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Mini-Nato-Gipfel in Rumänien
Zwischen den Fronten

In Rumänien, Polen, Bulgarien und auf dem Baltikum sind Anfang September Nato-Logistikzentralen eingeweiht worden. Einige osteuropäische Länder fordern mehr als diese militärischen Ministrukturen: Sie wollen ständige Nato-Stützpunkte. Das würde die Spannungen mit Russland allerdings verstärken. Am Mittwoch wollen die Staaten in Bukarest darüber beraten.

Von Annett Müller | 03.11.2015
    Die Nato-Flagge weht im Wind.
    Neue Nato-Stützpunkte also für die einstigen Ostblock-Länder? (picture-alliance / dpa / S. Sabawoon)
    Ein Neubaublock in einer Bukarester Garnison: In weiß getünchten Zimmern tippen Soldaten an Computern. Eine friedliche Szene. Doch in einem Krisenfall müssten sie von hier aus die Eingreiftruppe der Nato und damit Tausende Soldaten koordinieren. Für Basis-Chef Catalin Ticulescu eine völlig neue Herausforderung:
    "Wir kommandieren hier nichts, wir organisieren nur. Wird die Nato-Einsatzgruppe zu uns verlegt, klären wir, welche Route sie in Rumänien nimmt, wohin sie muss und in welcher Zeit, das geschehen soll."
    Feierlich war diese Nato-Logistikzentrale Anfang September eingeweiht worden - parallel zu fünf anderen in Polen, Bulgarien und dem Baltikum. Jede beherbergt lediglich rund 40 Soldaten, aus verschiedenen Nato-Ländern. Militärische Mini-Strukturen, die alleine nichts ausrichten können. Für den rumänischen Verteidigungsminister Mircea Dusa hat die Logistikzentrale in Bukarest dennoch großen Symbolwert:
    "Für uns ist das ein ungewöhnliches Ereignis, denn es ist die erste Nato-Struktur in Rumänien. Es ist ein erster Schritt, um die Ostflanke der Nato und der EU weiter abzusichern."
    Ständige Nato-Stützpunkte
    Geht es nach einigen osteuropäischen Ländern, soll dieser Schritt nicht der letzte bleiben. Polen und das Baltikum fordern längst ständige Nato-Stützpunkte mit westlichen Soldaten und Militärausrüstung. Ihrer Ansicht nach wäre der Nato-Gipfel in Warschau im nächsten Juli der richtige Ort, um vom Westen eine Zusage dafür zu erhalten. Die Mehrheit der Rumänen denkt ähnlich.
    "Russland ist hier ganz in der Nähe. Der Kreml hat uns lange Zeit unterjocht. Die Nato sollte uns besser bewachen vor den Russen."
    "Schauen Sie, wie Russland in Syrien und in der Ukraine agiert. Der Kreml ist willkürlich. Da müssen wir Maßnahmen ergreifen. Mit der Nato hier würden wir uns sicherer fühlen. Wir brauchen Partner, die uns verteidigen."
    Ihre eigene Geschichte lehrt die Rumänen das Fürchten. Unvergessen ist, dass das Land im Zweiten Weltkrieg Regionen an die Sowjetunion verlor. Hitler und Stalin hatten die Aufteilung damals heimlich ausgekungelt. Bis heute herrscht in Rumänien tiefes Misstrauen, dass Berlin und Moskau womöglich eines Tages wieder gemeinsame Sache machen könnten. Ein eigener Nato-Stützpunkt im Land würde dem Misstrauen etwas entgegensetzen, meint der rumänische Politikwissenschaftler Valentin Naumescu:
    "Natürlich haben wir als Nato-Mitglied Sicherheiten. Artikel 5 im Nato-Vertrag besagt ja, dass im Krisenfall jeder Staat von den anderen verteidigt würde. Doch das ist nur ein Artikel. Wir wollen, dass er mit Soldaten und militärischer Ausrüstung unterfüttert wird. Denn in der Geschichte ist es oft passiert, dass man die Garantien nur auf dem Papier hatte."
    Verhältnis zum Kreml
    Neue Nato-Stützpunkte also für die einstigen Ostblock-Länder? Das würde die Spannungen mit Moskau noch verschärfen. Was das Verhältnis zum Kreml betrifft, sind die Osteuropäer aber zutiefst gespalten. Jedes Land fährt einen eigenen Kurs - ganz nach seinen nationalen Interessen. Dass das Bukarester Treffen hier ein neues Einheitsgefühl bringt, glaubt der Politikwissenschaftler Armand Gosu nicht:
    "Die osteuropäischen Länder hatten nach dem Fall der Diktatur bislang nicht genügend Zeit, um zu lernen, zusammenzuarbeiten. Das wird noch dauern. Das Problem ist aber: Wird überhaupt noch Zeit zum Lernen bleiben, angesichts der Bedrohungen für die weltweite Sicherheit?"
    Was genau beim Treffen in Bukarest erreicht werden soll, darüber schweigt sich das rumänische Präsidentenamt als Gastgeber aus. Politikwissenschaftler Gosu hält diese Zurückhaltung für angemessen. So sei bislang völlig unklar, wer die geforderten Nato-Stützpunkte in Osteuropa überhaupt finanzieren würde. Berlin lehne die Idee bislang ab. Und auch Washington als größter Nato-Geldgeber zeige sich reserviert:
    "Wenn Osteuropa jetzt lautstark die Stützpunkte fordert, sie dann aber nicht bekommt, was denkt dann die eigene Bevölkerung? Etwa, dass Amerika und Westeuropa sie aufgegeben haben und sie Russland überlassen? Das wäre nun wahrlich die falsche Botschaft."