der Deutschen Post. Dann darf jedes Unternehmen alle Briefe bis 50 Gramm transportieren. Ausländische Brief-Monopolisten, Zeitungshäuser - viele wittern ein gutes Geschäft. Die Gewerkschaften hingegen fürchten massives Lohndumping: Schon heute seien die Arbeitsbedingungen bei den neuen Briefdienstleistern katastrophal und das Gehalt viel zu niedrig.

Von Matthias Günther und Melanie Hinter | 10.11.2007
    Lothar Daniel hat Spaß an seiner Arbeit. Der 49-Jährige aus Kiel ist als Fahrer und Zusteller bei einem privaten Postdienst beschäftigt und von morgens fünf Uhr an auf den Beinen.

    "Ich habe morgens die Post in Neumünster geholt - jetzt zum Schluss war das, seit August -, bin dann anschließend von Neumünster nach Kiel gefahren, habe in Kiel die Post übergeben, also die Kisten übergeben an andere Kollegen noch, die dann anschließend mit mir zusammen die Postboten angefahren haben. Dann bin ich wieder ins Büro. Dann habe ich meine Post sortiert, postfachfertig gemacht. Dann bin ich Postfach gefahren. Dann bin ich anschließend in mein Zustellgebiet nach Wellsee gefahren, habe da meine Runde gemacht: Wellsee, Kronsburg, Malmersdorf, Schlüsbeck, Moorsee -, und mittags habe ich dann schon wieder angefangen, Post abzuholen bei den Kunden, damit wir dann für den nächsten Tag ja die Post wieder hatten."

    Dass er so manchmal auf eine 60-Stunden-Woche kommt, stört Lothar Daniel nicht. Aber ein Stundenlohn zwischen 3,40 Euro und 4,50 Euro - das ist ihm zu wenig. Trotz seiner langen Arbeitszeit kommt er nur auf 1.100 Euro brutto, sagt er:

    "Da sind auch nur 800,- und 'Schlag mich tot' rausgekommen unterm Strich. Und von 800,- Euro kannst du nicht leben. Ob ich nun 750,- oder 850,- habe - und das ist ein Hunderter mehr im Endeffekt - aber leben kannst du auch nicht davon."

    Er ist zu seiner Mutter gezogen - in ihre Wohnung im dritten Stock eines Hochhauses in Kiel. Eine eigene Wohnung ist für ihn nicht drin. Lothar Daniel:

    "Heute kannst du dir keine Wohnung leisten; weder mit 750,- noch mit 850,- Euro kannst du dir eine Wohnung leisten. Eine Wohnung kostet 300,-, 350,- Euro, so. Und dann kommt ja noch dazu: der Strom, dann kommt Wasser noch dazu usw., usf. Diese ganzen Nebenkosten, die fressen dich im Endeffekt auf. Und am Monatsende bleibt nichts über; bzw. du hast schon gar nichts mehr bis zum Monatsende. Du weißt ja gar nicht mehr, wie du essen sollst."

    Viele Jahre lang hatte Lothar Daniel eine ordentlich bezahlte Arbeit bei einem Reinigungsunternehmen. Danach war er drei Jahre arbeitslos. Als er dann die Chance bei dem privaten Postdienst bekam, war er froh. Da ging es ihm wie vielen seiner Kollegen:

    "Die Voraussetzungen sind ganz einfach für einen Zusteller: dass er einigermaßen sauber aussieht, dass er sich ein klein wenig gut artikulieren kann, falls mal irgendetwas ist, also auf jeden Fall, dass er ein klein wenig mitdenken kann, wenn denn in seinem Bereich irgendwas passiert, oder wenn er eine Frage von Adressaten gestellt bekommt, Kunden, weiß der Teufel... Der Postbote ist ja ein Lehrberuf bei der Post und bei uns nun mal nicht. Bei uns sind das Leute, die aus allen möglichen Bereichen kommen, die vielleicht auch schon eine Zeit lang arbeitslos gewesen sind, weil sie schon ein gewisses Alter erreicht haben, dann keine Arbeit mehr bekommen haben."

    Lothar Daniel arbeitet sowohl als Fahrer als auch als Zusteller. Andere verdienen noch weniger als er:

    "Wenn einer nur zustellt, sagen wir mal so, dann hat er zwischen 250,- und 400,- Euro im Monat. Hartz IV. Das ist ganz klar. Also, die Leute sind alle beim Arbeitsamt gemeldet und beantragen ihre Leistungen Hartz IV, weil sie ja auch Wohngeld brauchen für die Wohnung."

    Zusammen mit einem Kollegen hat er im vergangenen Jahr einen Betriebsrat gegründet. Sie wollten etwas verändern - eine bessere Bezahlung erreichen. Dazu haben sie sogar einen Streik organisiert.

    "Es hat sich aber bis dato nichts, oder kaum etwas verändert. Lediglich die Fahrer haben ein klein wenig mehr bekommen, vom Stundenlohn her. Aber ansonsten: Die Zusteller bekommen weiterhin ihre 13 Cent pro Brief. Und da richtet es sich immer danach, wie viel Briefe sie im Endeffekt täglich haben. Und das ist dann der Monatsverdienst."

    Die Aktivitäten der beiden Betriebsratsgründer kamen bei ihrem Chef allerdings gar nicht gut an. Lothar Daniel beschreibt das gegenseitige Verhältnis so:

    "Extrem giftig. Am 18.09.2006 haben mein Kollege und ich die Kündigung, die fristlose Kündigung von ihm persönlich erhalten. Daraufhin waren wir vier Monate arbeitslos, bis wir dann wieder eingestellt werden mussten."

    Vor dem Arbeitsgericht haben sie sich durchgesetzt. Lothar Daniel konnte die Arbeit, die ihm Spaß macht, wieder aufnehmen.

    Sie liegen auf der Lauer, um auch etwas vom großen Kuchen abzubekommen - Postkonkurrenten wie die PIN AG oder TNT. Denn sie dürfen Briefe heute nur dann transportieren, wenn sie einen Mehrwert bieten, zum Beispiel die Abholung beim Kunden oder die termingenaue Zustellung. Aus diesem Grund bedienen sie bisher fast ausschließlich Geschäftskunden. Ihr Anteil am Briefmarkt: rund 10 Prozent. Doch das soll sich bald ändern.

    Im nächsten Jahr fällt das Briefmonopol der Deutschen Post - dann dürfen alle Briefe bis 50 Gramm transportieren. Besonders die Zeitungshäuser wittern ein gutes Geschäft. Nachdem der Medienkonzern Axel Springer die Mehrheit an dem Briefdienstleister Pin Group übernommen hatte, avancierte er zum größten Wettbewerber der Post im deutschen Briefgeschäft. Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner verspricht sich von der Investition eine starke Marktposition im künftig liberalisierten Postgeschäft. An der Pin Group sind außerdem die WAZ-Mediengruppe und die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck beteiligt, in der unter anderem die Berliner Tageszeitung Tagesspiegel erscheint.

    Das Engagement der Medienhäuser hat einen guten Grund. Die Werbe- und Vertriebserlöse in der klassischen Medienproduktion wachsen immer langsamer. Und so machen sich die Verlage auf die Suche nach neuen Geschäftsfeldern. Die Liberalisierung des Briefgeschäftes kommt ihnen da gerade Recht. Denn das deutsche Postgeschäft gilt als sehr rentabel. Unternehmen wie die Pin oder die niederländische TNT hoffen auf steigende Marktanteile, wenn das Monopol fällt.

    Vordergründig reagierte die Deutsche Post gelassen auf den Vorstoß des Verlages. Wenn das Verlagshaus so viel Geld ausgebe, zeige dies, wie zukunftsträchtig der Briefmarkt sei. Doch die Post fürchtet um Marktanteile - und um das Wohl der Beschäftigten. Der Grund dafür ist nicht nur die innerdeutsche Konkurrenz. Da Deutschland im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern in der Europäischen Union seinen Postmarkt schon zum 1. Januar 2008 öffnet, fürchtete das Unternehmen auch Wettbewerbsverzerrungen, wenn Monopolisten aus anderen Ländern in den deutschen Markt eindringen können, die Post aber keine Möglichkeit hat, auf deren Territorium Geschäfte zu machen. Die Post setzte sich deshalb für eine spätere Marktöffnung ein - Seit' an Seit' mit der SPD und den Gewerkschaften. Beide befürchten massives Lohndumping. Und beklagten katastrophale Arbeitsbedingungen vieler Beschäftigter bei den neuen Briefdienstleistern. Häufig seien sie wegen niedriger Löhne auf Zusatzleistungen angewiesen, etwa auf das aus Steuergeldern finanzierte Arbeitslosengeld II.

    Dem Aufruf der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di folgten im Mai fast 30.000 Postbedienstete und demonstrierten in Berlin gegen die Öffnung der Briefmärkte. Der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske:

    "Wir treten ein für eine zeitgleiche Marktöffnung der Postdienste. Wir wollen keine einseitige und vorschnelle Öffnung des deutschen Postmarktes. Sollen wir unsere Post schwächen, zehntausende Arbeitsplätze gefährden und eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung infrage stellen? Wir wollen das nicht, Kolleginnen und Kollegen."

    Eine ihrer Forderungen: die Einführung eines Mindestlohns und verbindliche Sozialstandards als Bedingung für die Vergabe von Lizenzen zur Bearbeitung von Briefsendungen.

    "Weil es nicht sein kann, dass Menschen arm gemacht werden durch Arbeit und entwürdigende Arbeitsbedingungen vorfinden und Entlohnungsbedingungen - dagegen muss man etwas machen. Arbeit darf nicht arm machen in diesem Land, und entwürdigen darf sie auch nicht."

    Der Protest der Gewerkschaften hatte keinen Erfolg - zumindest in einem Punkt: Die große Koalition vereinbarte, den Briefmarkt wie geplant zum 1. Januar 2008 zu öffnen. Die Sozialdemokraten rangen ihrem Koalitionspartner CDU jedoch ein Zugeständnis ab: die Aufnahme der Postdienstleister ins Arbeitnehmerentsendegesetz. Und damit faktisch die Einführung eines Mindestlohns für diese Branche. Sehr zur Freude des Postchefs. Da die Union gesetzlich festgelegte und allgemeine Lohnuntergrenzen weiterhin strikt ablehnt, einigte sich die Koalition darauf, die Postbranche in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufzunehmen.

    Das Vorgehen: die Tarifparteien der Branche einigen sich auf einen Mindestlohn und beantragen dann beim Arbeitsministerium, diesen für allgemeinverbindlich erklären zu lassen. Die Initiative muss also von den Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern ausgehen. Sie müssen selbst die Aufnahme in das Entsendegesetz beantragen. Voraussetzung dafür ist ein Tarifvertrag, der 50 Prozent der Beschäftigten einer Branche umfasst.

    Rasch gründete sich ein von der Deutschen Post dominierter Arbeitgeberverband, und ebenso rasch handelte dieser Arbeitgeberverband Postdienste mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und zwei kleineren Gewerkschaften einen Tarifvertrag aus. Man einigte sich auf einen Mindestlohn zwischen acht Euro und 9 Euro 80 und beantragte die Aufnahme ins Entsendegesetz. Sollte es soweit kommen, müssten auch die Postkonkurrenten den tariflich festgelegten Mindestlohn zahlen. Doch diese laufen Sturm gegen die Regelung - und gründeten einen eigenen Arbeitgeberverband. Zu ihm gehören unter anderem die mehrheitlich zum Springer Konzern gehörenden Postdienstleister Pin und der Postkonkurrent TNT. Sie wollen den Tarifvertrag neu verhandeln. Sie werfen der Post vor, die Konkurrenten vom Markt zu verdrängen zu wollen - und so ihr Monopol auf diese Weise zu verlängern. Florian Gerster, Präsident des Arbeitgeberverbandes 'Neue Briefe und Zustelldienste' hat ganz konkrete Erwartungen an die Politiker der Großen Koalition, die sich am Montag im Koalitionsausschuss mit diesem Thema beschäftigen werden:

    "Wir haben als Arbeitgeberverband allen Gewerkschaften - Verdi, der Christlichen- und der Kommunikationsgewerkschaft im Deutschen Beamtenbund - angeboten, neu zu verhandeln. Wir haben sogar dem Arbeitgeberverband Postdienste, der die Deutsche Post vertritt, eine Tarifgemeinschaft angeboten für neue Verhandlungen. Also, das ist unsere Hauptforderung, damit wir uns wirklich einbringen können. Wenn wir das nicht können, erwarten wir von der Politik, dass die Mindestlohnfestsetzung so nah wie irgend möglich an dem gesetzlich geforderten Mindestlohn liegt, und das sind 7,50 Euro. Mit 7,50 Euro Mindestlohn als Orientierung - im Osten vielleicht ein bisschen weniger - könnten wir durchaus leben."

    Verbündete finden die neuen Postdienstleister bei der Union. Hessens Ministerpräsident Roland Koch, CDU.

    "Wir haben immer der Post angeboten, ihr zu helfen, nicht in einem internationalen Wettbewerb unterzugehen - das ist das Stichwort: Entsendegesetz. Aber wir wollten nicht die Hand dazu reichen, dass eine Situation geschaffen wird, dass es 50.000 Jobs in Deutschland kosten kann, wenn wir einen Mindestlohn einführen, was die Post ausgehandelt hat, in der Hoffnung, dass dann nur noch die Post als Unternehmen da ist und alle anderen Pleite machen. Und deshalb: Die müssen einen Tarifvertrag vorlegen, der so realistisch ist, dass er für alle einigermaßen erträglich ist. Wir reden ja nicht über Mindestlöhne wie wir das in der Sozialpolitik gelegentlich tun, wo die Frage ist: Ist der Mindestlohn bei 5,80 Euro, bei 6,50 Euro oder 7,50 Euro? Sondern wir reden über einen Tarifvertrag, in dem der Mindestlohn für die einfachste Tätigkeit 9,80 Euro im Westen sein soll. Und ich finde, da darf die Politik schon sagen: Wenn man den Gesetzgeber als Schutzmacht brauchen will, dann muss man auch Vorschläge machen, die nicht mit diesem Vehikel 'Schutzmacht Gesetzgeber' nur dazu da sind, die Konkurrenz kaputtzumachen. Das geht nicht."

    Doch Neuverhandlungen lehnt Postchef Klaus Zumwinkel ab. Er ist davon überzeugt, die Konkurrenz betreibe Lohndumping, um ihre Preise dann in unzulässiger Weise zu drücken:

    "Ein Mindestlöhner, jetzt so wie abgeschlossen ist mit den drei Gewerkschaften, die hier im Postwesen tätig sind, geht von 8,- Euro bis 9,80 Euro - das ist 30, 40 Prozent unter den Posttarifen. Also, wer da nicht mit Wettbewerb treiben kann, der soll erst gar nicht anfangen."

    Zumwinkel wehrt sich damit gegen Vorwürfe, sich die Konkurrenz mit hohen Tarifen vom Halse halten zu wollen. Das hält ihm auch Florian Gerster vor.

    "Wenn der Markt wirklich entstanden ist und wir auch größere Gebiete übernehmen können und mehr Aufträge bekommen, dort wachsen unsere Löhne bald über ein Niveau, das über dem gesetzlich geforderten Mindestlohn von 7,50 Euro liegt."

    Der ehemalige SPD-Politiker Gerster kann auf die Unterstützung der Union bauen, während die SPD gemeinsam mit dem Arbeitgeber Zumwinkel für seinen Tarifvertrag kämpft. In der politischen Diskussion geht es aber längst nicht mehr um die Höhe des Mindestlohns. Strittig ist mittlerweile, für wen der Mindestlohn künftig gelten soll.

    Denn Voraussetzung ist, dass der Tarifvertrag mehr als 50 Prozent der Branchenbeschäftigten erfasst. Und hier scheiden sich die Geister. Jeder hat fleißig gerechnet - und ist je nach Standpunkt zu einem unterschiedlichen Ergebnis gekommen.

    Bundesarbeitsminister Franz Müntefering und Postchef Zumwinkel sind davon überzeugt, dass der Tarifvertrag, der für alle verbindlich werden soll, rund 65 Prozent der Briefdienst-Arbeitnehmer erfasst und somit wasserdicht ist. Genau das bestreiten aber die Union - und auch die Wettbewerber. Sie machen geltend, dass die Post nur eine Minderheit der Briefzusteller beschäftige und sehen lediglich eine Tarifbindung von höchstens 42 Prozent. Nach der Sitzung des Koalitionsausschusses am vergangenen Sonntag hatte es noch so ausgesehen, als bestünde Einigkeit, den Geltungsbereich des Tarifvertrages so einzuschränken, dass er sicher mehr als 50 Prozent der mit der Verteilung und Zustellung von Briefen Beschäftigten erfasst. SPD-Parteichef Kurt Beck sagte nach der Sitzung:

    "Wir haben miteinander vereinbart, dass für ganz geringfügige Tätigkeiten, die auch Post austragen bedeuten können, eine Regelung gesucht werden soll, einmal über die tarifliche Anpassung, aber dann auch über die gesetzliche und über die Verordnungsregelung. Aber es wird bei der Substanz bleiben, dass Briefzustellung, die nicht nur gelegentlich ist, unter den Mindestlohn fallen soll."

    Wer also künftig als Zeitungsbote ein paar Briefe zustellt, hätte keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Damit wäre aber nicht jeder, der einen Brief trägt, auch ein Briefträger, wie Arbeitsminister Franz Müntefering formuliert hatte. Doch mittlerweile scheinen die Kontrahenten wieder bei ihrem Streit über die Zahlen angekommen zu sein. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Norbert Röttgen möchte, dass der Tarifvertrag nachverhandelt wird.

    "Es ist sowohl die herrschende Rechtsauffassung wie auch ausdrückliche Verabredung in der Großen Koalition, dass ein Tarifvertrag, der für allgemein verbindlich erklärt werden soll, die Mehrheit der Beschäftigten umfasst, weil ja nicht die Minderheit ihre Vorstellung auf die Mehrheit ausdehnen kann."

    Der Kritik am Tarifvertrag schließt sich auch der CDU-Politiker Roland Koch an:

    "Die Post hat mit vielen Tricks versucht, einen Tarifvertrag zu organisieren, dass all ihre Konkurrenten, die es in Zukunft geben soll, möglichst nicht aufkommen können und nicht anfangen können, ihre Arbeit zu machen. Das geht nicht. Und darüber wird im Augenblick diskutiert. Wenn es darüber eine Einigung gibt, dann sollte die Sache auch einigermaßen schnell erledigt werden können. Und da sind jetzt auch die Tarifvertragsparteien noch ein Stück dran."

    Für eine Neuverhandlung hat sich auch Kanzlerin Angela Merkel ausgesprochen. Doch bei den Sozialdemokraten trifft sie dabei auf erbitterten Widerstand. Die politische Klärung dieser Frage steht auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung des Koalitionsausschusses am Montag.

    Doch die Auseinandersetzung zu diesem Thema findet nicht nur auf politischer Ebene statt. Mehrere Zeitungshäuser, darunter auch der Springer-Verlag, der eine Mehrheit beim Postdienstleister Pin hat, starteten eine Werbekampagne, in der Post und Politik
    gemeinsames Spiel bei der Aufrechterhaltung des Monopols vorgeworfen wird. Und plötzlich stornierte die Post bis zum Jahresende ihre Anzeigen mit einem Volumen von 800.000 Euro in allen Blättern des Springer-Verlags. Dabei handelte es sich um Anzeigen der Postbank, aber auch von Post-Töchtern wie DHL. Bei der Post heißt es, die Stornierung sei keine Strafe, sondern gehe auf eine normale Überprüfung der Werbekampagnen zurück. Außerdem hat Post-Chef Zumwinkel erkennen lassen, dass er ein fertiges Konzept für eine Gratiszeitung in der Schublade habe. Nicht ungefährlich für den Pin-Group-Mehrheitsaktionär Springer. Denn mit einer Gratiszeitung könnte Zumwinkel den Verlagen auf ihrem eigenen Feld Konkurrenz machen.

    Die Chancen dafür stehen nach Angaben von Zumwinkel nicht schlecht. Die Post habe Zugang zu 35 Millionen Haushalten. Bediene sein Unternehmen lediglich die Ballungsräume mit einer kostenlosen Tageszeitung, dann liege die Auflage bei gut zehn Millionen Exemplaren. Das Problem: Der Briefträger kommt erst im Laufe des Tages. Die Inhalte der Zeitung müssten somit auf Hausfrauen zugeschnitten sein. Keine schönen Aussichten für den Springer-Verlag. Denn unter einer solchen Gratiszeitung würde wohl vor allem die "Bild"-Zeitung leiden. Und das Flagschiff des Springer-Konzerns macht sowieso schwere Zeiten durch: Die Auflage der "Bild" sank im dritten Quartal um 4,5 Prozent.

    Die Auseinandersetzung zwischen Zeitungsverlagen und der Post um Mindestlohn und Marktanteile im Briefgeschäft - derzeit werden sie auch auf dem Rücken von Beschäftigten ausgetragen. Zusteller Lothar Daniel aus Kiel jedenfalls, hat inzwischen schon wieder Ärger mit seinem Arbeitgeber, einem privaten Postdienst.

    "Ich habe die Kündigung wieder am Hals. Ich bin schon wieder freigestellt."

    Nachdem er in Fernseh-Interviews von seinem Stundenlohn von lediglich 4 Euro 50 berichtet hatte, erhielt er eine außerordentliche Kündigung.

    "Ich bin halt derjenige, der nach vorne geht und ganz offen sagt, was Sache ist. Ich sage das auch ganz öffentlich, damit sich vielleicht was ändert."

    Lothar Daniel wehrt sich auch diesmal gegen die Kündigung. Wieder muss das Arbeitsgericht entscheiden. Eine Abfindung von einem Monatslohn will er jedenfalls nicht akzeptieren. Er möchte an seinen Arbeitsplatz zurück:

    "Warum soll ich eine Firma verlassen? Die Arbeit selbst macht mir ja Spaß. Aber warum soll ich die Firma verlassen, nur weil dem Arbeitgeber nicht gefällt, wenn ich sage, was die Leute verdienen bzw. was ich verdiene."

    Am 19. Dezember ist der nächste Gerichtstermin:

    "Es geht jetzt darum, dass geguckt wird, ob ich grob fahrlässig etwas getan habe, was der Firma schadet, und ob ich irgendwelche Falschinformationen in die Welt gesetzt habe. Da geht das jetzt drum. Und dann werden wir mal abwarten und Tee trinken."