Dienstag, 19. März 2024

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Ministerpräsidentenwahl in Thüringen
"Die Union hat ganz klar die Oppositionsrolle zugewiesen bekommen"

Der thüringische CDU-Politiker Tankred Schipanski lehnt es ab, mit einem Unionskandidaten bei der Ministerpräsidentenwahl anzutreten. Denn seine Partei könne dabei nur Erfolg mit AfD-Stimmen haben, sagte er im Dlf. Zudem hätten die Wähler der CDU keine Rolle mit Verantwortung zugewiesen.

Tankred Schipanski im Gespräch mit Sandra Schulz | 05.02.2020
Tankred Schipanski (CDU), spricht bei der 83. Sitzung des Bundestags zur Umsetzungsstrategie Digitalisierung
Tankred Schipanski (CDU) spricht im Bundestag (dpa / Britta Pedersen)
Mit ihrem Votum bei den Landtagswahlen haben die Wählerinnen und Wähler in Thüringen die Politik vor eine schwierige Aufgabe gestellt: Die rot-rot-grüne Regierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow hat ihre Mehrheit verloren, rechnerisch mögliche Bündnisse haben sich als politisch unmöglich erwiesen - insbesondere weil die CDU an kompromisslos ihrer Position festhält: Keine Zusammenarbeit mit der Linken oder der AfD.
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Wen der Thüringer Landtag zum neuen Ministerpräsidenten wählt, ist völlig offen. Weder Amtsinhaber Bodo Ramelow von der Linken noch irgendein anderer Politiker hat eine Mehrheit. Eine überraschende Wendung ist nicht ausgeschlossen.
Ministerpräsident Ramelow will daher mit einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung weitermachen. Am heutigen Mittwoch stellt sich der Linken-Politiker im Landtag zur Wiederwahl. Im Interview mit dem Dlf erläutert Tankred Schipanski, Mitglied der CDU-Landesgruppe Thüringen im Bundestag, warum die Union keinen eigenen Kandidaten für die Ministerpräsidentenwahl aufgestellt hat und weshalb sie weder mit der Linken noch mit der AfD koaliert.
"Jetzt beliebig zu werden, halte ich für einen Fehler"
Schulz: Das Land steht jetzt vor politisch instabilen Verhältnissen. Warum hat sich die CDU da nicht als Stabilitätsanker empfohlen?
Schipanski: Ich glaube, die CDU ist immer ein Stabilitätsanker, ob in Opposition oder in Regierungskoalition.
Schulz: Außer in Thüringen.
Schipanski: Aber die CDU hat vor der Wahl ganz klar gesagt, mit wem sie koalieren und zusammenarbeiten will und mit wem sie das nicht will. Und an diese Aussagen und Beschlüsse hält sie sich dementsprechend auch nach der Wahl.
Schulz: So klar - das haben wir ja gerade in dem Bericht von Henry Bernhard auch noch mal gehört – war Mike Mohring, ihr Landesvorsitzender, da ja nicht. Und wir hören jetzt auch Stimmen aus ihrer Partei, aus der CDU, zum Beispiel von Daniel Günther, dem Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein, der gerade dieses Stabilitätsthema aufgreift. Der sagt, das sei auch eine Frage, mit der man Vertrauen verliere. Unterschätzen Sie das?
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CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring stand bei der Wahl im Schatten von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Laut Wahlanalytiker Roberto Heinrich von infratest dimap ist das einer der Gründe, warum die CDU dort so viele Wähler an die Linkspartei verlor.
Schipanski: Ich glaube, das unterschätze ich nicht. Wir wussten bereits vor der Wahl, dass es schwierig wird mit der Mehrheitsfindung in Thüringen, haben uns vor der Wahl daher nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf Landesebene ganz klar dazu bekannt, nicht mit AfD und nicht mit Linken zusammenzuarbeiten. Dafür haben wir sehr, sehr gute Gründe gehabt und haben diese Gründe immer noch. Und jetzt beliebig zu werden und von dieser klaren Position abzuweichen, halte ich für einen Fehler. Ich kann nur sagen, von der Beliebigkeit in die Bedeutungslosigkeit. Und was das heißt, sich mit Links oder mit Rechts einzulassen, sich von seinem Markenkern zu entfernen, das hat uns, glaube ich, sehr eindrücklich die SPD in den neuen Bundesländern gezeigt, indem sie mit den Linken zusammengearbeitet hat. Und Sie sehen, bei welchen Prozentzahlen die SPD jetzt in den neuen Bundesländern steht.
"AfD kann kein Partner für die CDU sein"
Schulz: Lassen Sie uns diese Gründe, von denen Sie gerade sprechen, im Einzelnen durchgehen. Die AfD nennt sich eine bürgerliche Partei. Es hat aus der CDU ja auch die Stimmen gegeben, auch Warnungen davor, man dürfe eine Zusammenarbeit nicht voreilig ausschließen. Mike Mohring – Sie haben es auch gerade skizziert -, der fährt da anders. Ist er da gut beraten?
Schipanski: Nein. Ich kann nur festhalten: Wir haben uns ja vor der Wahl auch abgestimmt mit dem Ministerpräsidenten von Bayern, dem Ministerpräsidenten von Hessen. Die alle haben Thüringen besucht, haben die CDU-Basis besucht und wir haben einstimmig entschieden, nichts mit der AfD zusammen zu machen. Das hat gute Gründe. Es ist eine völkische Partei, insbesondere was Thüringen angeht, sehr, sehr viele rechtsextreme Funktionäre. Wir erleben das hier in Berlin auch jüngst mit der Abwahl des Rechtsausschuss-Vorsitzenden, Herrn Brandner von der AfD. Das kann kein Partner für die CDU sein, von daher sehr, sehr gute Gründe, das nicht zu tun. Und ich halte es für falsch, dass wir überhaupt vorher uns ein Stückchen geöffnet haben, dass es diese Diskussion Richtung AfD gab.
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Schulz: Können Sie es denn ausschließen, dass der Kandidat, den die AfD nominiert hat, der parteilose Herr Kindervater, dass der Stimmen aus der CDU-Fraktion in Erfurt heute bekommt? Das wird man ja sehr wahrscheinlich sehen und zählen können.
Schipanski: Es ist ja eine geheime Wahl. Von daher weiß ich nicht, wie die Kollegen im Thüringer Landtag letztlich abstimmen. Aber genau das ist ja der Grund, warum die CDU auch keinen Kandidaten aufstellt, weil die Mehrheit, um einen bürgerlichen Kandidaten durchzubringen bei dieser Wahl, geht ja immer nur mit Stimmen der AfD, und das ist für uns ausgeschlossen. Daher haben wir auch eine klare Beschlusslage, eine klare Position. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Parteifreunde davon abweichen wollen und sich mit Stimmen von der AfD unter Umständen wählen lassen wollen. Das war ja auch eine Idee, die diskutiert wurde. Der wurde eine klare Absage erteilt, auch gestern noch mal im Landesvorstand und in der Fraktion.
Diese Diskussionen, die wir geführt haben, sowohl Richtung Links als auch nach rechts, haben uns ja massiv geschadet. Die Union hat in der letzten Umfrage gerade mal noch 19 Prozent Zustimmung bekommen. Und das hat natürlich mit so einer, muss man fast sagen, führungslosen Diskussion zu tun.
"Bodo Ramelow ist nicht die Linkspartei"
Schulz: Wobei die Lage ja bisher nicht so klar war. Die Spekulationen darüber, dass auch die CDU in diesem dritten Wahlgang, falls es zu dem kommen sollte, einen eigenen Kandidaten stellen könnte, die waren ja bis zuletzt eigentlich in der Welt. Das heißt, sie schließen das heute Morgen aber aus?
Schipanski: So ist die Beschlusslage, die der Landesvorstand und die Fraktion gestern gefasst haben. Man überlegt, im dritten Wahlgang eventuell dann den FDP-Kandidaten zu unterstützen. Ich kann nur sagen, ich finde die Diskussionen schon abenteuerlich, mit einem Kandidaten der Union überhaupt ins Rennen zu gehen. Erst mal wiederum hat man nur Erfolg mit Stimmen der AfD. Andererseits haben wir bei der Landtagswahl Ende letzten Jahres zwölf Prozent verloren. Das ist ein katastrophales Ergebnis, das schlechteste Ergebnis der Union seit 2009. Wir sind nur noch drittstärkste Kraft. Die Union hat ganz klar die Oppositionsrolle vom Wähler zugewiesen bekommen und keine Rolle, hier Verantwortung zu übernehmen oder zu gestalten.
Schulz: Jetzt ist es so, wenn wir diese Gründe noch mal weiter durchgehen: Sie haben die AfD und Die Linke gerade in einem Atemzug genannt, haben beide als extrem bezeichnet. Wir sprechen bei der Linken ja über die Partei, die Thüringen in den letzten fünf Jahren regiert hat. Was ist denn radikal an der Linkspartei von Bodo Ramelow?
Schipanski: Ich glaube, es geht nicht immer um die Linkspartei von Bodo Ramelow. Sie stellen immer sehr (und auch die Medien sehr) auf Bodo Ramelow ab. Mit Sicherheit ist Bodo Ramelow nicht die Linkspartei, so wie Herr Kretschmann in Baden-Württemberg nicht die Grünen sind. Sondern hinter ihm, hinter Bodo Ramelow in Reihe zwei und drei, da finden wir alte, muss man sagen, Kommunisten, Sozialisten, alte Stasi-Mitarbeiter, Funktionäre, die ganz klar ein Ziel verfolgen, diese Bundesrepublik anders zu gestalten. Die die DDR verherrlichen, die nicht einsehen, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen ist, die sich mit der Diktatur der DDR identifizieren. Und das passt natürlich nicht zum Programm der Union. Von daher ist es links wie rechts für uns nicht möglich.
"Programm der Linkspartei passt nicht zur CDU"
Schulz: Herr Schipanski, was Sie jetzt aber nicht gesagt haben, ist, dass die CDU ja mit Henry Worm auch einen Landtags-Vizepräsidenten stellt, der bis 1989 in der SED war. Wenn das die Messlatte ist, ist die CDU dann auch radikal?
Schipanski: Es geht, glaube ich, nicht um die Messlatte. Es geht ja auch um die Äußerungen, die getan werden. Sie wissen, dass der Verfassungsschutz eine ganze Weile auch Die Linke beobachtet hat. Sie kennen die Kommunistische Plattform, sie kennen viele, viele Äußerungen und Aktivitäten einzelner Mitglieder.
Schulz: Es war ja die inhaltliche Frage: Was ist radikal, wer sind die Köpfe? Sie haben in der Vergangenheit auch Leute zitiert, die inzwischen gar nicht mehr im Landtag sitzen. Was genau sind da die Fälle?
Schipanski: Es geht nicht nur um Leute, die im Landtag sitzen. Es gibt auch Leute, die die Linkspartei unterstützen. Und wenn Sie das Programm der Linkspartei lesen, ist das fatal und passt eben absolut nicht zum Programm der CDU, die für christliche Werte, für soziale Marktwirtschaft steht. Genau dieses soziale marktwirtschaftliche System, diese Gesellschaftsform möchte Die Linke nicht haben, sondern möchte dies ersetzen, und das ist mit der Union nicht zu machen.
"Die Linke hat das Land von Grund auf verändert"
Schulz: Aber Die Linke hat ja nun jetzt schon seit fünf Jahren regiert. Das Privateigentum ist nicht abgeschafft. Die rot-rot-grüne Regierung hat sogar Schulden abgebaut. Schon im letzten Koalitionsvertrag, weil Sie das auch gerade angesprochen haben, da wurde die DDR als Unrechtsstaat benannt. Was genau sind da die inhaltlichen Punkte?
Schipanski: Wenn Sie sehen, dass in Berlin Die Linke ganz aktiv über Enteignungen diskutiert, dann ist das Privateigentum natürlich schon gefährdet. Zum anderen regiert Die Linke in Thüringen nicht alleine, kann natürlich so ihr radikales Programm auch nicht zu 100 Prozent umsetzen und hat natürlich schon auch Korrektive, insbesondere durch die Grünen und auch durch die SPD.
Schulz: Das ist in Berlin ja auch so.
Schipanski: Ich kann nur sagen, schauen Sie sich das Programm der Linken an, und dann sehen Sie, was daran radikal ist. Dass man jetzt innerhalb von fünf Jahren nicht alles durchsetzen konnte, so wie Die Linke das wollte, das ist, glaube ich, ganz normal. Die Linke hat aber das Land von Grund auf verändert, wenn ich hier an eine Gebietsreform denke, wo ganz intakte Strukturen ganz systematisch zerschlagen wurden, was uns viel Mühe bereitet, vor Ort eine große Verunsicherung bei den Kommunen hat. Wenn ich an die Zentralisierungstendenzen denke, dass der ländliche Raum massiv benachteiligt wird und nur noch Investitionen in großen Städten passieren. Das sind alles Dinge, wo Die Linke auch wirklich Pfeile eingeschlagen hat in den letzten fünf Jahren in Thüringen und dieser Freistaat sich nicht in einem positiven Sinne entwickelt.
Schulz: Tankred Schipanski, jetzt läuft uns die Zeit zugegebenermaßen ein bisschen weg. Eine Frage muss ich aber noch los werden mit der Bitte um eine kurze Antwort. Wie geht das in Erfurt heute aus?
Schipanski: Ich gehe davon aus, dass in einem der drei Wahlgänge Bodo Ramelow gewählt wird und er dann eine ganz normale Minderheitsregierung hat und er sich für seine einzelnen Projekte Mehrheiten suchen muss, so wie das ganz typisch für eine Minderheitsregierung ist und auch überhaupt nichts Besonderes.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.