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Minister des Kalten Krieges

Kein anderer Außenpolitiker hat die 50er-Jahre so stark geprägt wie John Foster Dulles. Der Amerikaner bezeichnete den Kommunismus als moralisches Übel und formte den Westen zu einer festen Einheit. Vor 50 Jahren starb Dulles.

Von Ralf Geißler | 24.05.2009
    Ehrensalut auf dem Nationalfriedhof in Arlington. Es ist Ende Mai 1959. Der ehemalige US-Außenminister John Foster Dulles wird beigesetzt, und alle Großen der Weltpolitik sind gekommen: Dwight D. Eisenhower, Konrad Adenauer. Sogar der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko steht am Grab, obwohl Dulles ihn oft mit hasserfüllten Tiraden überschüttet hatte. In Westdeutschland berichtet das Radio live von der Trauerfeier.

    "Häufig sind Staatsoberhäupter, selten ist ein Außenminister so geehrt worden, wie der, dessen sterbliche Reste eben von der Lafette gehoben und zum offenen Grabe getragen werden."

    Am 24. Mai 1959 war Dulles an einem Krebsleiden gestorben. Er galt als wichtigster Außenpolitiker zu Beginn des Kalten Krieges – berüchtigt für seine harte Haltung gegenüber der Sowjetunion. Niemals nachgeben – so formulierte es Dulles 1956 in einem Interview.
    "Die Fähigkeit, bis an die Grenze des Krieges zu gehen, ohne in ihn hineingerissen zu werden, ist eine notwendige Kunst. Wer sich fürchtet, an den Rand des Abgrunds zu treten, der ist verloren."

    Geboren wurde Dulles 1888 in Washington. Schon der Großvater und der Onkel waren Außenminister. Und so zeichnet sich auch bei John Foster Dulles früh eine politische Karriere ab. Als 19-Jähriger begleitet er seinen Großvater zur Zweiten Haager Friedenskonferenz von 1907. Kurz darauf beginnt Dulles sein Jura-Studium. Schwerpunkt: Internationales Recht.

    1917 treten die USA in den Ersten Weltkrieg ein. Dulles wird vom Einsatz an der Front ausgemustert. Seine Augen sind zu schlecht. So dient er in der Handelsbehörde der Armee. Er kümmert sich um die Routen der Versorgungsschiffe. Sie dürfen den Deutschen nicht in die Hände fallen. Nach dem Krieg nimmt Dulles an den Friedensverhandlungen von Versailles als Beobachter teil. Anschließend arbeitet er viele Jahre in einer großen Anwaltskanzlei, die sich auf internationale Geschäfte spezialisiert hat. Auch in Nazideutschland ist die Firma bis 1935 aktiv. Nebenbei berät Dulles verschiedene Politiker. 1952 ernennt ihn US-Präsident Eisenhower zum Außenminister. In einer Rundfunkrede spricht Dulles über seine Prinzipien.

    "Das große Ziel unserer Außenpolitik lautet: Die Menschen der Vereinigten Staaten sollen die Vorzüge der Freiheit genießen. Unter den heutigen Umständen auf der Welt erreichen wir dieses Ziel aber nicht, wenn wir nur an uns selbst denken. Wir müssen auch anderen zur Freiheit verhelfen."

    Es ist Kalter Krieg. Dulles baut die Nato aus. Er forciert die Gründung der pazifischen Schwesterorganisation Seato und er fordert eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft. Der US-Außenminister schweißt den Westen zusammen. Für ihn gibt es nur Freiheit oder Kommunismus. Neutralen Ländern wirft er Verantwortungslosigkeit vor. Das beginnende Wettrüsten hält Dulles für ein notwendiges Übel.

    "Moderne Waffen verfügen über eine immense zerstörerische Kraft. Das macht natürlich Angst. Aber diese Tatsache wird selbst den Rücksichtslosesten – so hoffen wir zumindest – davon abhalten, solche Waffen auch einzusetzen."

    Zum ersten Mal formuliert Dulles das Prinzip vom Gleichgewicht des Schreckens. Zur gleichen Zeit erfindet er die Eisenhower-Doktrin: Die Länder im Nahen Osten sollen enger an Amerika gebunden werden. Sechs Jahre leitet Dulles das US-Außenministerium. Mitte April 1959 muss er zurücktreten. Sein Krebsleiden raubt ihm die Kraft. Wenige Wochen später stirbt er. Sein deutscher Amtskollege Heinrich von Brentano würdigt ihn in einem Rundfunkinterview.

    "Er war der Überzeugung, dass auch politische Entscheidungen getragen werden sein von moralischen Erkenntnissen."

    An Dulles' Todestag beraten in Genf die Außenminister über den Ost-West-Konflikt. Die Tagung wird unterbrochen, damit jeder zur Beisetzung reisen kann. In einem Nachruf ist in diesen Tagen zu lesen, Dulles habe als junger Mann von einem stabilen Weltfrieden geträumt. Gelungen sei ihm nur ein stabiler Waffenstillstand im Kalten Krieg.