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Mission Elysée für Strauss-Kahn gescheitert

Dominique Strauss-Kahn sollte Präsidentschaftskandidat der Sozialisten in Frankreich werden. Jetzt wird ihm versuchte Vergewaltigung vorgeworfen - und die Sozialisten verlieren offenbar ihren aussichtsreichen Kandidaten.

Von Hans Woller | 16.05.2011
    DSK – schon allein diese in den französischen Sprachgebrauch eingegangene Abkürzung für seinen Namen, Dominique Strauss-Kahn, zeugt von der Notorität des ausgebildeten Juristen und Wirtschaftswissenschaftlers, der knapp zehn Jahre lang an Hochschulen, darunter an der Elitehochschule ENA unterrichtet hatte, bevor er 1986 in die Politik ging, erstmals ins Parlament gewählt wurde. Der mit der prominenten ehemaligen Fernsehjournalistin Anne Sinclair verheiratete Strauss-Kahn, Vater von vier Kindern aus zwei vorhergehenden Ehen, ist als Sohn jüdischer Eltern in Marokko und später in Monaco aufgewachsen, spricht perfekt Englisch und dank eines Kindermädchens auch Deutsch.

    Er hat sich in der sozialistischen Partei in den 1990er-Jahren als Wirtschaftsfachmann einen Namen gemacht. In der Kohabitationsregierung unter Premierminister Lionel Jospin hat er ein Superministerium für Wirtschaft und Finanzen geleitet, damals Frankreich auf den Euro vorbereitet, das Haushaltsdefizit unter die Dreiprozentmarke gebracht, und - was die Sozialisten heute nicht so gerne hören - damals so viele Staatsunternehmen privatisiert, wie keiner seiner Vorgänger oder Nachfolger. Gerne wucherte er in Interviews mit seinen ökonomischen Kompetenzen:

    "Ich will ein gerechtes Frankreich, denn ein großes Frankreich ist ein gerechtes Frankreich. Und dafür muss man die ökonomischen Probleme in Angriff nehmen, die Probleme der Staatsschulden und des Defizits und das kann ich."

    Falsche Bescheidenheit ist nicht die Sache des sozialistischen Großbürgers Strauss–Kahn, der Teil des Pariser Establishments - und deswegen für viele auf der französischen Linken ein rotes Tuch - ist. In einem seiner letzten Interviews vor der Affäre erklärte er:

    "Ich fühle mich heute freier als je zuvor. Denn ich habe heute die Möglichkeit, allen Staats- und Regierungschefs auf dem Planeten zu sagen, was geht und was nicht geht."

    Der Mann mit dem weltgewandten, staatsmännischen Auftreten, dem gegerbten Gesicht und dem einnehmenden Lächeln, verkörperte letztlich perfekt die politische Mitte, wo man – zumindest bislang - in Frankreich eine Präsidentschaftswahl gewinnen konnte.

    Doch gerade mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen hatten seine eigenen Parteifreunde schon vor Jahren geäußert, Strauss-Kahns Verhältnis zu Frauen, seine stark ausgeprägte Libido könnte auf dem Weg zur Macht seine Achillessehne werden.

    Plötzlich erinnert man sich in Frankreich, bei aller Vorsicht wieder daran, dass vor vier Jahren schon die Journalistin und Autorin Tristane Banon in einer Talkshow erzählt hatte, wie sie bei einem Interview im Jahr 2002 von einem Politiker mehr als nur bedrängt worden war – der Name Strauss-Kahn war bei der Ausstrahlung der Sendung übertönt worden

    "Er hat mir die Hand genommen, dann den Arm und dann weiter, ich habe gesagt: Stopp! Er hat versucht, mir den BH aufzumachen, das Ganze hat sehr schlecht geendet, wir haben uns geschlagen, ich habe ihm Fußtritte verpasst."

    Und immerhin hat auch die gut aussehende Sprecherin der sozialistischen Fraktion, Aurelie Filipetti, im Jahr 2008 in einem Interview mit einer Schweizer Zeitung zu Protokoll gegeben, nach gewissen Erfahrungen mit Strauss-Kahn vermeide sie es nun, sich mit ihm allein in einem Raum aufzuhalten.

    Doch es gehört zu den Eigenarten Frankreichs, dass die Presse des Landes über derartige Dinge bisher weitgehend den Mantel des Schweigens gehüllt hat.

    Wie groß aber trotz allem das Ansehen von Dominique Strauss-Kahn in Frankreich bislang war, mag man letztlich auch daraus ersehen, dass sich gestern nach Ausbruch der Affäre der Staatspräsident und seine Minister striktes Schweigen verordnet hatten und dass sogar eine überraschend große Zahl von konservativen Politikern die Hypothese ins Feld geführt hat, man habe – wer auch immer - dem IWF-Chef in New York eine Falle gestellt, es könnte sich um eine Manipulation handeln.