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Missglückte Marslandung
Finanzierung der Nachfolgemission in Gefahr?

Der Versuch, die Sonde "Schiaparelli" auf dem Mars zu landen, diente vor allem dazu, Erfahrungen beim Einsatz eines europäischen Fahrzeuges auf dem Roten Planeten zu sammeln. Experten der Europäischen Raumfahrtagentur ESA sehen die Finanzierung der für 2020 geplanten Marsmission durch den möglichen Crash der Sonde darum nicht in Gefahr.

Von Ludger Fittkau | 20.10.2016
    Der ExoMars Trace Gas Orbiter und die Landekapsel Schiaparelli beim Anflug auf Mars (Zeichnung).
    Daten, die das Mutterschiff „TGO“ in der Umlaufbahn von den Sensoren des Landegerätes "Schiaparelli" empfangen hat, werden zurzeit noch von der ESA ausgewertet. (ESA)
    Der Bremsfallschirm war geöffnet. Zumindest einige Bremsraketen funktionierten für Sekunden. Dann brach das Signal ab – möglicherweise mit dem Aufprall der Sonde "Schiaparelli" auf der Marsoberfläche. Was danach mit dem 600 Kilo schweren Landegerät geschah, ob es auseinandergebrochen ist oder nicht – das ist noch unklar.
    Daten, die das Mutterschiff "TGO" in der Umlaufbahn von den Sensoren des Landegerätes empfangen hat, werden zurzeit noch ausgewertet. Das Mutterschiff ist seit gestern in der vorausberechneten Umlaufbahn. Mit 100 Kilo wissenschaftlichem Gerät an Bord soll es in den nächsten Jahren in der Marsatmosphäre nach Spurengasen suchen. Methangas etwa gilt als ein möglicher Hinweis dafür, dass Leben auf dem Mars existiert hat oder noch existiert.
    Wird 2020 eine sanfte Landung auf dem Mars gelingen?
    Doch um ab 2020 wie geplant das erste europäischen Marsfahrzeug auf den Roten Planeten zu bringen, braucht die ESA von den sie finanzierenden 22 Mitgliedstaaten Gelder in der Größenordnung von 300 Millionen Euro. Wird der mögliche Crash von Schiaparelli die zuständigen Minister wirklich dazu motivieren, dieses Geld für die Mission bereitzustellen? Auf diese Frage reagierte der Darmstädter ESA-Chef Jan Wörner heute Morgen bei der Pressekonferenz im Kontrollzentrum gereizt:
    "Ich verstehe die Frage nicht. Das Mutterschiff TGO funktioniert und wir hatten den Test mit dem Landegerät. Dieser Test ist dazu da, Daten zu sammeln und Wissen zu bekommen. Okay, man kann sagen, der letzte Schritt, eine sanfte Landung mit Kommunikation von der Oberfläche, hat nicht funktioniert. Das ist richtig. Aber ich bin sehr froh, dass wir die Hauptziele, die wir erreichen wollten, erreicht haben. Wir haben TGO im Orbit."
    Doch 2020 reicht es nicht aus, das Marsfahrzeug in die Umlaufbahn zu bringen. Sondern es soll ja wohlbehalten auf der Oberfläche landen. Reicht die Erfahrung der Europäer mit einem möglichen Crash gestern wirklich aus, um 2020 eine sanfte Landung hinzubekommen? Das wird ESA- Experte Dan Parker gefragt:
    "Die Antwort lautet, alle Daten, die Schiaparelli sendet, dienen dazu, Erfahrungen zu sammeln. All diese Daten fließen direkt in die Planung der Mission im Jahr 2020 ein."
    Mutterschiff "TGO" soll weitere Signale der Sonde liefern
    Die ESA hofft, in den nächsten Tagen oder Wochen genau herauszufinden, was mit Schiaparelli passiert ist. ESA-Chef Jan Wörner konnte heute Morgen fast wieder lachen, als er erzählte, was ihm gestern Nacht jemand geraten hatte: Man könne doch die Amerikaner bitten, mit ihrem Marsfahrzeug "Curiosity", das ein paar Kilometer weiter zurzeit wissenschaftliche Proben nimmt, zum Aufprallort hinzufahren und nachzuschauen:
    "Die Idee ist nicht schlecht. Es ist ein bisschen weit! Aber es zeigt, dass normale Bürger, und der Ratgeber war einer, sich wirklich dafür interessieren. Schaut doch nach, ob alles gut ist oder nicht. Aber unglücklicherweise ist eine solche Fahrt ein wenig zu weit."
    In den nächsten Tagen will man vom Mutterschiff "TGO" aus versuchen, weitere Signale von "Schiaparelli" zu bekommen. Auch Fotos vom Landeort seien nicht ausgeschlossen, aber der Fall des kleinen Landegerätes "Philae" auf dem Kometen Tschuri, so die ESA-Experten, habe gezeigt - das könne dauern.