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Mißfelder: Haben radikalislamische Positionen unterschätzt

Teile des Islams bergen ein Aggressionspotenzial, das auch auf die Unversehrtheit von Botschaften keine Rücksicht nimmt, meint Philipp Mißfelder (CDU). Man habe das in der Außenpolitik vielleicht zu wenig beachtet und sehr stark auf Dialog gesetzt.

Das Gespräch führte Jürgen Liminksi | 17.09.2012
    Jürgen Liminski: Es war wie ein plötzliches Gewitter im Paradies: Am Himmel des Arabischen Frühlings, der wenigstens in Libyen und Tunesien zu demokratischeren Staatsformen geführt hat, blitzte es tagelang. Der Islamismus schlug ein in Bengasi, in Tunis, in Khartum, Kairo, Sanaa und anderen arabischen Städten. Welche Lehren sind daraus zu ziehen? Auf wen kann man sich im islamischen Krisengürtel zwischen Casablanca und Taschkent noch verlassen? Wie ist überhaupt das Verhältnis zwischen Staat und Religion in diesem Raum zu beurteilen, in dem ein dummes Video reicht, um Menschen zu Mördern zu machen? Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich den außenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder. Guten Morgen!

    Philipp Mißfelder: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Mißfelder, zunächst zur aktuellen Debatte um den Auslöser der Unruhen, dem provokanten Film über Mohammed. Die Bundesregierung will ihn in Deutschland verbieten, um Unruhen zu vermeiden. Politiker von SPD und Grünen halten das für übertrieben. Außenpolitische Rücksichtnahme könne Grundrechte nicht beeinträchtigen. Was ist Ihre Position?

    Mißfelder: Ich bin kein Jurist, aber ich habe grundsätzlich auch meine Zweifel und da stimme ich Herrn Westerwelle insofern zu bei seiner Schlussfolgerung zu diesem Film, ob Blasphemie grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt sein kann. Ich finde, dass Gotteslästerung natürlich mehr ist, als nur eine reine Verletzung von Gefühlen, sondern ich glaube, das ist etwas, was in unserer Gesellschaft gebannt werden sollte, und vor dem Hintergrund teile ich die Meinung von Herrn Westerwelle.

    Liminski: Eigentlich tobt in der islamischen Welt derzeit ein Kampf zwischen Sunniten und Schiiten. Syrien ist ein Schlachtfeld dieses Ringens, der Irak ein weiteres. Amerika hat sich wohl entschieden, in diesem Ringen auf die Sunniten und konkret auf die Muslimbrüder zu setzen. Deutlich wurde das in Ägypten, zu beobachten ist es auch in Syrien. Muss sich auch Europa, muss sich Deutschland auch positionieren?

    Mißfelder: Dies hielte ich für relativ schwierig. Ich glaube, eine einseitige Parteinahme in den Konflikten innerhalb der arabischen Welt kann uns nachher wesentlich mehr Probleme bringen, als das in der jetzigen Situation ja ohnehin schon der Fall ist, zumal ich glaube, dass es auch komplexer ist als nur die Auseinandersetzung zwischen Sunniten und Schiiten. Ich denke, es gibt ja auch viele andere Absplitterungen, viele Gruppierungen, die auch aus politischer Motivation heraus, gar nicht nur aus religiöser Motivation heraus tätig sind. Wenn ich zum Beispiel an den Libanon denke, dann ist es dort ja eine vollkommene Fragmentierung, die sich gerade auch wieder festmacht, und vor dem Hintergrund wäre es, glaube ich, - Ich finde es zu kurzfristig gedacht, wenn man dort mit einer einseitigen Parteinahme versucht, etwas zu bewegen. Klar ist, dass der Iran versucht, die schiitischen Kräfte in einzelnen Ländern aufzuwiegeln und damit Instabilität zu erzeugen. Das ist natürlich etwas, was von Syrien zum Libanon bis in den Irak hinein natürlich eine massive Gefährdung ist, und dass der Iran das politisch steuert, das muss uns auch zu denken geben und fordert auch dem Iran gegenüber besondere Maßnahmen.

    Liminski: Bleiben wir bei Iran: "Besondere Maßnahmen", sagen Sie. Iran droht mit der Vernichtung Israels, unterstützt offen auch terroristische Machenschaften. Kanada hat deswegen jetzt die diplomatischen Beziehungen zu Teheran abgebrochen. Wie sollen wir uns verhalten?

    Mißfelder: Ich finde, wir sind nicht in der Position von Kanada, dass wir solche harten Schritte allein gehen können, sondern wir suchen immer eine abgestimmte europäische Position. Die Gangart gegenüber Iran ist ja schon massiv verschärft worden, gerade auch auf deutsches Drängen. Ich glaube auch, dass die Sanktionen erste Wirkungen zeigen. Aber es zeigt sich vor allem auch eins ganz deutlich: Dass die westliche Welt jahrelang so lange gewartet hat mit harten Sanktionen gegenüber dem Iran, hat den Iran eigentlich nur darin bestätigt, mit seinem Kurs fortzufahren, und hat dazu geführt, dass der Iran Zeit gewonnen hat, sich auf das Nuklearprogramm weiter vorzubereiten. Insofern war es ein Fehler, dass man so lange gewartet hat. Das, was wir jetzt machen, auch mit härteren Sanktionen, halte ich für richtig. Aber es gehört eben auch dazu, weltweit dafür zu sorgen, dass Finanztransaktionen nicht stattfinden können, dass Bankgeschäfte nicht abgewickelt werden können, einfach dem Iran auch die Grundlage zu entziehen, sein Unheil weiter zu verbreiten, und insofern sind diese harten Möglichkeiten, die ja auch in den USA jetzt immer mehr diskutiert werden, der richtige Weg.

    Liminski: Amerika hat in diesem Raum insgesamt keine glückliche Hand. Ist Obamas Politik gescheitert?

    Mißfelder: Wenn man die Rede von Obama in Kairo zugrunde legt, wenn man auch zugrunde legt, was er in der Türkei gesagt hat, und das mit der Realität vergleicht, dann ist man sehr weit davon entfernt. Das ist nicht zwangsläufig Barack Obamas Schuld, aber man muss wirklich sagen, es gibt eine große Lücke in der Politik im Nahen Osten, was den Führungsanspruch der USA angeht, und es gibt einfach kein konsequentes Konzept der USA. Man hat lange an Mubarak noch festgehalten, oder geschwiegen. Es gab zunächst den großen Versuch, die Aussöhnung in den Mittelpunkt zu stellen, allerdings auch ohne Konzept, und der Friedensnobelpreisträger Obama hielt aus meiner Sicht zu lange an diesen wohlfeilen Wünschen fest, anstatt in den Mittelpunkt seiner Politik auch die Sicherheitsinteressen Israels zu rücken, was ich für einen dominanten und konstanten Faktor in der Nahostpolitik auch unseres Landes sehe, und ich glaube, das war insofern ein Fehler und hat dazu geführt, dass die USA an Einfluss in der Region verloren haben.

    Liminski: Was kann denn ein Konzept des Westens in dieser Region sein, die Menschenrechte?

    Mißfelder: Es wird immer komplizierter, gerade auch mit dem zunehmenden Aggressionspotenzial, was sich zeigt. Eins ist auf jeden Fall auch klar, wenn man den Arabischen Frühling sich anschaut, und da hat unsere Fraktion von Anfang an gewarnt. Es ist müßig, automatisch zu glauben, dass dadurch, dass jetzt in einigen Ländern mehr Freiheit herrscht, automatisch sich auch Demokratie und Menschenrechte, Religionsfreiheit verbessern. Das ist nicht der Fall. Wir sind in einem Transformationsprozess, der in manchen Ländern einigermaßen funktioniert. Wenn man sich Jordanien anschaut, das ist zwar auch nicht dermaßen stabil, wie es wünschenswert wäre, aber natürlich weitaus besser und nicht vergleichbar mit einem Land wie Libyen oder auch Marokko, wenn man sich die Fortschritte in Marokko anschaut. Es gibt auch gute Beispiele, wo der Transformationsprozess langsam, aber stabil funktioniert. Hingegen sehen wir in Tunesien jetzt Rückschritte, in Ägypten große Fragezeichen und eins ist die Lehre ganz klar: Der Prozess der Demokratisierung und von mehr Freiheit führt in den Ländern nicht kurzfristig zu einer Verbesserung der Menschenrechtssituation, sondern wir sind in einem Prozess, wo wir immer noch nicht sagen können und abschätzen können, was das Ergebnis letztendlich sein wird.

    Liminski: Die Religion ist die größte und tiefste Leidenschaft des Menschen, meinte der dänische Philosoph Kierkegaard vor 160 Jahren. So wie es aussieht, ist Religion auch eine Leidenschaft der Politik in unserer Zeit. Sie gehört jedenfalls zu den geopolitischen Faktoren unserer Zeit. Wir sind der Neutralität des Staates verpflichtet. Müssen wir das Verhältnis zwischen Staat und Religion in der Außenpolitik neu überdenken, wenn nicht für uns, so doch für unsere Beziehungen zu manchen Staaten?

    Mißfelder: Es spielt definitiv eine große Rolle, wenn man sich die Konflikte der vergangenen Tage anschaut, denn in Deutschland hat ja der Vorlauf dieser Auseinandersetzungen in den arabischen Ländern gegen westliche Einrichtungen überhaupt gar keine Rolle gespielt. Das war bei uns ein marginales Thema. Es gibt ja auch noch unterschiedliche Theorien darüber, weswegen es letztendlich auch zu den Attacken auf die deutschen Einrichtungen gekommen ist. Es ist eben so, dass wir feststellen müssen, dass das Instrument der Religion zur Radikalisierung genutzt wird, und dass natürlich nach dem Freitagsgebet besondere Alarmbereitschaft anzuordnen war, das war absehbar und das muss uns aber zu denken geben, weil offenbar der Islam an dieser Stelle oder Teile des Islams, um es präziser zu sagen, Teile des Islams ein Aggressionspotenzial in sich birgt, was einfach gefährlich ist für das friedliche Miteinander und auch nicht Rücksicht nimmt vor der Unversehrtheit von Botschaften. Und das ist etwas, was in unserer außenpolitischen Konzeption vielleicht etwas zu wenig beachtet wird, weil wir ja auch sehr stark auf Dialog gesetzt haben und wir vielleicht doch die eine oder andere radikale Position unterschätzt haben.

    Liminski: Das Verhältnis von Staat und Religion neu überdenken – das war der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Philipp Mißfelder. Besten Dank für das Gespräch, Herr Mißfelder.

    Mißfelder: Herzlichen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.