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Mistkäfer
Meister der Orientierung

Kaum hat ein großes Tier in der Savanne Südafrikas sein Geschäft erledigt, reisen unzählige Mistkäfer aus allen Himmelsrichtungen an und versuchen, eine Dungpille zu rollen - größer als sie selbst. Und obwohl die Tiere beim Abtransport quasi auf dem Kopf stehen, gelingt ihnen die Navigation problemlos. Schwedische Forscher haben herausgefunden, warum.

Von Volkart Wildermuth | 25.08.2015
    Ein Mistkäfer im Unterholz klettert über einen abgebrochenen Ast
    Ein Mistkäfer im Unterholz (Deutschlandradio / Frank Barknecht)
    Die Konkurrenz ist groß an den Dunghaufen. Und die Mistkäfer sind sich auch nicht zu schade, einem schwächeren Artgenossen seine Kugel streitig zu machen. Sobald die geformt ist, stellen sich die Käfer deshalb auf die Vorderbeine und machen sich mit ihrer Pille im Kopfstand auf den Weg.
    "Sie müssen ihre kostbaren Dungpillen so schnell wie möglich aus dieser gefährlichen Zone wegrollen. Und das geht am besten, wenn sie in einer ganz geraden Linie rollen."
    Selbst wenn Basil el Jundi die Käfer von ihrem Pfad abbringt, schlagen sie sofort wieder die alte Richtung ein. Offenbar haben Mistkäfer einen verlässlichen Kompass und wie der funktioniert, will der Biologe von der Universität im schwedischen Lund verstehen. Dass sich die Käfer vor allem an der Sonne orientieren, lässt sich mit einem Stück Pappe und einem Spiegel zeigen. Mit der Pappe verdecken die Forscher die Sonne und mit dem Spiegel spielen sie dem Käfer vor, dass das Licht plötzlich aus der anderen Richtung kommt.
    "Sie reagieren sofort und kehren direkt um. Das macht viel Spaß. Wir haben sie sogar Fußball spielen lassen. Mit den Spiegeln konnten wir die Käfer steuern und versuchen, den Mistball so ins gegnerische Tor zu bekommen."
    Um die Teams auseinanderzuhalten haben Basil el Jundi und seine Kollegen ihre Spieler aus zwei unterschiedlichen Arten von Mistkäfern rekrutiert. Die eine rollt ihre Dungpillen am Tag, die andere bei Nacht.
    "Das ist ein großer Vorteil der Mistkäfer. Man kann sie aufwecken und sie sind direkt motiviert. Sie fangen an, eine Mistpille zu rollen, selbst wenn sie um die Zeit eigentlich gar nicht aktiv sind."
    Für Menschen unsichtbar: die Polarisierung des Mondlichts
    So konnte Basil el Jundi vergleichen, wie sich die verschiedenen Arten orientieren. Am Tag nutzen beide die Sonne als Kompass. In der Nacht, wenn die Lichtintensität um ein Vielfaches geringer ist, orientieren sich die tagaktiven Käfer wie sie es gewohnt sind, an der vergleichsweise hellsten Lichtquelle, in diesem Fall dem Mond. Die nachtaktiven Käfer dagegen ignorieren den Himmelskörper und steuern stattdessen mithilfe der Polarisierung des Mondlichts, die für Menschen unsichtbar ist. So können sie alles vorhandene Licht nutzen.
    "Die Polarisierung des Mondlichts ist am gesamten Nachthimmel wahrnehmbar, so kann das ganze Auge zur Orientierung beitragen. Sie eignet sich hervorragend, um sehr viele Informationen gemeinsam im Gehirn zu verarbeiten. Das ist besser, als sich allein am schwachen Lichtfleck des Mondes zu orientieren.
    So können diese Käfer auch bei bedecktem Himmel oder wenn der Mond ganz nach am Horizont steht ihre Dungkugel in Sicherheit bringen. Der flexible Kompass der nachtaktiven Mistkäfer zeigt sich in ebenso flexiblen Nervenzellen. Das konnte Basil el Jundi im Labor mit einem künstlichen Himmel zeigen.
    Bei den nachtaktiven Käfern folgte das Knattern der Kompassneurone im sogenannten zentralen Komplex ihres Gehirns bei hoher Lichtintensität dem hellsten Punkt, während sie bei niedrigen Lichtintensitäten auf das Polarisationsmuster reagierten.
    "Es ist interessant, dass der Kompass bei den nachtaktiven Mistkäfern dynamisch ist, sich sowohl an einem Himmelskörper als auch an der Polarisation ausrichten kann. Das ist eine sehr robuste Strategie, weil sie sich am jeweils verlässlichsten Zeichen am Himmel orientiert."
    Und für Neumondnächte haben die Mistkäfer noch eine dritte Strategie in petto. Wenn weder der Mond noch ein Polarisationsmuster sichtbar ist, dann orientieren sie sich am dann auffällig hellen Streifen der Milchstraße, um ihre kostbare Dungkugel auf geradem Weg von der Konkurrenz wegzurollen und dann in Ruhe zu verspeisen.