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Mit Bakterien gegen Ernteverluste

Agrarwissenschaft. - Bis zu 40 Prozent weniger Obst als im Vorjahr konnten die Bauern im Alten Land bei Stade in Niedersachsen in diesem Jahr pflücken. Grund für den Enteausfall war unter anderem der Spätfrost. Wenn es im April und Mai noch einmal richtig kalt wird, drohen Enteschäden. Die Obstbauern im Alten Land versuchen mit Dauerberegnung das Gefrieren ihrer Pflanzen zu verhindern. Eine Berliner Firma setzt dagegen auf Mikroorganismen.

16.10.2002
    Wasser gefriert bei Null Grad Celsius. Im Allgemeinen zumindest, denn beispielsweise verschiebt Salz im Wasser den Gefrierpunkt und sorgt so im Winter für begehbare Straßen. Neben Salzen beeinflussen auch eine Reihe von Katalysatoren im Wasser das Gefrieren. Bei unterschiedlichen Minusgraden sind auch unterschiedliche biologische und chemische Katalysatoren für die Eisbildung des Wassers verantwortlich. So genannte Eisplus-Bakterien etwa wirken bei Temperaturen zwischen null und minus fünf Grad. Ab einer gewissen Feuchtigkeit produzieren sie ein Protein, das die Kristallisation von Wasser auslöst. Ließen sich diese Bakterien ausschalten, wären Pflanzen bis etwa minus fünf Grad vor Spätfrost geschützt. Den Ausschalter glaubt der Iraner Abdi Baghi, Geschäftsführer der Berliner Firma Phytobacter, in der Natur selbst entdeckt zu haben: die so genannten Eisminus-Bakterien: "Durch diese Eisminus-Bakterien können die Eisplus-Bakterien nicht mehr aktiv werden. Wir vernichten also die Eisplus-Bakterien nicht. Wir wollen diese Bakterien auf zwei Arten inaktivieren: Durch physikalische Unterdrückung und durch physiologischen Nahrungsentzug." Auf den Blättern der Pflanze kämpfen die Eisplus- und die Eisminus-Bakterien um die Vorherrschaft. Die natürliche Anzahl der Eisminus-Bakterien reicht aber nicht aus, um die Eis bildenden Eisplus-Bakterien in ihrer Aktivität zu bremsen. Deshalb sollen die Landwirte nachhelfen. Baghi will ihnen Eisminus-Bakterien liefern, die - einmal versprüht - die Eisplus-Bakterien während der Spätfrostphase in Schach halten und danach wieder absterben. Baghi erläutert: "Unsere Bakterien sind bis zu sechs Wochen aktiv. Obwohl es Umweltbakterien sind, haben sie in der Umwelt nur eine begrenzte Lebenszeit." Das sei auch gut so, denn damit bliebe die Population der Bakterien in Grenzen.

    In drei Jahren soll das biologische Frostschutzmittel für Pflanzen Marktreife erlangt haben. Dann sollen die Eisminus-Bakterien in pulverisierter Form verkauft werden. Das Verfahren der Pulverisierung hat Phytobacter schon an anderer Stelle erprobt. Pulverisierte Bakterien der Firma sind in der Landwirtschaft und im Gartenbau bereits im Einsatz, um Pflanzen vor Pilzen zu schützen oder das Zellwachstum zu fördern. Mit den richtigen Bakterien, so Abdi Baghi, lassen sich viele Probleme der Landwirtschaft ohne Chemie lösen.

    [Quelle: Henning Steiner]