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Misstrauen gegen den "Moslemsender"

Der arabische TV-Riese Al Jazeera hat in Südosteuropa einen regionalen Nachrichtenkanal aufgemacht. Seit zwei Monaten sendet Al Jazeera Balkans aus der bosnischen Hauptstadt Sarajevo ein Programm, das Menschen in allen Staaten des ehemaligen Jugoslawiens ansprechen soll.

Von Simon Riesche | 28.01.2012
    So hört es sich an, wenn Al Jazeera Balkans zur vollen Stunde mit den Nachrichten on air geht. 150 Journalisten und Techniker umfasst das Team. Mit dabei ist auch Moderatorin Dalija Hasanbegovic. Die Frage, in welcher Sprache ihr Kanal eigentlich sende, bringt sie zum Lachen.

    "Wir nennen es die Al-Jazeera-Balkan-Sprache", sagt sie. Aber im Ernst: Jeder spreche einfach seine Muttersprache. Sie selbst Bosnisch, die serbischen Kollegen Serbisch, die Kroaten Kroatisch, die Montenegriner und Mazedonier ihre Versionen. Das Wichtige sei doch, dass man sich gegenseitig verstehe.

    Und das tun sie - Mitarbeiter und Zuschauer. Denn so verschieden sind die Zungenschläge nicht. Das ehemalige Jugoslawien ist ein Sprachraum von rund 20 Millionen Menschen, ein großer Markt, zerrissen durch die Kriege der 90er-Jahre, nun medial neu vernetzt durch einen arabischen TV-Sender mit grenzüberschreitenden Themen und hohen journalistischen Ansprüchen.

    Unparteiisch, kritisch, ausgewogen bei der Story-Auswahl, niemals wertend oder zynisch, so wolle sich der Sender präsentieren, sagt Programmdirektor Goran Milic.

    In der provinziell-nationalistischen Medienlandschaft des Balkans wäre ein solcher Sender in der Tat ein Lichtblick. Viel zu brav, viel zu unprofessionell agieren die meisten anderen TV-Stationen. Und doch: Zahlreiche Menschen in der Region trauen dem neuen Kanal mit den orientalischen Wurzeln nicht über den Weg. Er sei ein Sprachrohr für die "Muslimani", die Moslems, so die Meinung vor allem vieler Serben und Kroaten. Warum sonst würde er auch aus Sarajevo, der muslimisch dominierten Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas, senden. Jasmina Mameledzia, die als Producerin bei Al Jazeera Balkans arbeitet, wiederspricht:

    "Wir sind nicht Al Jazeera Balkans aus Sarajevo. Wir sind Al Jazeera Balkans mit dem Hauptquartier Sarajevo. Wir haben Studios und Korrespondenten in Belgrad, Zagreb, Skopje."

    Auch der erfahrene kroatische Programmchef Milic beschwichtigt: Man müsse Geduld haben mit der öffentlichen Meinung. George W. Bush hätte Al Jazeera früher schließlich auch allzu gerne mit Al Kaida verwechselt, inzwischen werde der Sender aber von Außenministerin Clinton gelobt und von der New Yorker Columbia-Universität gar als bester Nachrichtensender der Welt geehrt. Ja, man brauche einfach Zeit, keine Sorge.

    Eilig zu haben scheint es nur der Emir von Katar. Der Mann, dem das Al-Jazeera-Imperium gehört, ist weiter auf Expansionskurs. Neben dem Balkan-Kanal sollen bald auch eine türkische und eine ostafrikanische Version des Senders an den Start gehen. Während die BBC einen internationalen Dienst nach dem anderen schließen muss, wird Al Jazeera größer und größer. Um Quoten und Geld gehe es dem Emir nicht, heißt es. Aber um was dann? Zumindest auf dem Balkan ist diese Frage derzeit kaum zu beantworten.

    Und während in Sarajevo draußen der Muezzin zum Gebet ruft, feilen Goran Milic und sein Team drinnen weiter an ihrem Programm. Sein inhaltliches Ziel sei weder eine islamische Revolution in Südosteuropa noch die Wiedervereinigung Jugoslawiens, sagt Milic. Er wolle einfach nur guten und unabhängigen Journalismus machen.

    Redaktionell gebe es keinerlei Vorgaben von den Bossen vom arabischen Golf. Nur Alkoholika und Zigaretten sollten besser nicht beworben werden. Und auch nackte Menschen wohler eher nicht über den Schirm flimmern. Aber das sei ja bei CNN und Co nicht anders.