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Minsker Abkommen
Ausreden, Wunschdenken, Hoffnungen

Keine 24 Stunden nach Inkrafttreten der Vereinbarung von Minsk werfen sich die Ukraine und russische Separatisten bereits Verstöße gegen den Waffenstillstand vor. Über die Umsetzung der 13 Punkte des Abkommens sprechen beide Konfliktparteien nur ungerne. Eine politische Lösung bleibt daher weiter fraglich.

Von Florian Kellermann | 17.02.2015
    Putin, Merkel, Hollande, Poroschenko.
    Noch ist unklar, ob die 13 Punkte des Minsker Abkommens umgesetzt werden können. (picture alliance/dpa/Maxim Shipenkov)
    Die Vereinbarung von Minsk enthält 13 Punkte. Über die meisten von ihnen gingen die Kommentatoren rasch hinweg, auch in der Ukraine. Dabei sind das gerade die Punkte, die eine Lösung des Konflikts skizzieren sollen. Sie zeigen, wie sich das Donezkbecken politisch entwickeln könnte.
    Eine grundlegende Bestimmung dort ist ein Amnestiegesetz. Es soll verhindern, dass Personen im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ostukraine verfolgt und bestraft werden können.
    Dennoch kommentierte der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin im Parlament.
    "Diese sogenannte Amnestie wird nur im Rahmen des Amnestie-Gesetzes gelten, das wir hier im Parlament schon früher beraten haben.
    Diese Amnestie wird keinesfalls für diejenigen gelten, die sich Kapitalverbrechen schuldig gemacht haben. Dies haben wir bei den Verhandlungen auch ganz klar festgestellt."
    Das klingt wenig glaubwürdig. Unter diesen Umständen hätten wohl weder Russland noch die Separatisten dem Abkommen zugestimmt. Schließlich haben die meisten der Kämpfer - und vor allem die Anführer - in den Augen der Ukraine natürlich Kapitalverbrechen begangen. Vom ukrainischen Gesetz her müssten sie sich für jeden getöteten ukrainischen Soldaten verantworten.
    Reines Wunschdenken
    Aber auch die Separatisten sprechen nicht so gern über die politischen Details des Abkommens. Andrej Purgin, Vorsitzender des sogenannten Parlaments der Volksrepublik Donezk, sieht die Umsetzung dieser Punkte in weiter Ferne.
    "Das Abkommen ist so konstruiert, dass ein Punkt erst dann relevant wird, wenn die Punkte zuvor erfüllt wurden. Ich will nicht Dinge kommentieren, die vielleicht nie wichtig werden.
    Aber wenn wir denn Prozess bis zu Ende führen, dann werden wir es mit einer ganz anderen Ukraine zu tun haben, einem Staat, wo Präsident Poroschenko im Gefängnis sitzt."
    Auch das ist, offensichtlich, reines Wunschdenken. Beide Seiten drücken sich also um die schwierigen Fragen. Die Separatisten können kaum erklären, wieso sie ein Dokument unterschrieben haben, wonach das Donezkbecken Teil der Ukraine bleibt. Das haben sie gegenüber den Menschen im Osten immer wieder kategorisch ausgeschlossen.
    Weitere Eckpunkte der Minsker Vereinbarung sind: eine Verfassungsreform, die den Kommunen und Regionen mehr Selbstständigkeit gibt und ein darüber hinausgehender Sonderstatus für das Donezkbecken. Die Region soll unter anderem eine eigene Miliz unterhalten dürfen - die Separatisten wollen dafür einfach ihre Kämpfer hernehmen. Auch besondere Beziehungen zu Nachbarregionen in Russland sind vorgesehen.
    Das alles seien bisher nur Hinweise für den weiteren Weg, sagt der Politologe Andrij Jermolajew. Seiner Ansicht nach sei ein landesweiter, offener Dialog notwendig, auch mit den Separatisten, um eine tragfähige politische Lösung zu finden.
    "Wenn die beiden Seiten weiterhin nur Erklärungen abgeben, wird das zu nichts führen. Wir brauchen ein nationales Forum, um die Fragen zu klären. Daran sind auch die Anführer der Separatisten interessiert. Sie sind in der Gefahr, dass sie die Unterstützung ihrer bewaffneten Kämpfer verlieren, dass Aufstände ausbrechen. Das muss die Ukraine ausnutzen, aber nicht mit Waffengewalt. Das würde nur zu weiteren Hunderten Opfern führen."
    Streben nach einem besseren Staat
    Eine Strategie der Ukraine könnte so aussehen, dass sie den Separatistengebieten tatsächlich große Autonomie zugesteht. Damit hätte Russland sein Ziel erreicht, durch seinen Einfluss auf das Donezkbecken die Geschicke der Ukraine mitzubestimmen. Gleichzeitig müsste die Ukraine danach streben, ein besserer, gerechterer Staat zu werden, zu dem sich nach und nach alle Ukrainer voll bekennen.
    Das sei möglich, sagt Dietmar Stuedemann, ehemaliger deutscher Botschafter in Kiew. Aber die Ukraine müsse endlich anfangen, sich zu reformieren.
    "Es wird immer darüber gesprochen, es werden Projekte entwickelt, es werden Gesetze verfasst. Und was wird umgesetzt?
    Bisher sehe ich offen gestanden da wenig. Deswegen denke ich mir, wir müssen die Ukraine bedrängen, das zu tun. Alles Geld wird da sein, um das zu finanzieren. Aber wir brauchen auch wirklich diejenigen, die das kontrollieren. Das müssen die Experten von außen sein, die Ukraine muss das akzeptieren."
    Kein einfacher Weg
    Eine gelungene politische Lösung für die Ukraine wird also nicht nur das Donezkbecken betreffen, sondern das gesamte Land einbeziehen. Einfach werde dieser Weg nicht, sagt Andrij Jermolajew.
    "Dabei werden wir auch auf das Problem der Wahrheit über den Krieg stoßen. Wie viele sind gestorben, wer hat welche Kriegsverbrechen begangen. Bis jetzt sind wir Geiseln der Propaganda, der russischen und der ukrainischen. Die Wahrheit wird brutal und grausam, für beide Seiten. "