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Minister unter Druck
Foltervorwürfe im Fall Sami A.

Im Fall des rechtswidrig abgeschobenen Sami A. wächst der Druck auf NRW-Integrationsminister Joachim Stamp. Der islamistische Gefährder sei in Tunesien gefoltert worden, sagen die Anwälte von Sami A.

Von Moritz Küpper | 28.08.2018
    NRW-Integrationsminister Joachim Stamp
    NRW-Integrationsminister Joachim Stamp, FDP (dpa / Federico Gambarini)
    Er habe über zwei Tage nahezu kein Essen und nichts zu trinken erhalten, er wurde stundenlang gefesselt, vor eine Wand gesetzt und durch Schläge am Einschlafen gehindert, schreibt die Anwältin von Sami A., Seda Basay-Yildiz, in einem zwölfseitigen Schreiben, das diesem Sender vorliegt, an NRW-Integrationsminister Joachim Stamp von der FDP. Zuerst hatte der "Kölner Stadt-Anzeiger" darüber berichtet.
    Aus Schutz gegenüber ihrem Mandanten, wolle sie selbst aber keine weiteren Angaben machen, so Rechtsanwältin Basay-Yildiz. Doch der Brief erhöht nun noch einmal den Druck auf NRW-Integrationsminister Stamp, in dessen Verantwortungsbereich, die von zwei Gerichten als unrechtmäßig eingestufte Abschiebung vom 13. Juli fällt.
    Stamps Festlegung: keine Folter
    Nachdem das NRW-Oberverwaltungsgericht Münster vor anderthalb Wochen betätigt hatte, dass der als Gefährder eingestufte 42-jährige Sami A. sofort aus Tunesien zurückgeholt werden müsse, hatte Stamp, der die volle politische Verantwortung für diese Entscheidung übernommen hatte, einen Rücktritt abgelehnt - und betont: "Ich war und bin davon überzeugt, dass Sami A. nicht gefoltert worden ist und ihm auch keine Folter droht. Wenn dies passiert, wenn dies passiert wäre oder passieren würde, würde ich nicht eine Minute zögern, mein Amt zur Verfügung zu stellen."
    Die nun beschriebenen Aktionen seien als "Folter oder sonstiger unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gemäß Artikel 3 der Menschenrechtskonvention einzustufen", schreibt dagegen nun Anwältin Basay. Auf Seiten des NRW-Integrationsministeriums gab man sich zurückhaltend: Der Brief sei gestern, Montag, im Ministerium eingegangen, hieß es auf Anfrage. Und weiter: Man sei davon überzeugt, dass Sami A. in Tunesien nicht gefoltert worden sei und ihm auch keine Folter drohe.
    Flüchtlingsrat NRW: Vorwürfe prüfen
    Diese direkte Zurückweisung sorgte beim Flüchtlingsrat NRW für Erstaunen, so Geschäftsführerin Birgit Naujoks gegenüber dem WDR: "Es verwundert, dass die Vorwürfe, die im Raum stehen, sofort abgewehrt werden, denn eigentlich müsste zunächst mal geprüft werden, was an den Vorwürfen dran ist. Das heißt: Erste Maßnahme wäre jetzt eine vollständige Sachverhaltsermittlung, um dann ein endgültiges Urteil darüber fällen zu können, ob es tatsächlich zu Folter gekommen ist oder nicht."
    Die "Bild"-Zeitung hatte zuletzt ein Foto von Sami A. in Shorts und Badelatschen veröffentlicht und - laut eines Vermerks des nordrhein-westfälischen Staatsschutzes - darüber berichtet, dass Sami A.s Ehefrau nicht glaube, dass ihr Mann in Tunesien gefoltert werde. Doch neben diesem Vorwurf beinhaltet das Schreiben der Rechtsanwältin zwei weitere Punkte, die NRW-Minister Stamp in Schwierigkeiten bringen könnten. Zum einen wird die Frage gestellt, warum es Sami A. "trotz mehrfacher Bitten" während der Abschiebung nicht erlaubt worden sei, mit seinem Rechtsbeistand Kontakt aufzunehmen. Außerdem wird Stamp darum gebeten, zu erläutern, warum er die Abschiebung nicht abgebrochen hatte, nachdem ihm bekanntgeworden war, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die Aktion verboten hatte.
    Unterdessen wurde bekannt, dass die Stadt Bochum das von der Anwältin beantragte Zwangsgeld wegen fehlender Rückholtätigkeit nicht zahlen muss.