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Mineralöl in Adventskalendern
Foodwatch fordert Grenzwerte für Lebensmittel

Außen Glitzer, innen Öl: In Adventskalendern verschiedener Hersteller haben die Lebensmittelkritiker von Foodwatch kürzlich Spuren von Mineralölen gefunden. Der Verkauf wurde jedoch nicht gestoppt, denn bisher gibt es noch keine Grenzwerte für Mineralöle in Lebensmitteln - obwohl sie potenziell krebserregend sind. Das will Foodwatch nun ändern.

Von Philip Banse | 18.12.2015
    Blick auf einen Adventskalender
    Das Mineralöl in den Adventskalendern kommt hauptsächlich aus der Verpackung, etwa aus Recyclingpapier, aber auch aus Lebensmittelzusatzstoffen und aus Schmierstoffen für die Maschinen. (dpa picture alliance / Ralph Kaiser)
    Spuren potenziell krebserregender Mineralöle fand das bayerische Landesamt für Lebensmittelsicherheit in den Adventskalendern "Santa's Schlitten" und "Für große Kinder" von Frankenwald Confiserie Bauer, im Adventskalender "Tischkalender zum Aufstellen" von Feodora, im Adventskalender "Goldora" der Windel GmbH und im Adventskalender "Santa Claus in Town" von Netto Marken-Discount. Die bayrische Behörde hat den Verkauf der Kalender jedoch nicht gestoppt und die Testergebnisse erst auf Forderung von Foodwatch veröffentlicht. Grund:
    "Der akute Verzehr dieser Produkte ist nicht als gesundheitsgefährdend zu bewerten", sagt Christian Weidner, der zuständige Toxikologe beim bayrischen Landesamt für Lebensmittelsicherheit. Auch haben die Firmen keine gesetzlichen Grenzwerte überschritten, aus dem einfachen Grund:
    "Es gibt überhaupt keine Grenzwerte. Die Produkte sind gesetzeskonform im Verkehr."
    Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hält Verzehr für bedenklich
    Keine Grenzwerte für Mineralöle in Lebensmitteln also. Der Grund: Nicht alle aromatischen Kohlenwasserstoffe seien gleich gefährlich. Welche genau und wie viel davon in einer Schokolade enthalten seien, sei derzeit technisch nicht messbar. Deswegen kein Grenzwert. Ziel sei aber, das Menschen weniger Mineralöl mit der Nahrung aufnehmen.
    Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit schreibt, dass der Verzehr von aromatischen Kohlenwasserstoffen wegen der Krebsgefahr generell bedenklich sei. Insbesondere "markentreue" Kunden oder Kunden, die häufig dasselbe Lebensmittelerzeugnis aus demselben Geschäft kaufen, könnten regelmäßig Lebensmitteln mit höheren Mineral-Öl-Konzentrationen ausgesetzt sein, so die Behörde. Martin Rücker von der Verbraucherschutzorganisation FoodWatch fordert:
    "Es ist unabhängig von der Konzentration dieser Verunreinigungen ein Risiko vorhanden, das ist so bei krebserregenden Substanzen. Und weil es vermeidbar ist, sollte es auch vermeiden werden."
    Das Öl kommt aus der Verpackung
    Denn wie die Mineralöle in Lebensmittel kommen, ist seit Jahren bekannt, schreibt die Europäische Gesundheitsbehörde: Hauptsächlich kommt das Öl aus der Verpackung, etwa aus Recyclingpapier, aber auch aus Lebensmittelzusatzstoffen, und aus Schmierstoffen für die Maschinen.
    Der Deutschlandfunk hat alle Hersteller um Stellungnahme gebeten. Ein Netto-Sprecher erklärte, die gefundene Menge Mineralöl liege nur knapp über der technisch möglichen Nachweisgrenze. Zitat: "Trotz minimalen Spuren arbeiten wir mit unserem Lieferanten weiter an Verbesserungen." Die Frankenwald Confiserie Bauer schreibt, die Firma habe die verunreinigten "Verpackungen aus dem Verkehr gezogen" und werde keine "Adventskalender mehr ins Sortiment aufnehmen". Die Adventskalender seien "nicht mehr im Umlauf" und würden "somit auch nicht verkauft". Die Windel GmbH schreibt: Der Verzehr der Schokolade gebe keinen Grund zur Besorgnis. Produkte der Windel Gmbh hervorzuheben sei "nicht zielführend und rufschädigend", weil Mineralöle in vielen Lebensmitteln vorkämen.
    Seit Jahren gibt es Mineralölrückstände in Lebensmitteln
    In der Tat: Mineralöl in Lebensmitteln – das gibt es seit Jahren, gestehen Bundesregierung und EU-Behörden – etwa in Brot und Nudeln. Die Stiftung Warentest hatte vor drei Jahren 24 Adventskalender untersucht und in allen Spuren von Mineralöl und verwandten Stoffen gefunden. Auch Foodwatch hat 120 Produkte untersucht und in fast der Hälfte Mineralölrückstände gefunden. Martin Rücker von Foodwatch fordert daher Grenzwerte:
    "Und zwar Grenzwerte, wie sie bisher noch nicht diskutiert werden, nämlich für die Menge der Mineralöle, die in einem Lebensmittel geduldet werden. Bei den aromatischen Mineralölen kann es nur heißen: null Toleranz. Wir wissen, dass bereits Spuren davon ein Gesundheitsrisiko darstellen; wir wissen, dass diese Verunreinigungen vermeidbar sind. Deswegen: Null Toleranz ist hier das Gebot der Stunde."
    Eine Sprecherin des zuständigen Bundesernährungsministeriums schreibt: Eine "rechtliche Regelung" befinde sich "in der Vorbereitung". Die Diskussion, welche Vorschriften am besten zur Problemlösung geeignet seien, dauere aber noch an.