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Missbrauch im Internet

Die Politik streitet sich darüber, ob die Vorratsdatenspeicherung und die Sperrung von Websites der richtige Weg gegen Kinderpornografie im Internet ist.

Von Mirko Smiljanic und Nina Giaramita | 20.12.2010
    Polizeidirektion Hannover, Zentraler Kriminaldienst. Die Beamten des Aufgabenbereichs 1.3 K haben ein schönes Büro. Schauen sie aus dem Fenster, sehen sie das neue Rathaus und eine träge dahin fließende Leine, die zum Spazierengehen und Träumen einlädt. Ein angenehmer Arbeitsplatz, ...

    "Es sind Schulkinder, es sind kleine Kinder, es sind Säuglinge."

    ... würden die Beamten nicht in Fällen ermitteln, die zu den Schlimmsten überhaupt zählen, ...

    "Die Opfer werden immer jünger, die Taten werden immer brutaler, es ist das schiere Grauen."

    Kinder- und Gewaltpornografie im Internet, vor mehr als einem Jahr angeprangert von der damaligen Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen.

    "Kinderpornografische Bilder und Filme kann heute in Deutschland jeder im Internet anklicken, und das ist das, was wir nicht länger tolerieren wollen."

    Es gibt Chaträume, wo Leute miteinander kommunizieren. Dieter Scholz, Kriminaloberkommissar, Hannover:

    "Auch in einer Sprache, die auch nur Insidern verständlich ist, gefragt wird, hast du "cp" zum Beispiel, das heißt dann "child porn", oder hast du pix von Jungen. Meistens gehen sie dann auch in geschlossene Räume, wo nur noch ein Zweierchat stattfindet, es wird dann unmöglich, die Leute zu verfolgen."

    Trotzdem ist die Aufklärungsquote beachtlich: Pro Woche – sagt Dieter Scholz, dessen Einzugsbereich Hannover und Umgebung 1,2 Millionen Einwohner zählt – pro Woche führe er mit seinen Kollegen zwei Hausdurchsuchungen wegen des Besitzes oder der Verbreitung kinderpornografischer Bilder oder Filme durch. Rund 80 Prozent endeten mit einer Anzeige wegen des Verstoßes gegen den Paragrafen 184b des Strafgesetzbuches:

    "Wer pornografische Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben
    1. verbreitet,
    2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder
    3. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält und anbietet,
    wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

    Das geht so, dass ich Hinweise bekomme aus der Bevölkerung, per E-Mail, schriftlich, telefonisch, haben Sie sich mal diese Seite angesehen, das ist doch Kinderpornografie. Dann überprüfen wir die Seite und versuchen natürlich denjenigen, der hinter dieser Seite steht, zu ermitteln und dingfest zu machen."

    Nach einem Bericht der britischen "Internet Watch Foundation" – kurz IWF – lag im Jahre 2008 die Zahl weltweit erfasster Websites mit kinderpornografischen Inhalten bei 1.536. Verglichen mit den Vorjahren sei damit zwar ein leichter Abwärtstrend zu verzeichnen, sagt IWF-Chef Peter Robbins, allerdings seien die Seiten auch weiterhin "ein sehr ernstes Problem”.

    Zwei Drittel zeigen Vergewaltigungen von Kindern oder gar Folterungen. Fast 70 Prozent der Kinder sind laut "Internet Watch Foundation" zehn Jahre oder jünger, vier Prozent sollen sogar höchstens zwei Jahre alt sein. Furchtbare Taten, für die es – das überrascht – juristisch keine weltweit einheitliche Definition gibt.

    "In Deutschland zum Beispiel ist Kinderpornografie definiert als sexuelle Handlung mit unter 14-Jährigen. Wir haben in Deutschland noch die Definition "Jugendliche", das ist von 14 bis 17 Jahre. Das wäre in diesem Fall "Jugendpornografie". In anderen Ländern ist das häufig anders. Da gilt als Kind alles, was unter 18 Jahre alt ist."

    Kinderpornografie im Internet, sagt Alvar Freude, Sachverständiges Mitglied der "Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestages, umfasse immer zwei Tatbestände: den Besitz und die Verbreitung kinderpornografischer Materialien sowie den Missbrauch der Kinder. Hinter jedem Bild, hinter jedem Film verberge sich ein vergewaltigtes Kind.

    Dem einen Riegel vorzuschieben, hat sich im Jahre 2009 Ursula von der Leyen zum Ziel gesetzt. Das BKA sollte vor die entsprechenden Websites ein virtuelles Stoppschild setzen – so ihr Vorschlag.

    "Wer dieses Stoppschild sieht, weiß, wenn er jetzt weiter macht, dass er sich auf jeden Fall strafbar macht, da kann man sich nicht mehr herausreden", sagt Jörg Ziercke, BKA-Präsident, Wiesbaden, "und sollten wir bei unseren Ermittlungen auf solche Umstände stoßen, dann gibt es keine Ausrede mehr. Dann weiß man, dass hier jemand absichtsvoll vorgegangen ist und sich strafbar gemacht hat."

    Das Gesetz trat am 1. August 2009 in Kraft, allerdings nur für einige Monate. Die FDP – eine vehemente Gegnerin der Sperrlösung – setzte nach dem Regierungswechsel durch, dass die gesetzliche Regelung bis auf Weiteres nicht angewandt wird. Statt die kinderpornografischen Seiten zu sperren, sollte das BKA die Websites löschen. In den Koalitionsverhandlungen wurde außerdem vereinbart, die gesetzliche Regelung – also die Sperrklausel – auszusetzen und die Ergebnisse zu evaluieren.

    "Das Sperren ist letztendlich das Verstecken der Inhalte, also es wird der Zugang zu diesen Inhalten erschwert. Das Löschen ist letztendlich die Metapher dafür, die Inhalte zu entfernen, also die Inhalte an der Quelle aus dem Netz zu nehmen."
    Die Vereinbarung, die CDU/CSU und FDP im Koalitionsvertrag festschrieben, war dabei höchst ungewöhnlich. Ein bestehendes, vom Bundestag verabschiedetes Gesetz wurde außer Kraft gesetzt. Damit setzte sich die Koalitionsrunde über die Beschlüsse des vorangegangenen Parlamentes hinweg. Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied der "Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft", hat damit Probleme:

    "In der Anhörung im Rechtsausschuss haben große Teile der Experten den jetzigen Zustand als nicht tragbar analysiert und haben gesagt, wir bewegen uns da mindestens an der Grenze der Verfassungswidrigkeit."

    Was Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP, so nicht sieht:

    "Ich glaube, wenn man sich die Bestimmungen in diesem Gesetz ansieht, dann eröffnet das die Möglichkeit, aber nicht die zwingende Verpflichtung für den Gesetzgeber und dann für die Anwender, hier auch Sperrinfrastruktur aufzubauen. Von daher denke ich, dass das Vorgehen jetzt sehr wohl auch konform ist mit unserer Rechtsordnung."

    Von belastbaren Ergebnissen ist das Bundeskriminalamt noch weit entfernt. Trotzdem hat BKA-Präsident Jörg Ziercke Ende Oktober eine erste Bilanz gezogen – eine Bilanz, mit der die Effizienz der Lösch-Option infrage gestellt wird: Von rund 1.400 einschlägigen Seiten seien 625 auch nach einer Woche noch im Netz, also rund 44 Prozent. Für den CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach weist diese Bestandsaufnahme in eine eindeutige Richtung:

    "Wir haben leider keinen Grund zu der Annahme, dass das Ergebnis nach einem Jahr ein ganz anderes sein wird. Man bemüht sich redlich, aber eben auch in vielen Fällen vergeblich darum, die Seiten rasch zu löschen. Und wenn sie nach einer Woche noch verfügbar sind, dann macht diese Zahl deutlich, dass wir eben nicht nur auf Löschen setzen können."

    Im zuständigen Referat "Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen" stellt das Bundeskriminalamt 6,3 Stellen bereit, um das Löschen kinderpornografischer Websites voranzutreiben. Keine leichte Aufgabe, denn das BKA hat keinen Zugriff auf Seiten, die von einem ausländischen Server bereitgestellt werden. Da die Beamten die Souveränität des jeweiligen Landes beachten müssen, können sie die zuständigen Provider im Ausland nicht direkt auf kinderpornografische Inhalte hinweisen. Stattdessen leiten sie ihre Informationen über Interpol an die jeweiligen Polizeibehörden weiter.

    Unbürokratischer geht dagegen der europäische Dachverband von Internet-Beschwerdestellen "Inhope" gegen illegale Inhalte vor. "Inhope" wird zu 80 Prozent von der EU finanziert und fungiert als freiwillige Selbstkontrolle der Internetdienstanbieter. Dem Netzwerk gehört auch "eco" an, der Verband der deutschen Internetwirtschaft. Genauso, wie das BKA, führt "eco" eine Statistik über die angestrengten Löschversuche – und die fällt deutlich besser aus als die der Kriminalbeamten.

    "Wir schreiben diese Statistik fort seit Mai 2009. Und wir haben auch eine stetige Verbesserung festgestellt, mit dem ganz großen Verbesserungsanstieg im Frühjahr dieses Jahres. Und das ist auch schlecht erklärlich, warum das BKA hier zu anderen Ergebnissen kommt."

    Nach Angaben von Frank Ackermann, Leiter der Selbstregulierungsstelle bei "eco", sind in der ersten Jahreshälfte bereits 80 Prozent der ausländischen Seiten binnen sieben Tagen gelöscht worden. In den USA, wo mehr als die Hälfte des gemeldeten rechtswidrigen Materials bereitgestellt wird, seien zwei Drittel der Seiten nach einer Woche vom Netz. Und auch in Russland, ein früherer Problem-Partner, seien alle beanstandeten Websites innerhalb dieser Frist gelöscht worden. Ackermann ist aufgrund der Erfolge von der Lösch-Strategie überzeugt. Die schlechten Zahlen des BKA sieht er dagegen eher als Ergebnis einer politischen Maßgabe an:

    "Dazu kann ich tatsächlich nur sagen, dass auf der Agenda des BKA und auch des Innenministeriums zunächst mal das steht, was das Zugangserschwerungsgesetz sagt. Das Zugangserschwerungsgesetz ist in Kraft. Zwar steht im Koalitionsvertrag "Löschen statt Sperren", und im Zugangserschwerungsgesetz steht drin, dass Löschen der Vorzug zu geben ist, aber Ziel ist es wohl immer noch, eine Sperrinfrastruktur zu etablieren, und man wird davon wohl auch nicht so schnell nicht ablassen."

    Inzwischen mehren sich jedoch die Stimmen derjenigen, die das Sperren für den falschen Weg halten. Kritik kommt auch aus den Reihen der SPD – obwohl die Sozialdemokraten den Beschluss des Zugangserschwerungsgesetzes im Jahr 2009 mitverantworten. Lars Klingbeil:

    "Ich glaube nicht, dass es erfolgreich ist, zu sperren, sondern wir müssen uns wirklich auf die Instrumente, die meines Erachtens erfolgreich sind, konzentrieren. Und das haben auch verschiedene Anhörungen, die wir jetzt in letzter Zeit erfolgreich durchgeführt haben, ergeben: Das Löschen ist die effektivere Variante."

    Und zwar schon deshalb – sagt Alvar Freude – weil es technisch kinderleicht sei, das Stoppschild zu umgehen:

    "Geben Sie bei der Suchmaschine ihrer Wahl "Internetsperren umgehen" ein, und dann finden sie entsprechende Ergebnisse, wo drin steht, wie das geht. Das Umgehen der Sperren ist viel einfacher als die Inhalte zu finden, das muss man ganz klar sagen."

    Und noch ein weiteres Argument haben die Gegner der Internet-Sperren in die Diskussion gebracht. Eine einmal errichtete Infrastruktur kann dazu genutzt werden, weitere missliebige Inhalte aus dem Netz zu entfernen. Schon zu Beginn der Debatte wurden Stimmen in der politischen Arena laut, denen vorschwebte, die Sperrtechnologie auch auf anderen Gebieten einzusetzen.

    "Es ging zum Beispiel in Äußerungen Einzelner um die Frage der Glücksspiele, es ging auch um die Frage politischer Inhalte, linksextremistischer und rechtsextremistischer, das waren Debatten, die aufkamen, man hat unterm Strich gesehen, dass es nicht nur um Kinderpornografie ging, sondern dass es um einen generellen Einstieg auch um Zensur im Internet ging."

    Der Kampf gegen Kinderpornografie als Trojanisches Pferd für eine umfassende staatliche Informationskontrolle – dieses Szenario halten Gegner der Internet-Sperren nicht für abwegig. Für Alvar Freude reicht ein Blick ins Ausland, um zu erkennen, wie schnell solche Szenarien Wirklichkeit werden.

    "Wir haben in anderen Ländern die Erfahrung gemacht, dass, wenn solche Sperren erstmal etabliert sind, dass dann viele andere Interessengruppen solche Sperren versuchen einzuführen für Inhalte, die ihnen nicht genehm sind. Und da kommen wir dann in einen Bereich rein, der für die Demokratie sehr gefährlich ist."

    Vor allem in der Unterhaltungsbranche gibt es eine große Lobby, die sich für weitergehende Sperren einsetzt, allen voran die Vertreter der Musikindustrie. In vielen Punkten ist man mit den Befürwortern der Sperr-Strategie d'accord: nicht nur bei den Sperren, sondern auch bei der Vorratsdatenspeicherung. Als Ende 2007 das Gesetz im Bundestag verabschiedet wurde, hat die Musikindustrie die Möglichkeit gesehen, Urheberrechtsverletzer endlich zivilrechtlich zu verfolgen.

    Auch die mit der Bekämpfung von Kinderpornografie befassten Stellen haben die Vorratsdatenspeicherung als effizientes und daher willkommenes Mittel zur Bekämpfung von Kinderpornografie angesehen. Umso größer war die Empörung, als das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung im März 2010 für verfassungswidrig erklärte.

    "Also, wir brauchen die Vorratsdatenspeicherung nicht zur Bespitzelung der Nutzer, sondern zur Klärung von schweren und schwersten Straftaten. Und das sind oftmals die einzigen Beweismittel, die unsere Polizeibehörden haben. Und wenn die nicht mehr vorhanden sind oder nie vorhanden waren, weil sie nicht gespeichert wurden von den Anbietern, dann haben wir es nicht mit einem rechtsfreien, aber mit einem strafverfolgungsfreien Raum zu tun."

    CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach steht mit seiner Forderung nach einer Wiederaufnahme der Vorratsdatenspeicherung nicht allein da. Vielen Befürwortern geht es jedoch zurzeit nicht vorrangig um die Bekämpfung von Kinderpornografie, sondern um einen möglichst schlagkräftigen Kampf gegen den Terrorismus.

    In jedem Fall ist die Debatte neu entfacht – eine Debatte, in der auch und vor allem Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger Stellung beziehen muss. Sie lehnt die anlassunabhängige Speicherung von Daten jedoch ab. Leutheusser-Schnarrenberger favorisiert dagegen ein Verfahren, das Fachleute "Quick Freeze" nennen. Bei diesem Vorgehen sichern Provider nur vorübergehend Telekommunikationsdaten für Zwecke der Strafverfolgung. Im Unterschied zur Vorratsdatenspeicherung herkömmlichen Stils wird ein sogenannter "Quick Freeze" lediglich im Einzelfall angeordnet – und das auch nur in begründeten Verdachtsfällen.

    "Es ist die Antwort der FDP, der Liberalen, auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das ja die anlasslose massenhafte Speicherung von Vorratsdaten für verfassungswidrig erklärt hat - wie sie in einem Gesetz enthalten war - und nur unter ganz engen Vorgaben hier noch Möglichkeiten eröffnet. Und auch eine anlassbezogene Vorgehensweise entspricht ja dem gesamten Prinzip, das wir in unserem Polizeirecht und in der Strafprozessordnung haben."

    Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar befürwortet dieses Verfahren. Seiner Meinung nach soll es probehalber die derzeit nicht angewendeten EU-Richtlinien zur Vorratsdatenspeicherung ersetzen. Ob die Datenschützer vonseiten der Europäischen Union Unterstützung erhalten, ist allerdings fraglich.

    Erst kürzlich ließ die zuständige Kommissarin Malmström verlauten, dass die 2008 in Kraft getretene Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung einen "substanziellen Beitrag" zur Strafverfolgung leiste. Mit Verve verteidigt Malmström auch die Errichtung einer europaweiten Sperr-Infrastruktur.

    "Die Polizei kann Bücher, Hefte und Videos mit kinderpornografischen Inhalten beschlagnahmen. Sie sollte auch in die Lage versetzt werden, Webseiten zu sperren. In der Praxis funktioniert das Sperrsystem gut und es verhindert jeden Tag Tausende von Zugriffen, sowohl versehentliche als auch absichtliche."

    Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will sich dagegen im Kreis ihrer EU-Kollegen dafür einsetzen, dass die Errichtung einer Sperr-Infrastruktur nicht zu einer obligatorischen Maßnahme deklariert wird.

    "Ich werbe dafür in diesen Gesprächen, dass die Einzelmitgliedstaaten nicht zwingend verpflichtet werden, gesetzlich auch zu sperren, sondern dass ihnen eine Option eröffnet wird: Zu sagen, ja, wir sperren, oder aber zu sagen: Nein, wir sperren aus guten Gründen nicht."

    Bisher hat sich die Justizministerin nicht durchsetzen können. Anfang Dezember einigten sich ihre EU-Kollegen in Brüssel mehrheitlich darauf, dass kinderpornografische Webseiten gesperrt werden sollen. Der Löschung von einschlägigen Inhalten soll zwar der Vorrang gegeben werden, jedoch geht ein Großteil der EU-Justizminister davon aus, dass eine zusätzliche Sperr-Infrastruktur vonnöten sein wird.

    Endgültige Beschlüsse sind noch nicht gefallen, denn der EU-Ministerrat muss nun mit dem Europaparlament in Verhandlungen treten. Die Debatte um Löschen oder Sperren wird also weiterhin Teil der politischen Agenda sein – in Europa und in Deutschland. Eine Debatte, die zwangsläufig kontrovers geführt wird. Lars Klingbeil:

    "Das ist in der Tat so, dass wir permanent im Kampf zwischen den Begriffen Freiheit und Sicherheit sind. Und genau diese Diskussion müssen wir im Parlament auch führen, weil das Internet doch auch was ist, was unsere Gesellschaft an vielen Stellen doch auch verbessert hat. Und meine Befürchtung ist, wenn wir zu vielen Einschränkungen kommen und die Freiheit im Internet eingrenzen, dass wir dann auch viele Chancen, die für unsere Gesellschaft da sind, dass wir die verspielen."

    Polizeidirektion Hannover, Zentraler Kriminaldienst. Seit zwei Stunden durchsucht Dieter Scholz Websites nach kinderpornografischen Bildern und Filmen. Ein harter Job, wer hier arbeitet, braucht robuste Nerven und verlässliche Kollegen.

    "Wir therapieren meistens uns auch selber. Wir passen auf uns auf und auf unseren Kollegen. Und wenn es dann wirklich mal nicht geht, dann muss man das auch eingestehen, nun muss man eine Pause machen."

    Dieter Scholz erinnert sich daran, dass es auch bei ihm einen Moment gab – einen, in dem es nicht mehr ging:

    "Ich glaube, ich bin ziemlich abgehärtet. Aber es gab am Anfang, als ich im Sachgebiet war, einen Fall, in dem es drei Brüder gegeben hat. Und der mittlere Bruder hat eine zwölfjährige Tochter gehabt und mit der ist er dann an einem Freitagabend zu Anzeigeerstattung gekommen. Und was mir die Zwölfjährige dann berichtet hat, da dachte ich, die hat bestimmt einen schlimmen Pornofilm gesehen, wobei dann der Täter, der ältere Onkel, diese Missbräuche, wie sie mir geschildert hat, auf Video aufgezeichnet hat, und an diese Kassette bin ich 24 Stunden später gekommen. Und alles, was sie mir geschildert hat, konnte ich darauf sehen. Und das war belastend, da denke ich heute noch dran, das ist über zehn Jahre her jetzt."